Die Finanzmarktregulierung ist gescheitert

Die Credit Suisse-Krise hat uns einmal mehr bewusst gemacht, dass das Bankenwesen inhärent
instabil ist. Seit Jahrzehnten bekämpft man diese Instabilität mit neuer Regulierung und scheitert Mal
für Mal.

Die moderne Finanzmarktregulierung fusst in den meisten westlichen Staaten auf den Erfahrungen
der 1930er Jahre. Das erste Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen wurde 1934 erlassen. Bis
zur Gründung des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht 1974 – gegründet als Reaktion auf den
Konkurs der deutschen Herstatt-Bank – war die Regulierung der Finanzmärkte eine rein nationale
Angelegenheit. Seit nun fast 50 Jahren versucht der Basler Ausschuss mit neuen Regulierungen der
Instabilität des Bankenwesens her zu werden. 1975 wurde der erste Report erlassen. 1988 wurde mit
Basel I das erste umfassende internationale Regelwerk implementiert. Basel II folgte 2004 und Basel
III 2010. Allein in den Jahren 2005, 2006 und 2010 wurden vom Basler Ausschuss jeweils 500 Seiten
und mehr veröffentlicht. Heute besteht allein das Basler Regelwerk aus Tausenden von Seiten. Doch
diese Regeln haben unser Finanzsystem nicht sicherer gemacht. Bankkrisen gehörten in den letzten
40 Jahren schon fast zum Alltag. Allein in der Schweiz mussten in den letzten 30 Jahren drei
Grossbanken vor dem Untergang gerettet werden: 1993 wurde die Schweizerische Volksbank von der
heutigen Credit Suisse durch eine Übernahme gerettet, 2008 die UBS vom Staat und nun die Credit
Suisse. Spätestens heute muss man festhalten: Die staatliche Regulierung des Finanzmarktes ist
grandios gescheitert.


Höhere Risiken und tiefere Eigenkapitalquoten
Wie die Zahlen der Schweizerischen Nationalbank zeigen, sind die Eigenkapitalquoten der Schweizer
Banken im Laufe des 20. Jahrhunderts deutlich zurückgegangen. «Ende des 19. Jahrhunderts wiesen
die beiden damaligen Grossbanken Schweizerische Kreditanstalt und Schweizerischer Bankverein
Eigenkapitalquoten von über 30 Prozent aus» (Amrein, 2016). Nach dem Zweiten Weltkrieg lag
dieser Wert noch bei rund zehn Prozent und bis zum Ende des 20. Jahrhunderts halbierte sich dieser
Wert noch einmal auf vier bis fünf Prozent– zeitweise erreichten die Schweizer Grossbanken eine
Eigenkapitalquote von gerade mal drei Prozent. «Berücksichtigt man die in früheren Jahren noch
höheren stillen Reserven, war dieser Rückgang sogar noch stärker.» (Amrein, 2016). Dasselbe Bild
zeigt sich, wenn man die risikogewichteten Aktiven – ein Ansatz, welcher mit Basel I eingeführt
wurde – betrachtet: «Das Eigenkapital hat auch im Verhältnis zu den Risiken markant abgenommen.»
(Amrein, 2016).


Mehr Eigenkapital, weniger Regulierung
Es liegt der Schluss nahe, dass der Abbau der stillen Reserven und der Rückgang des gewichteten
Eigenkapitals stark mit der Entwicklung der Regulierung wie Basel I zusammenhängt und deren
Rückgang auf das heutige Niveau erst ermöglichte. Die umfassenden Regulierungen und das daraus
abgeleitete Risikocontrolling wogen Banken sowie die Bankenaufsicht und Nationalbanken in
Sicherheit. Spätestens 2008 wurde dies aber als Illusion entlarvt. Die Finanzgeschichte der letzten
200 Jahre zeigt eindrücklich, dass es einen hohen Zusammenhang zwischen der Höhe der
Eigenkapitalquote der Banken und der Anzahl Bankkrisen gibt. Mehr Eigenkapital für Banken
bedeutet daher auch weniger Bankenkrisen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass viele Ökonomen
und Wirtschaftshistoriker höhere Eigenkapitalquoten fordern. Mindestens 20 Prozent scheinen mir
aus historischer sowie ökonomischer Perspektive gesehen, der richtige Ansatz zu sein. Im Gegenzug sollte man die nutzlosen Regulierungen der letzten 50 Jahre abschaffen, um die
Wettbewerbsfähigkeit unserer Banken zu erhalten. Idealerweise würde man sogar gänzlich auf
weitere Regulierungen verzichten.

Erschienen in den Schaffhauser Nachrichten am 30. März 2023.


Das ungelöste Solvenzproblem und die Politik der EZB

In Deutschland ist wieder einmal eine Debatte über die Europäische Zentralbank EZB und deren Geldpolitik entbrannt. Die Debatte wird bisweilen nicht gerade unzimperlich geführt. EZB-freundliche und EZB-nahe Ökonomen nennen die Kritiker der EZB-Politik abschätzig «EZB-Basher» oder sogar Verschwörungstheoretiker. Um die ökonomischen Argumente geht es bei dieser Debatte leider kaum noch. Es geht schlichtweg um die Deutungshoheit. Dabei wäre eine inhaltliche Diskussion äusserst wichtig, denn es geht um die zentralsten Elemente unseres Wirtschaftssystems und dessen Zukunft.

Bei der Debatte um die EZB und deren Geldpolitik geht es im Kern um die Frage, weshalb die Zinsen so tief sind und welche Rolle die Zentralbanken, in diesem Fall die EZB, spielen. Dazu gibt es stand heute zwei populäre Ansichten. Die Mainstreamökonomie geht davon aus, dass der natürliche Zins durch verschiedene Einflüsse (Digitalisierung, Globalisierung, Demographie, etc.) stark gesunken ist und bisweilen sogar negativ sein soll (vgl. https://www.aeaweb.org/articles?id=10.1257/mac.20170367). Sie kommt daher zum Schluss, dass die EZB nicht für die tiefen Zinsen verantwortlich gemacht werden kann. Die zweite Position, welche insbesondere von Österreichern und (ordo-)liberalen Ökonomen vertreten wird, anerkennt zwar, dass verschiedene vom Mainstream genannte Einflüsse eine gewisse Auswirkung auf die Zinsen haben und hatten. Sie gehen jedoch davon aus, dass der Zins ohne die Geldpolitik auf einem anderen Niveau wäre und der natürliche Zins klar über der Nullgrenze liegt.

Die Finanzkrise als Solvenzkrise

Um der zentralen Frage der Debatte – weshalb die Zinsen so tief sind – auf den Grund zu gehen, müssen wir zur Finanzkrise von 2007 zurückgehen. Unabhängig davon, was die Ursachen dieser Krise waren, welche in Europa in der Folge fast nahtlos in die Eurokrise überging, stellt die Finanzkrise und die in Europa folgende Eurokrise eine Solvenzkrise dar. Viele Schuldner konnten im Verlauf der Krise ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Zuerst betraf dies in erster Linie amerikanische Hausbesitzer. Dies weitete sich dann sukzessive auf das globale Finanz- und Bankensystem aus. Nun waren auch viele Banken und Versicherungen kaum mehr in der Lage ihre Schulden zu bedienen. Es folgte ein Zusammenbruch des Kreditmarkts für Finanzinstitute – dem Interbankenmarkt. Die Zentralbanken (angeführt von der amerikanischen FED) und einige Staaten sahen sich gezwungen viele Banken und Versicherungen zu retten. Im Verlauf der Krise zeigte sich, dass auch in Europa nicht nur die Banken und Versicherungen ein Solvenzproblem hatten, sondern auch viele private Schuldner und Nichtfinanzunternehmen. So platzte zum Beispiel in Spanien, wie in den USA, eine gewaltige Immobilienblase. Zudem bekamen nun auch viele europäische Staaten ein Problem mit den angehäuften Schulden, welche durch Bankenrettungen und dem Einbruch der Konjunktur, drastisch anstiegen. Nachdem die EZB bereits für das Finanz- und Bankensystem die Rolle des Kreditgebers in letzter Instanz – lender of last resort – übernommen hatte, sah sich die EZB nun gezwungen dies in gewisser Weise auch für die Staaten der europäischen Währungsunion zu sein, um den Euro zu retten. Mario Draghi’s Worte “what ever it takes” wurden weltberühmt.

Abbildung 1: Zinsentwicklung [1] & [2]

Bei all diesen umfangreichen Rettungsplänen der Staaten und der Zentralbanken stellt sich die Frage: Wurde die Solvenzkrise gelöst, das Schuldenproblem verringert? Darauf gibt es eine klare Antwort: Nein. Denn um ein Solvenzproblem zu lösen gibt es grundsätzlich zwei Lösungen: Default oder den Schuldenberg verkleinern (indem die Schulden durch Sparen zurückbezahlt werden oder durch Wachstum der Einkommen die relative Schuldenlast abnimmt). Mit der Rettung von Schuldner durch den Staat bzw. die Zentralbank wurde jedoch weder das eine noch das andere getan. Die Schulden wurden verschoben, deren Rückzahlungsfrist verlängert oder bzw. und die Schuldzinsen reduziert. Die Schuldenlast wurde dadurch nicht bzw. nur temporär verringert. Die Zentralbanken haben mit Unmengen von neuem Geld lediglich Zeit gekauft, nicht mehr und nicht weniger. Doch was hat uns diese Zeit bis jetzt gebracht? Eigentlich nichts. Grosses Wachstum, welches die Schuldenlast erträglicher machen würde, blieb aus. Die Menge an Schulden ist heute – global gesehen – sogar grösser denn je, sowohl in absoluten Zahlen als auch im Vergleich zum BIP[3]. Die Probleme von 2007 und 2008 sind also in keiner Weise gelöst. Das Problem ist heute noch grösser. Es ist eigentlich nur eine Frage der Zeit bis das Schuldenproblem wieder in einer Krise mündet.

Überangebot an Kapital wegen einer Sparschwemme?

Nun zurück zu unserer Ausgangsfrage, weshalb die Zinsen so tief sind. Nachdem der Zins bereits seit Ende der 1980er Jahre stark gefallen ist, sind die Zinsen seit der Finanzkrise erneut stark zurückgegangen. Viele Staatsanleihen weisen heute einen negativen Zinssatz auf. Die Mainstreamökonomie geht nun davon aus, dass aufgrund verschiedener externer Entwicklungen (Demographie, Globalisierung, Digitalisierung, etc.) zum einen die Nachfrage nach Kapital abgenommen habe und zum anderen das Kapitalangebot durch eine Schwemme an Ersparnissen zugenommen habe (vgl. https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ezb-niedrigzins-gruende-1.4706299). Die niedrigen Zinsen und die Geldpolitik wären daher nur eine Reaktion auf diesen Angebotsüberhang. Auf den ersten Blick tönt dies plausibel und die Forderung, dass nun verschiedene Wirtschaftsakteure insbesondere der Staat mehr Kapital nachfragen müssten, indem sie sich stärker Verschulden wäre nur folgerichtig. Doch nur schon, wenn wir uns die oben erklärte Solvenzproblematik der Finanzkrise vor Auge führen, erkennen wir, dass sich die Argumentation in den Schwanz beisst. Aber schauen wir uns die Sache genauer an. Als erstes betrachten wir die Angebotsseite. Hier wird behauptet, dass die Wirtschaftssubjekte – in erster Linie die privaten Haushalte – u.a. wegen der Alterung der Gesellschaft mehr Sparen und es infolgedessen zu einer Ersparnisschwemme kommt, welche zu einer Ausweitung des Kapitalangebots führt.

Abbildung 2: Sparquote der privaten Haushalte und Altersquotient in Deutschland[4]

Sehen wir uns die globale Entwicklung der Sparquoten an, erkenne wir, dass zwar die Sparquote der Unternehmen seit den 1980ern zugenommen, jedoch hat jene der privaten Haushalte etwa im selben Ausmass abgenommen hat (siehe Abbildung 3). Bei der Sparquote der Staaten sieht man, dass diese in erster Linie von der konjunkturellen Entwicklung abhängig ist. Insgesamt lässt sich festhalten, dass nicht von einer generellen Zunahme der Sparquote oder gar einer regelrechten Ersparnisschwemme gesprochen werden kann. Ebenfalls lässt sich festhalten, dass die Alterung offenbar zu keiner Zunahme der Sparquote bei den privaten Haushalten geführt hat (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 3: Sektorielles Sparen im Vergleich zum globalen BIP[5]

Trotzdem kann davon ausgegangen werden, dass das Angebot in den letzten Jahren durchaus zugenommen hat. Nur hat dies einen ganz anderen Grund, als dies die Mainstreamökonomen postulieren: Die Politik der Zentralbanken. Zentralbanken wie die EZB haben seit dem Ausbruch der Finanzkrise Billionen von neuem Geld in Umlauf gebracht und damit den Markt überschwemmt (siehe Abbildung 4). Oder anders ausgedrückt: Die Zentralbanken haben das Angebot an Kapital erhöht.

Abbildung 4: Entwicklung der monetären Basis[6]

Kommen wir zur Nachfrageseite. Hier geht die Mainstream-Ökonomie davon aus, dass die Nachfrage nach Kapital abgenommen hat, weil durch die Globalisierung und die Digitalisierung die Kapitalintensität sinkt. Schaut man sich die Entwicklung der Investitionen seit den 1980er an, lässt sich dies jedoch nicht wirklich erhärten (siehe Abbildung 5). Nur bei den privaten Haushalten lässt sich ein leichter Trend zu weniger Investitionen feststellen. Die Investitionsquote der Unternehmen und der Staaten scheint hingegen konstant zu bleiben.

Abbildung 5: Sektorielles Investment im Vergleich zum globalen BIP[7]

Es lässt sich bei der Nachfrageseite also festhalten, dass zwar über alles gesehen ein leichter Rückgang der Nachfrage feststellbar ist, die Grösse des Rückgangs aber eher vernachlässigbar ist.

Sinkende Zinsen als Folge der EZB-Politik

Schauen man sich die Geldpolitik der EZB seit dem Ausbruch der Finanzkrise und deren Wirkung auf den Kreditmarkt genauer an, lässt sich feststellen, dass die Ausweitung der Basisgeldmenge insbesondre im Zuge der Quantitativ Easing Programme ab 2015 keinen Einfluss auf die Entwicklung der Kredite an Private hatte (siehe Abbildung 6). Es lässt sich also auch in Europa das gleiche Phänomen feststellen wie global: Das Kapital- und Geldangebot hat durch die Politik der EZB zugenommen. Gleichzeitig hat sich jedoch die Nachfrage nach Krediten bzw. Kapital kaum verändert. Es besteht also ein gewisser von der EZB verursachter Angebotsüberhang, was wiederum dazu führt, dass der Preis für Kapital, der Zins, fällt. Nun kann man natürlich wie viele Mainstreamökonomen argumentieren, dass die Wirtschaftsakteure – insbesondere der Staat – mehr investieren, mehr Kredite nachfragen sollten und weniger sparen sollten, um diesen Angebotsüberhang verschwinden zu lassen, was wiederum zu steigenden Zinsen führen sollte. Wenn wir uns die ungelösten Probleme der Finanz- und Eurokrise vor Augen halten, erkennen wir, dass die Argumentation nicht verfängt. Private Haushalte, Unternehmen als auch Staaten hatten ein Solvenzproblem, welches nach wie vor ungelöst ist und nur dank den tiefen Zinsen nicht zum Tragen kommt. Nun zu fordern, dass sich diese Akteure noch mehr Verschulden sollen, ist wie einem Betrunkenen zu raten, er solle noch mehr Alkohol trinken. Oder anders gesagt, man verlangt von den Wirtschaftsakteuren insbesondere dem Staat ein irrationales Verhalten.

Abbildung 6: Wirksamkeit der expansiven Geldpolitik in Frage gestellt[8]

Fazit

Die Argumentation der Mainstreamökonomie, weshalb die Zinsen so tief sind und was man dagegen tun kann, tönt einleuchtend. Wer jedoch die letzte grosse Krise analysiert und die empirischen Entwicklungen begutachtet, kommt schnell zum Schluss, dass eine angebliche Sparschwemme kaum die Ursache sein kann und dass mehr Schulden das Problem nicht lösen, sondern eher noch verschärfen würden. Wenn man es genau nimmt, muss man sogar sagen, dass die Argumentationslinie des Mainstreams absurd ist. Auf der einen Seite argumentiert er richtigerweise, dass eine Erhöhung der Zinsen durch die EZB wohl zu einer Rezession führen würde, weil die vergangene Krise wieder ausbrechen würde. Also viele Schuldner wieder in ein Solvenzproblem geraten würden. Auf der anderen Seite argumentiert er, man müsse nun mehr Schulden machen, sodass die Zinsen steigen, obwohl schon der heutige Schuldenstand keine höheren Zinsen zulässt. Absurder geht es kaum, insbesondere wenn man bedenkt, dass auch Schulden dem Gesetz des abnehmenden Grenznutzens unterworfen sind. Fast genauso absurd ist die Angst des Mainstreams und vieler Zentralbanken wie der EZB vor einer Deflation. Diese Angst begründet einen grossen Teil der EZB-Politik der letzten Jahre und zeigt das historische Unwissen vieler Ökonomen. Im 19. Jahrhundert war Deflation an der Tagesordnung und das Pro-Kopf-Wachstum war trotzdem viel höher als heute. “Deflation ist der Normalzustand, weil technischer Fortschritt, Erfindungen und Produktivitätsgewinne zu sinkenden Preisen führen. Die Angst der Ökonomen vor der Deflation stammt aus der Weltwirtschaftskrise, die aber historisch die Ausnahme war. Was schädlich ist, ist nicht die Deflation, sondern die zu hohe Verschuldung, die durch Deflation schwerer zu ertragen ist. Die richtige Antwort wäre also: Deflation ist kein Problem. Unser Problem sind die hohen Schulden und um die tragbar zu halten, müssen die Zinsen tief sein.”[9] Interessant ist zudem auch, dass die EZB-eigene Research-Abteilung klar zu Schluss kommt, dass alleine die QE-Programme der EZB die Zinsen der europäischen Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren, um einen Prozentpunkt nach unten drücken und die Zinssätze bis 2033 beeinflussen (siehe Abbildung 7).

Abbildung 7: Geschätzter Effekt des APP auf die Renditen von Staatsanleihen aus dem Euroraum[10]

Lösungsansatz: Schuldenschnitte und Änderung der Geldpolitik

Um es so klar und deutlich zu sagen: Mit der heutigen EZB-Geldpolitik und der Argumentationslinie des Mainstreams hat man sich in einen Teufelskreis begeben, denn man ohne Änderung der heutigen Geld- und Fiskalpolitik nicht mehr verlassen kann, bis der Euro eines Tages zusammenbricht. Um den Teufelskreis zu verlassen, müsste die EZB ihre expansive Geldpolitik beenden und beginnen ihre Bilanz zu reduzieren. Dadurch würde der Illusion das Kapital heute nicht mehr knapp ist ein Ende gesetzt. Gleichzeitig müsste man auf der anderen Seite nun endlich umfangreiche Schuldenschnitte bei vielen europäischen Staaten vornehmen. Auch beim Finanz- und Bankensystem müssten solche Schuldenschnitte vorgenommen werden. Diese Schuldenschnitte würden dazu führen, dass die Wirtschaftsakteure wieder mehr investieren und auch wieder vermehrt neue Kredit nachfragen könnten. Diese Massnahmen würden wohl zu einer gewissen Bereinigungskrise führen, was jedoch mittel- bis langfristig bei weitem besser wäre als der heutige Teufelskreis.


[1] http://www.leitzinsen.info/

[2] https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/cc/Langfristige_Zinss%C3%A4tze_in_der_Eurozone_seit_1993.png

[3] https://blogs.imf.org/2019/01/02/new-data-on-global-debt/

[4] https://twitter.com/PeterBofinger/status/1202199251062853632

[5] https://voxeu.org/article/global-corporate-saving-glut

[6] https://cryptowords.github.io/crypto-voices-2019-q1-global-monetary-base

[7] https://voxeu.org/article/global-corporate-saving-glut

[8] https://twitter.com/retolipp/status/1199635862616780800

[9] https://www.manager-magazin.de/finanzen/artikel/ezb-daniel-stelter-widerlegt-marcel-fratzscher-a-1298734-5.html

[10] https://www.bundesbank.de/resource/blob/783062/0d59d95a78aa6558717ed6d952ea8d20/mL/2019-02-ezb-wb-data.pdf

Titelbild: Christoph Scholz, https://www.flickr.com/photos/140988606@N08/28996458836


Eurokrise: Wie Europa die Grosse Depression wiederholt

Abstract

Die vorliegende Arbeit vergleicht die europäische Krise seit 2008 – bekannt als Eu­rokrise – mit der Grossen Depression der 1930er Jahre in Europa. Die Arbeit geht dabei der Frage nach, ob der europäische Währungsraum – ähnliche wie der Goldstandard in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts – eine Fessel für die Volkswirtschaften Europas darstellt. Zur Beantwortung dieser Frage wird in einem ersten Teil die beiden Währungssysteme Goldstandard und Euro anhand der beiden theoretischen Ansätze Trilemma der Geldpolitik und optimale Währungsräume analysiert und verglichen. In einem zweiten Teil folgt eine Analyse und ein Vergleich der Ursachen und der Krisentypen der beiden Krisen. In einem dritten Teil werden die bei-den Krisen anhand verschiedener makroökonomischer Variablen verglichen. Im vierten und letzten Teil der Arbeit folgt eine Analyse der beiden Krisen anhand der Geld- und Fiskalpolitik. Die Arbeit zeigt auf, dass ein Währungssystem kann die Geldpolitik behindern und deren Handlungsspielraum einschränken. Diese Schlussfolgerung führt zum Fazit, dass der europäische Währungsraum – ähnlich wie der Goldstandard – eine geldpolitische Fessel für Europa darstellt.

Einleitung

Vor rund zehn Jahren schlitterte die Welt die schlimmste Wirtschaftskrise seit dem Börsencrash von 1929 und der Grossen Depression der 1930er Jahre. In den ersten zwölf Monaten der Krise brach die weltweite Industrieproduktion um über zehn Prozent ein. Der Einbruch erreichte damit dieselben Ausmasse wie 1930[1]. Anders als in den 30er Jahren konnte – dank des beherzten Eingreifens der Zentralbanken unter Führung der amerikanischen Zentralbank FED – jedoch ein anschliessendes Abgleiten der Weltwirtschaft in eine Depression vermieden werden. Trotzdem waren die Konsequenzen verheerend. Millionen von Jobs gingen verloren. In Europa und Nordamerika war 2010 rund jeder zehnte arbeitslos[2]. Die Industrieproduktion in den Vereinigten Staaten brauchte über sechs Jahre um das Vorkrisenniveau zu erreichen[3]. Trotz dieser massiven Einschnitte erlebte die USA wie auch die Weltwirtschaft seit 2010 einen stetigen Aufschwung. Etwas anders sieht hingegen die Lage in Europa aus. Sowohl die Industrieproduktion als auch das Bruttoinlandprodukts der Europäischen Union und der Eurozone liegen auch nach zehn Jahren immer noch unter dem Vorkrisenniveau[4]. Die Europäische Zentralbank (EZB) verharrt deshalb weiterhin im Krisenmodus. Auch wenn die EZB angekündigt hat ihr Quantitative Easing Programm per Ende des Jahres 2018 auslaufen zulassen, ist ein Ende des Krisenmodus nicht abzusehen. Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten von Amerika schafft es Europa und insbesondere die Eurozone seit Jahren nicht aus der Krise. Da stellt sich unweigerlich die Frage, weshalb die Eurozone nicht aus dem Schlamassel rauskommt, während andere den Krisenmodus seit längerem verlassen haben. Die ganze Situation erinnert stark an die Grosse Depression der 1930er Jahre, als Europa und die USA in den Fesseln des Goldstandards gefangen waren und über Jahre in einer Depression feststeckten. Wie die Arbeit von Barry Eichengreen zeigte, ermöglichte erst der Ausstieg aus dem Goldstandard einen Aufschwung und ein Ende der Depression[5]. Es stellt sich die Frage,  inwiefern sich die heutige Krise Europas mit der Grossen Depression in Europa vergleichen lässt und ob die Eurozone und das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) ebenfalls eine Art Fessel für die europäische Wirtschaft darstellt, welche einen nachhaltigen Ausbruch aus der Krise verunmöglicht. Zur Beantwortung dieser Fragestellung werden die beiden Krisen – Grosse Depression in Europa und Eurokrise – miteinander verglichen. In einem ersten Teil wird anhand der Theorie der optimalen Währungsräume und dem Trilemma der Geldpolitik die Struktur der beiden Währungssysteme – Goldstandard und Europäischer Währungsraum – analysiert. Danach folgt eine Gegenüberstellung der Ursachen der beiden Krisen. Im dritten Teil wird der Ablauf der jeweiligen Krisen anhand von verschiedenen makroökonomischen Variablen verglichen. Im Zentrum dieses Vergleichs stehen die vier grössten Volkswirtschaften der Eurozone: Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien. Neben diesen vier Ländern werden weitere fünf Staat aus der Eurozone und sechs EU-Länder[6], welche nicht Teil der Eurozone sind, untersucht. In einem vierten und letzten Teil folgt eine Analyse der Fiskal- und Geldpolitik in den beiden Krisen.


[1] Eichengreen & O’Rourke: A Tale of two Depressions.

[2] OECD.

[3] FRED.

[4] OECD.

[5] Eichengreen: Golden Fetters.

[6] In der Analyse wird jedoch mit Dänemark ein Staat mehr zum Euroraum gezählt, da Dänemark seine Währung an den Euro gebunden hat. Korrelation zwischen dem dänischen und dem Euro-Zins beträgt 0.987.

Paper: Die Geschichte zweier Finanzkrisen: Ein Vergleich der Eurokrise mit der Grossen Depression in Europa


Die Eurozone gefangen in den Fesseln des Kredits

Seit zehn Jahren verharrt die Europäische Zentralbank (EZB) im Krisenmodus. Auch wenn die EZB angekündigt hat ihr Quantitative Easing Programm – umfangreicher Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen mit neugeschaffenem Geld – per Ende des Jahres auslaufen zulassen, ist ein Ende des Krisenmodus nicht abzusehen. Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten von Amerika und deren Notenbank schaffen es die Eurozone und die EZB seit Jahren nicht aus der Krise. Da stellt sich unweigerlich die Frage, weshalb die Eurozone nicht aus dem Schlamassel rauskommt, während andere den Krisenmodus seit längerem verlassen haben. Darauf gibt es aus geldtheoretischer Sicht zwei Antworten, welchen nachfolgend erläutert werden.

Jean-Claude Trichets kapitaler Fehler

Abbildung 1: Zinsentwicklung Eurozone vs. USA (Quelle http://leitzinsen.info/)

Die erste Antwort lässt sich im Jahr 2011 finden. Nachdem die EZB im Vergleich zu anderen Notenbanken  relativ konservativ reagierte und den Leitzins nur auf 1% senkte (Vgl. Abbildung 1), wollte die EZB um ihren damaligen Präsidenten Jean-Claude Trichet – als einzige und erste bedeutende Notenbank auf der Welt – im Frühjahr 2011 den Ausstieg aus der Krisenpolitik des extrem billigen Geldes wagen. Im April 2011 erhöhte sie den Leitzins von 1% auf 1.25% und im Juli folgte mit der Erhöhung des Leitzinses auf 1.5% ein zweiter Zinsschritt (siehe Abbildung 1). Da die Eurokrise zu diesem Zeitpunkt mitnichten überwunden war, stellten sich die Zinserhöhungen als kapitaler Fehler heraus: Anstatt den Ausstieg zu ermöglichen, brachten die Zinserhöhungen das Kartenhaus der Eurozone erst recht zum Einsturz. Im Sommer 2012 stand die Eurozone deshalb kurz vor dem Kollaps. Erst als Trichets Nachfolger Mario Draghi am 26. Juli 2012 seine berühmten Worte «Whatever it takes to preserve the Euro»[1] aussprach, entspannte sich die Lage. Von einem Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik wagte man nun nicht einmal mehr zu träumen. Das Motto von Draghi prägt seither die Geldpolitik der EZB und führte in der Folge zu einem neuen Programm zur Ausweitung der expansiven Geldpolitik nach dem anderen, jedes noch grösser und umfangreicher als das Vorherige.

Dysfunktionaler Währungsraum

Die zweite Antwort findet sich im europäischen Währungsraum selbst. In Deutschland ist unter Ökonomen eine Debatte um die Target 2-Salden[2] – das Zahlungsverkehrssystem des Euroraums – entbrannt, welche es mittlerweile in fast alle grossen Tageszeitungen geschafft hat. Dabei geht es um die Frage, ob und inwiefern immer weiter ansteigenden Target 2-Salden für Deutschland und deren Bürger ein Problem darstellen. Entscheidend ist: So lange die Eurozone Bestand hat, Länder – wie Italien – nicht aus dem Euro austreten und die Aktiven der nationalen Notenbanken im Eurosystem sich als werthaltig erweisen, sind die Target 2-Salden an sich kein Problem. Das gewaltige Auseinanderdriften der Salden seit der Finanzkrise ist eigentlich ein Symptom dafür, dass die Eurozone ein dysfunktionaler Währungsraum darstellt.

Abbildung 2: Entwicklung der Target-Salden im Euroraum (Quelle FAZ)[3]

Bereits vor der Einführung des Euros wurde der geplante Währungsraum von einer Grosszahl an Ökonomen[4] schwer kritisiert. Unter anderem deshalb, weil die geplante Währungsunion rein auf politischen Überlegungen basierte und ökonomische Gedanken aussenvorgelassen wurden. So liest sich die Doktorarbeit Seigniorage, Defizite, Verschuldung und Europäische Währungsunion des heutigen SNB-Präsidenten Thomas Jordan heute, mehr als 20 Jahre später, «wie der Fahrplan für die Eurokrise.»[5] Bis heute ist der europäische Währungsraum ein Währungsraum mit sehr grosser ökonomischer und zunehmend auch politischer Divergenz[6]. Die für einen Währungsraum essentielle Arbeitsmarktmobilität ist innerhalb Eurozone aus kulturellen und sprachlichen Gründen viel tiefer als zum Beispiel in den USA. Daneben fehlt es dem europäischen Währungsraum bis heute an den nötigen Anpassungsmechanismen[7] und einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik – insbesondere Fiskalpolitik.

Ein Ende mit Schrecken oder ein Schrecken ohne Ende

Im Gegensatz zur tiefen Mobilität des Arbeitsmarktes sind diese Aspekte korrigierbar und so gehen auch einige der Reformvorschläge des französischen Präsidenten Macron in diese Richtung[8]. Es ist jedoch äusserst fraglich, ob die Schaffung von Anpassungsmechanismen und einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik politisch mehrheitsfähig sind. Zudem ist zu befürchten, dass solche Massnahmen zu einer noch grösseren politischen Divergenz innerhalb Europas führen würden. Es ist zudem auch aus ökonomischer Sicht äusserst fraglich, ob eine weitere Zentralisierung die Probleme der Eurozone wirklich löst. Es ist eher wahrscheinlich, dass die Eurozone auch mit diesen Änderungen ein dysfunktionaler Währungsraum bleibt. Die Eurozone befindet sich deshalb in einem Dilemma zwischen einem Ende mit Schrecken oder einem Schrecken ohne Ende. Eigentlich müsste man die Eurozone geordnet zurückbauen, da sich die Dysfunktionalität des Währungsraums kaum beheben lässt. Ein geordneter Rückbau ist jedoch kaum möglich, respektive mit gigantischen Kosten verbunden. Zum einen würden Länder wie Deutschland der totale Verlust ihrer Target 2-Forderungen drohen. Im Falle Deutschlands belaufen sich diese Forderungen mittlerweile nahezu 1000 Milliarden. Zum anderen ist auch bei einem geordneten Rückbau das Risiko sehr gross, dass es zu einem Börsencrash und einer Bankenkrise kommt – einem Ende mit Schrecken. Die Länder der Eurozone sind gefangen in einem Meer aus Krediten und gegenseitigen Abhängigkeiten. Da sich die grundsätzlichen Probleme des Euroraums kaum beheben lassen, stellt die Alternative zum Rückbau, der Erhalt des Währungsraums, keine bessere Option dar. Sie ist mehr ein Schrecken ohne Ende.

Paradoxerweise sorgen die steigenden Target-2-Forderungen dafür, dass die Auswirkungen einer Bereinigung immer grösser werden und viele Verantwortliche ein Schrecken ohne Ende einem Ende mit Schrecken vorziehen. Die ganze Situation erinnert stark an die Grosse Depression der 1930er Jahre, als Europa und die USA in den Fesseln des Goldstandards gefangen waren. Erst das Ende mit Schrecken, der Ausstieg aus dem Goldstandard und die darauffolgende Abwertung, ermöglichte das Ende der Krise[9].


[1] https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2012/html/sp120726.en.html

[2] Eine genauere Erläuterung, was Target 2-Salden sind, findet sich her: https://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Aufgaben/Unbarer_Zahlungsverkehr/TARGET2/TARGET2_Saldo/target2_saldo.html

[3] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/das-target-saldo-der-bundesbank-liegt-bei-1000-milliarden-euro-15694675.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0

[4] Neben Jordan kritisierten unzählige andere renommierte Ökonomen wie Milton Friedman oder Martin Feldstein die geplante Währungsunion.

[5] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/thomas-jordan-der-euro-prophet-11607183.html

[6] Insbesondere Feldstein warnte davor, dass der europäische Währungsraum neben ökonomischen Problemen auch zu politischen Spannungen führen werde (siehe Fussnote 4).

[7] Siehe http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/martin-feldstein-im-interview-der-euro-hat-wirtschaftlich-enorm-geschadet-13889760.html

[8] https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-04/eu-reform-emmanuel-macron-frankreich-parlament-reaktionen-deutschland

[9] Eichengreen, B. (1992). Golden Fetters: The Gold Standard and the Great Depression, 1919-1939.


Die Schweizer Immobilienblase – eine Spätfolge der Negativzinsen?

Der Zusammenbruch der Spar+Leihkasse Thun im Oktober 1991 gilt neben dem Untergang der Swissair als einer der grossen Schandflecke der modernen Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Der Konkurs der Regionalbank war jedoch nur ein Höhepunkt einer Krise, welche die Schweiz über Jahre prägen sollte. Als die Immobilienblase zu Beginn der 90er Jahre platzt, geht nicht nur die Spar und Leihkasse Thun unter. Viele andere Banken sterben mit ihr beziehungsweise werden von den Grossen geschluckt. Auch die Grossbank Schweizerische Volksbank überlebt die Immobilienkrise nicht. 1993 wird sie von der Credit Suisse übernommen. Es ist ein regelrechtes Massensterben: «Von 625 Banken 1990 schliesst bis 1995 jede dritte ihre Pforten»[1]

Die allgemeine Lehrmeinung besagt, dass die Interventionen der SNB nach dem Börsencrash vom 19. Oktober 1987, dem Schwarzen Montag, die Spekulationen am Immobilienmarkt zuerst überborden liess und die drauf folgende Gegenreaktion der SNB, welche die kurzfristigen Zinsen auf über 8% hochschnellen liess, die Blase zum Einsturz brachte. Eine Seminararbeit, welche ich zusammen mit zwei Kommilitonen an der Universität Zürich geschrieben habe, kommt zum Schluss, dass diese beiden Aspekte nur ein Teil des ganzen Puzzles sind[2]. Die Interventionen der SNB nach dem Börsencrash haben die Blase zwar zum Platzen gebracht, sie sind jedoch nicht der Ursprung der Blase. Auch ohne den Börsencrash und seine Folge wäre die Blase am Schweizerischen Immobilienmarkt früher oder später geplatzt.

Abbildung 1: Immobilienindices (Balmer et al., Datenquelle: Wüest Partner)[3]

Die Schweizerische Immobilienblase nimmt ihren Anlauf bereits in der zweiten Hälfte der 70er Jahre. Nach dem die Immobilienpreise zwischen 1973 und 1976 um rund 15% gefallen waren, begannen die Preise ab 77/78 kontinuierlich zu steigen und die Anzahl Transaktionen auf dem Immobilienmarkt erreichten Ende der 70er Jahre einen Rekordwert[4]. Bis Ende 1982 stiegen die Preise um fast 50%. Angetrieben wurde diese erste Phase des Booms von einem Tiefzinsumfeld. Im Verlauf der krisengeschüttelten 70er Jahre sah sich die SNB gezwungen zuerst Negativzinsen einzuführen und später auch noch einen Mindestkurs gegenüber der D-Mark[5]. Dieses günstige Finanzierungsumfeld ermöglichte Spekulanten wie Peter Krüger[6] den Einstieg in den Immobilienmarkt.

Abbildung 2: Zinsprognose für den Zeitraum von 1975 bis 2017 (Balmer et Al., 2018)

Mithilfe eines Regressionsmodels, welches auf dem Zeitraum 1997 bis Mitte 2011 basiert, konnten wir aufzeigen, dass die Zinsen sowohl in den 70er Jahren als auch in den 80er Jahren zu tief waren. Anhand dieser Schätzung und der Erkenntnis, dass Zinsen einen signifikanten Einfluss auf die Immobilienpreise in den 80er Jahren hatten, kamen wir zum Schluss, dass die expansive Geldpolitik der SNB der 70er und 80er Jahre wohl den Grundstein gelegt hat für die grösste Spekulationsblase in der Schweizerischen Wirtschaftsgeschichte. Eine weitere Erkenntnis der Arbeit ist zudem, dass die Krisenpolitik der SNB in den 90er Jahren zu konservativ war und die Zinsen dadurch zu hoch blieben, was die Krise wohl verschärfte und in die Länge zog.


[1] https://www.fuw.ch/article/die-schweizer-immobilienblase-der-neunzigerjahre/

[2] Seminarpaper: Schweizer Immobilienblase – Ein Kredit Boom geht schief

[3] Vertikale Linien: gestrichelte Linie = Börsecrash 87, erste schwarze Linie = Höhepunkt Index Einfamilienhäuser, zweite schwarze Linie = Höhepunkte des letzten Index (Mietwohnungen)

[4] Abbildung 3: Preise für Wohnbauland kantonale Entwicklung seit 1974 (https://statistik.zh.ch/internet/justiz_inneres/statistik/de/aktuell/mitteilungen/2018/boden_webtool.html)

[5] https://www.nzz.ch/wirtschaft/wie-die-negativzinsen-in-den-siebziger-jahren-verpufften-1.18504392

[6] Siehe https://www.fuw.ch/article/die-schweizer-immobilienblase-der-neunzigerjahre/


Vollgeld – Wer soll unser Geld herstellen?

«Im Tauschverkehr des Marktes nimmt das Geld seine Stellung als allgemein gebräuchliches Tauschmittel ein.» (Mises, 1924, S. 2)

In einer Wirtschaftsordnung, welche auf Arbeitsteilung, Privateigentum und Markt basiert, spielt Geld eine zentrale Rolle. Trotz dieser zentralen Rolle wird die Frage nach der Ausgestaltung und der Kontrolle des Geldwesens selten diskutiert. Dafür gibt es viele verschiedene Gründe. Einerseits nimmt das Geldwesen selbst in ökonomischen Standardwerken – wie Economics von Mankiw & Taylor (2014) oder Mirkoökonomie von Stiglitz und Walsh (2010) – oft nur eine Nebenrolle ein. Anderseits ist das Geldwesen und dessen Ausgestaltung einiges komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Dies zeigt sich zum Beispiel schon daran, dass viele Menschen – insbesondere auch Politiker und viele Ökonomen – fälschlicherweise davon ausgehen, dass die Ausgestaltung und die Kontrolle des Geldwesens durch eine Zentralbank vollständig unter der Kontrolle des Staates seien. Dabei sind die heutigen Geldsysteme Mindestreserve-Systeme und funktionieren zweistufig. Fiat-Geld wird von einer Notenbank ausgegeben und Giralgeld wird von den Geschäftsbanken als Kreditgeld geschaffen, welches mit einer Reserve an Fiat-Geld hinterlegt ist. (Birchler & Rochet, 2017, S. 7). Während der Grossen Depression stand dieses System in der Kritik. Eine Gruppe von Ökonomen um Henry C. Simons von der Universität Chicago schlugen 1933 mit dem «Chicago Plan» ein Vollreserve-System vor (Minsch & Eugster, 2016, S. 7). Die Kritik am Mindestreserve-System wurde im Zuge der Finanzkrise wiederaufgenommen und basierend auf den Ideen von damals wurde das Konzept «Vollgeld» entwickelt und in der Schweiz die Volksinitiative «Vollgeld» eingereicht. Die Initiative stellt damit die grundsätzliche Frage, wer unser Geldwesen kontrollieren und welche Rolle der Staat dabei spielen soll. Eine Frage mit der sich auch schon Alfred-Nobel-Gedächtnispreisträger Milton Friedman und Anna Schwartz beschäftigten (Has Government Any Role in Money?, 1986).

Die vorliegende Arbeit diskutiert die ökonomischen Argumente, welche für und welche gegen Vollgeld sprechen. In einem ersten Schritt werden sowohl das Mindestreservesystem als auch das Vollgeld-System vorgestellt, zudem wird mit dem freien Währungswettbewerb, wie es Friedrich August von Hayek vorschwebte (The Denationalization of Money, 1976), eine Alternative vorgestellt, welche im Gegensatz zu Vollgeld steht und die Rolle des Staates im Geldwesen eliminieren will. In einem zweiten Schritt werden die ökonomischen Argumente, welche für ein Vollgeld-System sprechen aufgezeigt und erläutert. In einem dritten Schritt werden die ökonomischen Argumente, die gegen ein Vollgeld-System sprechen, aus drei verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Darauf folgt abschliessend ein Fazit, welches die diskutierten Argumente und deren Implikationen zusammenfasst.

Diskussionspapier: Vollgeld – Wer soll unser Geld herstellen


Notenbanker: Die Keynesianer des 21. Jahrhunderts – Die Verschmelzung von Monetarismus und Keynesianismus

Worin besteht dann der Unterschied? Einerseits im Umfang der eingesetzten Mittel, andererseits in den Motiven. Bei der monetaristischen Geldpolitik der 70er und 80er Jahre ging es darum, die Inflation über die Geldmenge zu steuern, die Geldmenge jedoch gleichzeitig auch im Gleichgewicht mit der Wirtschaftsentwicklung zu halten. Ersteres ist auch heute Teil der Motivation Quantitative Easing zu betreiben. Zweiteres ist jedoch bei weitem nicht der Fall. Doch Inflationssteuerung ist bei weitem nicht das einzige Motiv. Das zentrale Motiv, auch wenn dies ein Mario Draghi oder ein Ben Bernanke nie zugeben würden, ist die Ankurbelung der Wirtschaft durch die Notenpresse. Dies ist den Monetaristen um Milton Friedman ein sehr fernes Motiv, weil sie dessen Wirksamkeit in Abrede stellen.

Daher stellt sich die Frage woher diese Idee kommt. Die Idee hat ihre Wurzeln in der zweiten grossen ökonomischen Denkrichtung des 20. Jahrhunderts: dem Keynesianismus – begründet durch John Maynard Keynes. Es ist jedoch eine ganz neue Form der keynesianischen Politik. Anstatt die Konjunktur mit Hilfe einer Ausweitung der Staatsetats wie dies die Keynesianer in den 50er und 60er propagierten, wird diese nun mit Hilfe der Notenbank und deren Etat – der Geldmenge – gemacht. Dies hat wohl zwei Gründe: Zum einen sind staatliche Konjunkturprogramme in den meisten westlichen Staaten politisch nicht mehrheitsfähig und die Schuldenlast bereits zu gross. Zum anderen ist die keynesianische Politik der Nachfragestimulation durch den Staat in den 70er Jahren  – während der Öl-Krise – gescheitert. Anhänger der keynesianischen Politik führen ins Feld, dass diese Politik mehr als 20 Jahre funktioniert habe und nur aufgrund von politischem Druck gescheitert sei. Dies ist jedoch falsch. Der Keynesianismus hatte ein ökonomisches Problem: Die Stagflation. Etwas was man auch heute immer wieder hört. Die Inflationszahlen und das Wirtschaftswachstum sind seit der Krise im Keller. Vieles spricht also dafür, dass die westliche Welt – wie in den 70er Jahren – in einer stagflationsähnlichen Situation steckt. Nun soll uns also eine durch den Monetarismus modifizierte Version des Keynesianismus aus dieser Krise führen. Wenn man bedenkt, dass der Keynesianismus vor mehr als 40 Jahren genau an dieser Aufgabe scheiterte, erkennt man rasch, auf welchen Holzweg sich die Notenbanken begeben haben. Zu glauben die alte Politik, welche versagt hat, funktioniere nun, weil man die Instrumente zu deren Ausführung geändert hat, ist reichlich naiv.


Das unabsichtliche Urteil der EZB

Die Griechenlandkrise deckt eine verheerende Fehlkonstruktion des Euros auf. Dadurch, dass die EZB nicht in die politische Entscheidung eingreifen darf und die Notenbanken der Mitgliedsländer de facto keine direkten Instrumente mehr haben, verfügt die Eurozone für einzelne Länder nur über eine unzureichende “lender of last resort” Fähigkeit. Mit der Begrenzung der Hilfskredite für die Banken Ende Juni hat Sie ihre “lender of last resort” Position de facto aufgegeben und für die Zukunft unglaubwürdig gemacht. Dass die griechischen Banken mit dem Euro in Zukunft wieder normal – ohne Kapitalverkehrskontrollen – öffnen können, ist daher ausgeschlossen. Die EZB hat die Fähigkeit verloren in Griechenland einen Bankrun zu verhindern. Ohne eigene Währung wird das griechische Bankensystem und die griechische Wirtschaft nie mehr auf die Beine kommen. So hat die EZB über die Mitgliedschaft der Griechen im Euro bereits gerichtet ohne dass sie dies wollte. Wie sieht es in den anderen Staaten aus wenn es hart auf hart kommt? Jedenfalls zeigt sich wieder einmal eins: In der Eurozone spielt die Politik die zentrale Rolle und nicht die Ökonomie. Dies ist unglaublich gefährlich. Ohne Korrektur wird die Eurozone die nächste Krise wohl nicht überleben!


Der 1.20 CHF/€ Mindestkurs ist Geschichte – Wie weiter?

Vor gut zwei Wochen versetzte die Schweizer Nationalbank (SNB) das ganze Land in eine Art «Schockstarre», als sie den Euro Mindestkurs für viele überraschend aufhob. Ob der Entscheid der  Richtige war, soll heute nicht das Thema sein, denn er lässt sich nicht (mehr) ändern und ist und bleibt Sache der SNB. Die Kritik, die Hysterie und die Verunsicherung nahmen in Folge des Entscheids an vielen Orten überhand. Dies ist jedoch genau die Reaktion, welche unser Land und mit ihm die vielen hunderttausenden von fleissigen Mitbürgern nicht gebrauchen können. Jetzt heisst es kühlen Kopf zu bewahren, vorwärtszuschauen und die Herausforderung der geänderten Umstände anzunehmen. Ebenfalls falsch am Platz wäre jetzt übereifriger Tatendrang der Politik in Form von Konjunktur-  und andern «Rettungsprogrammen». Wie unzählige Krisen in der Vergangenheit gezeigt haben, sind nun die Schweizer Volkswirtschaft und deren Rückgrat die KMUs gefragt. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie auch diese «Krise» meistern werden, wenn ihr die Politik keine Knüppel zwischen die Beine wirft, sondern die Rahmenbedingungen – z.B. durch die Einführung eines Mehrwertsteuereinheitssatzes – weiter verbessert. Deshalb sind nun mehr denn je Politiker mit Wirtschaftskompetenz und Weitsicht gefragt.


Was der EuGH und die EZB mit dem Entscheid der SNB von gestern zu tun haben

Der Entscheid der SNB von gestern liegt uns allen noch auf dem Magen. Der Schock und die Überraschung waren und sind gross, auch bei mir. Ich hätte nicht gedacht, dass die SNB und Thomas Jordan so viel Rückgrat zeigen würden und gegen alle Wiederstände aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft das Unvermeidliche tun würden und den Mindestkurs aufgeben würden. Nach dem Entscheid des Europäischen Gerichtshofes der EZB zu erlauben Staatsanleihen von Euro-Ländern (Quantitative Easing) zu kaufen und dem bevorstehenden öffnen dieser Büchse der Pandora durch die EZB, blieb der Schweizer Nationalbank nichts mehr anderes übrig, als den Mindestkurs zu beerdigen. Denn dieser Kauf von Staatsanleihen durch die EZB kommt einer geldpolitischen Atomwaffe gleich und wird nur im allerletzten Notfall eingesetzt. Ob dies Mittel jedoch zum Erfolg führt, ist mehr als fraglich und darum ist der Ausstieg der SNB mehr als nachvollziehbar. Dass dieser Schritt für die Schweizer (Export-) Wirtschaft schmerzhafte Folgen haben könnte, ist ebenso klar. Im Endeffekt war es eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera. Eine Entscheidung welche nur eine unabhängige Institution – wie es die SNB ist – fällen konnte.


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