13. AHV-Rente: Nein zur Babyboomer-Initiative

Die Diskussion um die sogenannte 13. AHV-Rente, die auch treffend als “Babyboomer-Initiative” bezeichnet werden könnte, wirft wichtige Fragen zur langfristigen Finanzierung und Gerechtigkeit auf. Die Gewerkschaften drängen auf eine Ausweitung der AHV, trotz bereits bestehender Finanzierungsprobleme. Die von den Gewerkschaften vorgeschlagene Finanzierung durch eine Erhöhung der Lohnprozente für Arbeitnehmer und Arbeitgeber um jeweils 0,4% scheint auf den ersten Blick geringfügig, birgt jedoch erhebliche langfristige Folgen.

Ein 30-Jähriger mit einem mittleren Einkommen würde bis zu seinem Renteneintrittsalter von 65 Jahren rund 25’000 CHF mehr in die AHV einzahlen als ohne die Initiative. Berücksichtigt man die Zeitpräferenz durch einen Diskontsatz von 3% pro Jahr, belaufen sich die diskontierten Opportunitätskosten für einen 30-Jährigen bis zur Pensionierung auf über 20’000 Franken. Nach Einbezug der zusätzlichen 13. Rente verliert ein junger Arbeitnehmer durch die Initiative mehr als 25’000 Franken.

Im Gegenzug profitieren die Babyboomer erheblich: Ein durchschnittlicher 50-Jähriger würde durch die 13. AHV-Rente über 10’000 Franken mehr erhalten, als er durch die zusätzlichen Lohnprozente bezahlen müsste. Selbst nach Abzug der Opportunitätskosten bliebe ein Plus von etwa 5’000 Franken. Es ist daher klar, dass diese Initiative zu einer massiven Umverteilung von den Jungen zu den Rentnern und den Babyboomern führen würde.

Es ist wichtig anzuerkennen, dass diese Initiative erhebliche finanzielle Auswirkungen für verschiedene Altersgruppen hat. Während ältere Generationen davon profitieren würden, könnten junge Arbeitnehmer langfristig erhebliche Verluste erleiden. Eine ausgewogene und langfristig tragfähige Lösung für die Finanzierung der AHV ist daher von entscheidender Bedeutung, um eine faire Verteilung der Lasten sicherzustellen und die langfristige Stabilität des Systems zu gewährleisten. Eine solche Lösung bietet unsere Renteninitiative, welche das Rentenalter an die Lebenserwartung koppeln möchte.


AHV: Die 90 Prozent-Lüge

In den Diskussionen über die Altersvorsorge wird die AHV oft als eine Art Wundermittel dargestellt. Insbesondere die politische Linke tendiert dazu, die AHV zu verherrlichen und sie zu einer Art Volkspension auszubauen. Ein häufig zitiertes Argument ist dabei, dass über 90% der Bevölkerung mehr aus der AHV erhalten, als sie jemals eingezahlt haben. Doch hinter dieser verlockenden Aussage verbirgt sich eine komplexe Realität, die eine genauere Betrachtung erfordert und aufzeigt, dass dieses Argument grundfalsch ist.

Die scheinbare “90-Prozent-Regel” basiert auf einer simplen Rechnung, die jedoch mit ökonomischer Realität wenig zu tun hat. In dieser Rechnung werden aktuelle Lohnbeiträge gleichwertig behandelt wie zukünftige Rentenleistungen. Doch in der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre ist bekannt, dass gegenwärtige und zukünftige Geldbeträge unterschiedlich zu bewerten sind. Dies liegt an der menschlichen Zeitpräferenz, die besagt, dass ein sofortiger Nutzen oft höher bewertet, wird als ein zukünftiger. Um diesem Umstand gerecht zu werden, werden zukünftige Geldbeträge üblicherweise diskontiert.

Selbst in Anbetracht der aktuellen Zinssätze, von denen wir ausgehen können und welche immer noch ziemlich tief sind, relativiert sich die vermeintliche Grosszügigkeit der AHV schnell. Ein Beispiel verdeutlicht dies: Ein 30-Jähriger, der bis zum Rentenalter das Medianeinkommen erzielt, zahlt über sein Erwerbsleben hinweg betrachtet mehr in die AHV ein, als er später als Rente zurückbekommt – bei einem Diskontsatz von rund 3% beläuft sich das Minus auf über 8’000 Franken. Berücksichtigt man zudem die Opportunitätskosten, die sich aus entgangenen Renditen ergeben, belaufen sich diese auf beträchtliche Summen: Wenn wir annehmen, dass der 30-Jährige die AHV-Beiträge jeweils in den Swiss Performance Index investieren würde, so können wir nach Abzug von Steuern, Abgaben und Gebühren mit einer jährlichen entgangenen Rendite von rund 5% rechnen, so belaufen sie die Opportunitätskosten auf über 150’000 Franken.

Doch das ist noch nicht alles. Die Diskussion um die AHV vernachlässigt oft die Tatsache, dass der Bund die AHV jährlich mit mehr als 20% der Ausgaben subventioniert. Dies wirft weitere Fragen auf bezüglich der Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit dieses Systems. Es lässt sich jedoch eindeutig feststellen, dass die AHV kein Wunderwerk ist, welche über 90% besserstellt, sondern eine reine Umverteilungsmaschine von Jung zu Alt, welche nicht einmal den Mittelstand besserstellt.

Es ist wichtig, die Debatte um die AHV differenziert zu führen und die verschiedenen Aspekte kritisch zu beleuchten. Die aktuelle Diskussion vernachlässigt oft wichtige ökonomische Prinzipien und langfristige Auswirkungen. Eine Reform der Altersvorsorge muss daher sorgfältig durchdacht und auf fundierten ökonomischen Prinzipien basieren.

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Quellen:

Lebenserwartung: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bevoelkerung/geburten-todesfaelle/lebenserwartung.html

Renten: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/aktuell/neue-veroeffentlichungen.assetdetail.23771269.html

Medianlohn: https://www.bfs.admin.ch/asset/de/21224887

Sparquote: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/75617/umfrage/sparquote-der-privaten-haushalte-in-der-schweiz-seit-1996/#:~:text=Sparquote%20der%20privaten%20Haushalte%20in%20der%20Schweiz%20bis%202022&text=Die%20Sparquote%20beschreibt%20die%20Haushaltsersparnis,Schweiz%20bei%2023%2C8%20Prozent

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Annahmen:

Lohnprozente für die AHV:

  • 8.7%

Medianlohn:

  • Alter 30-39: CHF 6’763/Monat
  • Alter 40-49: CHF 7’685/Monat
  • Alter 50-65: CHF 7’958/Monat

AHV-Rente:

  • CHF 2’450/Monat

Rentenwachstum:

  • 0.48% pro Jahr

Mehrwertsteuer für die AHV:

  • ~1.3%

Sparquote:

  • ~24%

Lebenserwartung:

  • ~82 Jahre

13. AHV-Rente: Nach uns die Sintflut

Die Initiative für eine 13. AHV-Rente ist eine populistische Initiative der Gewerkschaften, welche keine Probleme löst und die AHV in den Bankrott treibt. Doch es ist nicht nur das. Es ist auch eine Zwängerei. Am 25. September 2016 lehnte das Schweizer Stimmvolk die Volksinitiative «AHVplus: für eine starke AHV» mit 59.4% der Stimmen ab. Inhaltlich ist diese Initiative mit der heutigen Initiative fast deckungsgleich. Damals wurde eine Erhöhung der Renten um 10% gefordert, nun wird eine 13. AHV-Rente (Renten +8.33%) gefordert. Und auch die Absender sind die Gleichen wie 2016. Es gilt wie 2016: Die Initiative kostet viel Geld – rund 5 Milliarden Franken pro Jahr – und weil das Geld an alle Rentner geht, löst es die Probleme der tiefen Renten nicht. Die Initiative wird die AHV an den Rand des Bankrotts treiben, denn wir wissen schon heute, dass die AHV auch ohne 13. AHV-Rente ein Finanzierungsproblem hat. Die Generation der Babyboomer und eine immer höhere Lebenserwartung belasten die Ausgaben der AHV schon heute massiv. In den nächsten Jahren wird die Zahl der Rentner in der Schweiz regelrecht explodieren und damit auch die Ausgaben der AHV. Wenn wir hier nun noch eine 13. AHV-Rente draufpacken, wird das System ohne massive Steuererhöhungen nicht weiter existieren können. Würde es den Initianten um die Sache und nicht um die Ideologie gehen, würden sie andere Wege beschreiten: Zum Beispiel eine Automatisierung und einen Ausbau der Ergänzungsleistungen, welche heute rund ähnlich viel kostet wie eine 13. AHV-Rente, jedoch mit jedem Franken ein x-faches mehr erreicht, weil es direkt bei den Betroffenen ankommt. Im Namen meiner und der Nachfolgenden Generationen bitte ich Sie: Sagen Sie Nein zu dieser «Nach uns die Sintflut»-Politik, sagen Sie Nein zur 13. AHV-Rente.


Not in my Backyard hält im Säuliamt Einzug

Replik auf den Leserbrief von Antia Rohrer vom 17.11.2023

In Ihrem Leserbrief verkündet Frau Rohrer voller Freude, dass die «IG Säuliamt ohne Windturbinen» gegründet wurde, um jegliche Windkraftanlage im Säuliamt zu verhindern. Nun hält also auch im Säuliamt das Phänomen NIMBY («nicht in meinem Hinterhof») Einzug: Man wünscht sich zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit grüne und kostengünstige Energie, aber wehe diese Energie soll vor der eigenen Haustüre produziert werden. Das geht dann natürlich gar nicht und muss am besten bis vor Bundesgericht bekämpft werden. Viel Ignoranz und Egoismus, wenig Weitsicht.

Dabei wäre es von zentraler Bedeutung, dass wir in Sachen Ausbau inländischer Stromproduktion endlich einen Schritt vorwärts machen. Seit dem Scheitern von Kaiseraugst 1988 lebt die Schweiz in Sachen Stromversorgung von der Substanz und dem Import von Atomstrom. Ein «Weiter so» ist der direkte Weg in eine Strommangellage. Im Verbund mit der Energiewende und der Bekämpfung des menschgemachten Klimawandels ist es daher unerlässlich, dass wir die Erneuerbaren Energien in den nächsten Jahren markant ausbauen.

Der grüne Regierungsrat Martin Neukom hat dies erkannt und nun eine Bestandsaufnahme in Auftrag gegeben. Das bereits eine solche Auslegeordnung von Windkraftgegnern derart bekämpft wird, ist unverständlich. Die meisten Standorte, welche nun untersucht werden, werden aus Gründen der Wirtschaftlichkeit oder anderen Faktoren wahrscheinlich gar nicht berücksichtigt. Des Weiteren haben Investoren von Windkraftanlagen realisiert, dass man solche Anlagen angewiesen unverbauten Orten nicht realisieren sollte. Im Gegenzug werden vermehrt verbaute Industriezonen als mögliche Standorte in Betracht gezogen, was die Beeinträchtigungen für Mensch und Umwelt merklich senken wird.

Anstatt nun auf Barrikaden zu gehen, sollte man zunächst die kantonale Bestandsaufnahme abwarten und dann basierend auf dieser sorgfältig die Standorte für Windkraftanlagen auswählen. Darüber hinaus sollte auch die Möglichkeit des Baus neuer Kernkraftwerke in Betracht gezogen werden.


Linke Rezepte für (un-)bezahlbare Mieten

Die Kolumne von Kantonsrat Daniel Sommer vom 3. Oktober spricht wichtige Fragen im Zusammenhang mit bezahlbarem Wohnraum an, aber ich möchte einige seiner Argumente und Vorschläge kritisch hinterfragen.

Mietzinsobergrenzen: Herr Sommer schlägt vor, Mietzinsobergrenzen zu setzen, um die Preise für Mietwohnungen zu begrenzen. Dieser Ansatz kann zwar kurzfristig zu niedrigeren Mieten führen, hat jedoch langfristige negative Auswirkungen. Wenn Vermieter nicht die Möglichkeit haben, Mieten nach den tatsächlichen Kosten und Marktanforderungen anzupassen, verlieren sie den Anreiz, in die Instandhaltung und den Bau neuer Wohnungen zu investieren. Dies führt letztendlich zu einem Mangel an verfügbarem Wohnraum und schlechterer Wohnqualität.

Direktbeiträge für energetische Sanierungen: Die Idee, direkte finanzielle Unterstützung für energetische Sanierungen anzubieten, ist zwar gut gemeint, ist aber ineffizient. Direktbeiträge haben Mitnahmeeffekte zur Folge und haben daher ein schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis. Abgesehen davon haben wir Direktbeiträge mit dem Klimaschutzgesetz bereits beschlossen. Ein weiterer Ausbau ist weder sinnvoll noch notwendig.

Regulierung der Vermieter: Herr Sommer betont die Notwendigkeit, Vermieter stärker zu regulieren, um überhöhte Renditen zu verhindern. Dies würde wohl dazu führen, dass private Vermieter ihre Immobilieninvestitionen reduzieren oder ganz aufgeben. Eine solche Massnahme würde den Wohnungsmarkt weiter belasten und zu einem geringeren Angebot führen, was die Preise erstrecht weiter in die Höhe treiben würde.

Insgesamt ist es wichtig zu beachten, dass die Förderung von bezahlbarem Wohnraum ein komplexes und vielschichtiges Problem ist, das keine einfachen Lösungen bietet. Eine ausgewogene Herangehensweise, die den Grundsätzen der Marktwirtschaft folgt und gleichzeitig die Bedürfnisse aller beteiligten berücksichtigt, ist der beste Weg, um langfristig bezahlbaren Wohnraum sicherzustellen. Die Marktwirtschaft in Frage zu stellen, wie dies Daniel Sommer tut ist hingegen sicher der falsche Weg. Das zeigen im Besonderen das Beispiel Berlin, aber auch die Stadt Zürich, welche nach 30 Jahren linker Wohnbaupolitik unter Wohnungsnot und einer Wohnungspreisexplosion leidet.


Die Schweizer Energiepolitik benötigt dringend einen Plan B

Der jüngste Kompromiss beim Energie-Mantelerlass verdeutlicht erneut, dass die Entscheidungsträger in Bundesbern die drängenden Herausforderungen der Zeit noch nicht ausreichend erkannt haben. Die Energiestrategie, welche die Grundlage für den Mantelerlass bildet, ist im Grunde eine Stromspar-, Gas- und Importstrategie. Diese Annahmen haben sich als grundlegend falsch erwiesen. Die Defossilisierung unserer Gesellschaft wird voraussichtlich zu einem erheblichen Anstieg des Stromverbrauchs führen, da insbesondere Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen einen erheblichen Strombedarf haben werden. Experten gehen heute von einem Bedarf von mindestens 90 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2050 aus. Im Moment produziert die Schweiz nur etwa 60 TWh pro Jahr. Davon entfällt ein Drittel auf die vier Kernkraftwerke, die in den nächsten Jahrzehnten ersetzt werden müssen. Bis 2050 fehlen uns also mindestens 50 TWh. Der Mantelerlass setzt zwar ehrgeizige Ziele, wird jedoch kaum ausreichen, um diese Lücke zu schliessen. In der Folge müsste man auf Gaskraftwerke und verstärkte Winterimporte zurückzugreifen. Allerdings sind Stromimporte und die Gasversorgung, wie wir spätestens seit dem Ukrainekrieg wissen, alles andere als sicher. Dies ganz zu schweigen von den CO2-Emissionen und den Widersprüchen zum Pariser Klimaabkommen.

Auch wenn der Mantelerlass besser ist als nichts, ist er dennoch unzureichend. Was jetzt dringend erforderlich ist, ist eine umfassende Überarbeitung der Energiestrategie 2050. Das Verbot für den Bau neuer Kernkraftwerke sollte aufgehoben werden, damit parallel zum Ausbau der erneuerbaren Energien – als Plan B – die Planung von neuen Kernkraftwerken an die Hand genommen werden kann.

Diese Überlegungen sind von entscheidender Bedeutung, um die Energieversorgung der Schweiz langfristig zu sichern und gleichzeitig die CO2-Emissionen zu reduzieren.


Der Mythos der grünen Fernwärme in der Schweiz

In vielen Schweizer Städten wie Luzern, Basel und Zürich spielt Fernwärme eine zentrale Rolle in den Bemühungen, die Städte CO2-neutral zu gestalten. Doch wie nachhaltig ist Fernwärme wirklich? Diese Frage wird oft vermieden oder verschleiert, um Fernwärme grüner erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich ist. Die beiden wichtigsten grünen Wärmequellen, laut dem Bundesamt für Energie und dem Verband Thermische Netze Schweiz, sind die Abwärme aus Kehrichtverbrennungsanlagen und die Verbrennung von Holz.

Die Statistiken des Bundesamts für Energie, die die knapp 60 grössten Heiz- und Heizkraftwerke berücksichtigen, zeigen für das Jahr 2022, dass etwa 30% der Wärmeenergie aus Kehrichtverbrennungsanlagen stammten. Weitere 12% kamen aus Holzverbrennung und 6% aus der Abwärme von Kernkraftwerken. Ganze 52% wurden aus nicht erneuerbaren Quellen wie Erdgas oder Heizöl gewonnen – das Bundesamt weist diese Zahl wohl bewusst nicht aus, man muss sie selbst aus verschiedenen Tabellen des Bundesamts berechnen. Die Zahlen des Verbands Thermische Netze Schweiz für das Jahr 2021 umfassen etwa 1.130 bestehende Wärmeverbünde. Dadurch sinkt der Anteil von Erdgas und Heizöl auf 27,5%. Im Gegenzug steigen der Holzanteil auf 26,1% und der Anteil der Kehrichtverbrennung auf 36,2%. Andere erneuerbare Quellen machen 6,8% aus, während Kernenergie 3,6% beisteuert. Bei der ERZ-Fernwärme in Zürich kommen 53% der Wärme von der KVA. Holz macht deren 16% aus und die fossilen Energien tragen 31% zur Wärmeerzeugung bei.

Doch wie “grün” sind die Abwärme aus Kehrichtverbrennungsanlagen und die Holzverbrennung wirklich?

Die Abwärme aus Kehrichtverbrennungsanlagen wird vom Bundesamt für Energie als erneuerbar und somit als umweltfreundlich und CO2-neutral eingestuft. Dies steht im Kontrast zur allgemeinen Erkenntnis, dass Kehrichtverbrennungsanlagen keineswegs umweltfreundlich sind und keinesfalls als CO2-neutral gelten können. Es mag zwar stimmen, dass die Abwärme als Nebenprodukt bei der Kehrichtverbrennung anfällt, doch bedeutet das nicht zwangsläufig, dass diese Wärmequelle erneuerbar ist.

Die Nutzung von Holz als Wärmequelle wird ebenfalls als umweltfreundlich dargestellt. Dabei wird jedoch gerne verschwiegen, dass bei der Holzverbrennung pro KWh deutlich mehr CO2 freigesetzt wird, als es bei der Verwendung von Heizöl der Fall wäre. Die Annahme, dass Holzverbrennung CO2-neutral ist, erweist sich als unzutreffend. Ein Baum benötigt Jahrzehnte, um das bei der Verbrennung freigesetzte CO2 zu binden. «Die Verbrennung von Holz ist keinesfalls CO2-neutral, auch wenn es im Baumarkt-Prospekt anders steht», erklärt Jörg Kachelmann.

Zusammenfassung:

Fernwärme mag auf den ersten Blick attraktiv erscheinen, doch Verbraucher sind oft unzureichend darüber informiert, aus welchen Energiequellen die Wärme tatsächlich gewonnen wird. Die Tatsache, dass fossile Brennstoffe immer noch einen erheblichen Anteil an der Fernwärmeversorgung haben, ist vielen nicht bewusst. Geschweige denn ist den Kunden bewusst, dass die erneuerbaren Anteile der Fernwärme zu grossen Teilen eher grau sind…

Quellen:

https://magazin.nzz.ch/nzz-am-sonntag/schweiz/staatliches-greenwashing-so-dreckig-ist-fernwaerme-wirklich-ld.1708645

https://www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/versorgung/statistik-und-geodaten/energiestatistiken/gesamtenergiestatistik.exturl.html/aHR0cHM6Ly9wdWJkYi5iZmUuYWRtaW4uY2gvZGUvcHVibGljYX/Rpb24vZG93bmxvYWQvMTE0NTQ=.html

https://www.thermische-netze.ch/fileadmin/user_upload/020_TNS_Jahresbericht_2022_d.pdf

https://www.nebelspalter.ch/der-schwindel-mit-der-holzverbrennung-teil-1

https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20164042


Für eine nachhaltige, effiziente und realistische Energie- und Umweltpolitik

Markt für Treibhausgase: Emissionshandel, CO2-Rückgewinnung und CO2-Speicherung

Ökonomen sind sich einig, dass die Bepreisung von CO2 der effizienteste Weg zu Erreichung des Klimaziels – Netto null 2050. Dies lässt sich auf zwei Arten erreichen: Emissionshandel oder CO2-Steuer. Aus liberaler und ökonomischer Sicht ist der Emissionshandel der CO2-Steuer vorzuziehen, da dieser die zureichende Emissionsmenge direkt festschreibt. «(M)arktbasierte Instrumente staatlicher Ordnungspolitik können besser als Ge- und Verbote oder Subventionen tatsächlich CO2-Emissionen reduzieren und sind zudem kostengünstiger. Allerdings ist die wirksame und kostengünstige CO2-Reduktion eine globale Herausforderung, die ein möglichst internationales Vorgehen erfordert.» –Centrum für Europäische Politik. Ein umfassender Emissionshandel führt nicht nur zu einer effizienten Erreichung der Klimaziele, sondern im Gegensatz zum vorliegenden CO2-Gesetz auch zu einer Gleichbehandlung der Technologien und verschiedener Wirtschaftsbranchen. Zudem sollen Akteure, welche CO2 rückgewinnen oder speichern Zertifikate emittieren können. Um eine Sozialverträglichkeit des Emissionshandelssystem zu gewährleisten, kann der Staat eine Art Grundbedarf «kostenlos» an die Bürger verteilen. 

Fahrplan für eine CO2-Bepreisung in der Schweiz und Europa

  • So schnell wie möglich sollte die Schweiz ihr Emissonshandelssystem vollständig in das europäische Emissonshandelssystem EU-ETS integrieren.
  • Kurzfristig (bis 2025) sollte die Schweiz sofort mit den Vorbereitungen für die Einführung eines nationalen geschlossenen Emissionshandels für den Verkehrs- und Gebäudesektor beginnen. Übergangslösung sind eine CO2-Steuer oder ein befristeter „Fixpreis-Emissionshandel“.
  • Kurz- bis mittelfristig (2025 bis 2030) sollte die Schweiz zumindest als Übergangslösung eine zwischenstaatliche Abstimmung seiner CO2-Bepreisung für den Verkehrs- und Gebäudesektor mit möglichst vielen anderen europäischen Staaten anstreben („Koalition der Willigen“).
  • Mittelfristig (spätestens 2030) sollte europaweiter Emissionshandel für den Verkehrs- und Gebäudesektor geschaffen werden, um die CO2-Reduktionsziele in den Nicht-EU-ETS-Sektoren effektiv und effizient zu erreichen.
  • Langfristig (ab 2030) sollte es das Ziel ein, ein europaweites offenes Emissionshandelssystem zu schaffen, das alle Wirtschaftssektoren umfasst und auch Staaten ausserhalb von Europa sollen in das System aufgenommen werden.

Siehe cepStudie «Wirksame CO2-Bepreisung – Jetzt die Weichen richtig stellen!»

Klimafreundliche Mobilität: Emissionshandel und Mobility-Pricing

Die letzten 10 Jahre haben gezeigt, dass mit Erhöhungen der Mineralölsteuer sowie mehreren Senkungen des neu eingeführten CO2-Grenzwertes für Neuwagen keine grosse Reduktion des CO2-Ausstosses im Bereich der Mobilität erreicht werden kann. Es ist leider davon auszugehen, dass die Erhöhung der Mineralölsteuer wie sie das CO2-Gesetz vorsieht ebenfalls fast wirkungslos sein wird bzgl. CO2-Ausstoss. Es ist deshalb Zeit für einen radikalen Kurswechsel. Die Mineralölsteuer sollte im Einklang mit dem von uns vorgeschlagenen «Fahrplan für eine CO2-Bepreisung in der Schweiz und Europa» durch ein Emissionshandelssystem zur Internalisierung der externen Kosten sowie ein Mobility-Pricing-System zur Finanzierung der Mobilitätsinfrastruktur ersetzt werden. Durch die Einführung eines Emissionshandelssystems werden die CO2-Grenzwerte für Neuwagen ebenfalls überflüssig und sollten abgeschafft werden. Des Weiteren sollen bei der Motorfahrzeugsteuer weiterhin umweltfreundliche Antriebe mit einem Steuerabzug gefördert werden.

CO2-neutrale Stromproduktion: Wasserkraft, Erneuerbare und Kernkraft

Energie in Form des elektrischen Stroms, ist für uns besonders vorteilhaft. Elektrizität lässt sich hervorragend übertragen, umwandeln und somit vielseitig einsetzen. Besonders für unsere heutige Gesellschaft ist eine stabile und leistungsfähige Stromversorgung essenziell. Würde das Stromnetz grossräumig für längere Zeit ausfallen, wären die Folgen katastrophal. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz schätzt einen Blackout (Strommangellage) als das grösste Risiko für die Schweiz ein. Mit zunehmender Elektrifizierung im Rahmen der Bestrebungen (Mobilität, Heizung, Transport) auf CO2 arme Energieträger umzustellen, ist ein Ausbau der Stromversorgung unumgänglich. Konkrete Beispiel sind der hochskalierte Betrieb von Wärmepumpen für die Heizung, das Laden der Batterien von E-Autos oder Produktion synthetischer Treibstoffe. Es muss also sichergestellt sein, dass zuverlässig und stabil jederzeit hohe elektrische Leistung zur Verfügung steht. Und an diesem Punkt kommt praktisch unumgänglich die Kernenergie ins Spiel, wenn man sich nicht in eine ungesunde Abhängigkeit von Importstrom begeben will. Die Kernenergie erweist sich schon heute als perfekte Ergänzung zur Schweizer Wasserkraft indem sie konstant gigantische elektrische Leistungen liefert. Diese Rolle wird mit der Zunahme erneuerbaren Energien, welche relative unbeständig Strom liefern, und den zunehmenden Schwankungen beim Wasserhaushalt der Schweiz, welche sich auch auf die Wasserkraft auswirken wird, in der Zukunft noch zunehmen. Neben dem Bau neuer Kernkraftwerke, welche im Übrigen auch vom Weltklimarat IPCC gefordert werden, fordern wir zudem dass die bürokratischen Hürden für den Bau von Wasserkraftwerken sowie den Bau und die Installation von erneuerbaren Energien wie Solarenergie oder Windkraft massiv abgebaut haben.

Landwirtschaft: Anreize, Agrarpolitik 2022+ und Anreize für CO2-neutrale Technologie

Es ist sinnvoll, staatliche Gelder für die Landwirtschaft an Bedingungen zu knüpfen und wegzukommen vom Giesskannenprinzip. Es soll weiterhin jedem Bauern offen stehen, eine Landwirtschaft zu praktizieren, wie er es für richtig hält. Nur soll er, wenn sie umweltschädlich ist, weniger staatliche Gelder dafür bekommen. Das Ziel einer liberalen Umweltpolitik muss es auch sein, staatliche Gelder mit Ökologie zu verknüpfen. Die Agrarpolitik 2022+ muss staatliche Gelder mit Umweltzielen verknüpfen. Wenn wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens einhalten wollen, müssen wir aufhören, mit Steuergeldern negative Effekte, die schädlich für die Umwelt sind, zu finanzieren. Es kann nicht sein, dass ganze Bereiche der Wirtschaft nur überleben, da sie für die Verunreinigung unserer Lebensgrundlagen Geld bekommen. Die Landwirtschaft muss mehr nach der Nachfrage ausgerichtet werden. Strukturschwache Bereiche, die ohne Subventionen nicht überleben könnten, sollen dies spüren. Subventionen müssen an Gegenleistungen verknüpft werden. Ebenfalls unterstütze ich steuerliche Anreize, welche CO2-neutrale Technologien in der Landwirtschaft fördern.

Flugverkehr: CORSIA und Einbindung in den europäischen Emissionshandel

Während der Flugticketabgabe juristisch gesehen die notwendige verfassungsrechtliche Grundlage fehlt, ist sie auch in praktischer Hinsicht untauglich. In den meisten Ländern konnte kein Effekt nachgewiesen werden, gewisse Länder haben die Flugticketabgabe deshalb auch wieder abgeschafft. In der kleinräumigen Schweiz wäre zudem eine Verlagerung von Flugverkehr auf die grenznahen Flughäfen der Nachbarländer oder im Fall des binationalen Euroairports Basel gar innerhalb des selben Flughafens (!) in den französischen Sektor.

Die Fortführung und der Ausbau des mit dem CORSIA-Emissionsreduktionssystem bereits eingeschlagenen internationalen Ansatzes muss angestrebt werden. Unter anderem sieht das ambitionierte Abkommen vor, dass die Luftfahrt-Emissionen ab 2020 nicht mehr wachsen dürfen. Weiter fordere ich die steuerliche Gleichbehandlung von Kerosin und anderen Treibstoffen bzw. Antriebstechnologien, was eine Änderung des Chicagoer Luftfahrtabkommens bedingt, welches aktuell die Kerosinbesteuerung verbietet. Und schliesslich mache ich mich stark für eine vollständige Einbindung des Luftverkehrs in den europäischen Emissionshandel. Des Weiteren sollen steuerliche Anreize für die Beimischung synthetischem und biogenem Kerosin geschaffen werden.

Gebäudetechnik: Integration in den Emissionshandel, steuerliche Anreize und keine Technologieverbote

Eine Lösung die für alle passt? Weit gefehlt! Bereits heute werden in Neubauten und bei energetischen Sanierungen auf erneuerbare Lösungen gesetzt. Dieser Fortschritt ist begrüssenswert. Dennoch gibt es Gebäude und Situationen, in welcher ein bewährter Energieträger wie Öl oder Gas sinnvoll und sogar effizienter ist. Der Trend ist gesetzt und jetzt mit übertriebenen Massnahmen unter anderem den finanziell Schwächsten noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen ist asozial. Nicht jede Mieterin und jeder Mieter können sich eine Wohnung in einem Neubau oder sanierten Altbau leisten. Das Argument mit der Rückverteilung via Krankenkassenprämie hinkt stark – so bezahlen genau diese Menschen überproportional viel ein. Richtig pervers wird es dann, wenn mit diesen Geldern noch die energetische Sanierung von Einfamilienhäuser an guter Lage stark subventioniert werden. Die CO2-Abgaben werden an die Mieterinnen und Mieter direkt über die Nebenkosten weitergegeben und die Hauseigentümerschaft hat somit keinen Anreiz, die Heizung vor Ablauf der Lebensdauer zu ersetzen. Auch Menschen in Einfamilienhäuser haben nicht immer die Mittel, um eine energetische Sanierung zu finanzieren und in einigen Häusern ist dies aufgrund der Gegebenheiten schlichtweg unmöglich. Ein fairer Emissionshandel und steuerliche Anreize für energetische Sanierungen führen zum Ziel. Die Richtung stimmt bereits heute und selbst die Öl- und Gasversorger arbeiten an nachhaltigen Lösungen. In einem ersten Schritt sind das Biogas sowie Bioheizöl und in einem zweiten Schritt werden es synthetisch hergestellte Produkte sein.

CO2-Reduktion Inland vs Ausland: Kein Inlandziel, Entwicklungszusammenarbeit nutzen

Ein Inlandziel für die Reduktion der CO2-Emissionen, wie es das neue CO2-Gesetz vorsieht, ist teuer, ineffizient und kurzsichtig. Mit dem gleichen Franken könnte ausserhalb der Schweiz eine x-fache Reduktion an Emissionen erreicht werden. Ein Inlandziel ist deshalb aus ökonomischen wie aus ökologischen Gründen abzulehnen. Die Emissionen sollen dort eingespart werden, wo das Kosten-Nutzen-Verhältnis am besten ist. Dafür sorgt ein nationen-übergreifender Emissionshandel wie der EU-ETS. Zusätzlich schlagen wir vor, dass die Schweiz ihre Entwicklungszusammenarbeit vermehrt nach umwelt- und klimapolitischen Aspekten ausrichtet. So könnte die Schweiz zum Beispiel Entwicklungsländer mit Geld zum Kohle-Ausstieg motivieren. Denn «(m)itte 2019 waren rings um die Welt (insbesondere in Entwicklungsländern) Kohlekraftwerke mit einer Gesamtkapazität von etwa 236 Gigawatt im Bau.» (Bill Gates, 2021).

Finanzplatz: Reduzierung der globalen Emissionen mit einem internationalen Treibhausgas-Bilanzierungsstandard

Investitionen von Banken und anderen Finanzmarkt-Akteuren haben einen grossen Einfluss auf den Ausstoss von Treibhausgasen. Aber nachhaltiges Investieren ist nach wie vor schwierig, da es an vergleichbaren internationalen Standards mangelt. Die bestehenden privaten und staatlichen Nachhaltigkeits-Reportings sind für Investoren von begrenztem Nutzen, da sie oft nicht länder- oder sektorübergreifend funktionieren, und wenig quantitative, vergleichbare Daten liefern. Wir schlagen deshalb vor, dass die Schweiz als wichtiger Finanzplatz einen internationalen Standard für Nachhaltigkeits-Reportings und Greenhouse Gas (GHG) accounting anstrebt. Mögliche Ansätze liefert die IFRS Foundation, also die Organisation hinter den internationalen Finanzbuchhaltungsstandards, oder das foraus Paper von Fabio Keller, welches konkrete Vorschläge macht, wie sich die Schweiz engagieren könnte.
Siehe Foraus Papier Counting Emissions along with Dollars. Reducing global emissions with an international GHG accounting standard und IFRS Foundation Trustees announce working group to accelerate convergence in global sustainability reporting standards focused on enterprise value


Die Finanzmarktregulierung ist gescheitert

Die Credit Suisse-Krise hat uns einmal mehr bewusst gemacht, dass das Bankenwesen inhärent
instabil ist. Seit Jahrzehnten bekämpft man diese Instabilität mit neuer Regulierung und scheitert Mal
für Mal.

Die moderne Finanzmarktregulierung fusst in den meisten westlichen Staaten auf den Erfahrungen
der 1930er Jahre. Das erste Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen wurde 1934 erlassen. Bis
zur Gründung des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht 1974 – gegründet als Reaktion auf den
Konkurs der deutschen Herstatt-Bank – war die Regulierung der Finanzmärkte eine rein nationale
Angelegenheit. Seit nun fast 50 Jahren versucht der Basler Ausschuss mit neuen Regulierungen der
Instabilität des Bankenwesens her zu werden. 1975 wurde der erste Report erlassen. 1988 wurde mit
Basel I das erste umfassende internationale Regelwerk implementiert. Basel II folgte 2004 und Basel
III 2010. Allein in den Jahren 2005, 2006 und 2010 wurden vom Basler Ausschuss jeweils 500 Seiten
und mehr veröffentlicht. Heute besteht allein das Basler Regelwerk aus Tausenden von Seiten. Doch
diese Regeln haben unser Finanzsystem nicht sicherer gemacht. Bankkrisen gehörten in den letzten
40 Jahren schon fast zum Alltag. Allein in der Schweiz mussten in den letzten 30 Jahren drei
Grossbanken vor dem Untergang gerettet werden: 1993 wurde die Schweizerische Volksbank von der
heutigen Credit Suisse durch eine Übernahme gerettet, 2008 die UBS vom Staat und nun die Credit
Suisse. Spätestens heute muss man festhalten: Die staatliche Regulierung des Finanzmarktes ist
grandios gescheitert.


Höhere Risiken und tiefere Eigenkapitalquoten
Wie die Zahlen der Schweizerischen Nationalbank zeigen, sind die Eigenkapitalquoten der Schweizer
Banken im Laufe des 20. Jahrhunderts deutlich zurückgegangen. «Ende des 19. Jahrhunderts wiesen
die beiden damaligen Grossbanken Schweizerische Kreditanstalt und Schweizerischer Bankverein
Eigenkapitalquoten von über 30 Prozent aus» (Amrein, 2016). Nach dem Zweiten Weltkrieg lag
dieser Wert noch bei rund zehn Prozent und bis zum Ende des 20. Jahrhunderts halbierte sich dieser
Wert noch einmal auf vier bis fünf Prozent– zeitweise erreichten die Schweizer Grossbanken eine
Eigenkapitalquote von gerade mal drei Prozent. «Berücksichtigt man die in früheren Jahren noch
höheren stillen Reserven, war dieser Rückgang sogar noch stärker.» (Amrein, 2016). Dasselbe Bild
zeigt sich, wenn man die risikogewichteten Aktiven – ein Ansatz, welcher mit Basel I eingeführt
wurde – betrachtet: «Das Eigenkapital hat auch im Verhältnis zu den Risiken markant abgenommen.»
(Amrein, 2016).


Mehr Eigenkapital, weniger Regulierung
Es liegt der Schluss nahe, dass der Abbau der stillen Reserven und der Rückgang des gewichteten
Eigenkapitals stark mit der Entwicklung der Regulierung wie Basel I zusammenhängt und deren
Rückgang auf das heutige Niveau erst ermöglichte. Die umfassenden Regulierungen und das daraus
abgeleitete Risikocontrolling wogen Banken sowie die Bankenaufsicht und Nationalbanken in
Sicherheit. Spätestens 2008 wurde dies aber als Illusion entlarvt. Die Finanzgeschichte der letzten
200 Jahre zeigt eindrücklich, dass es einen hohen Zusammenhang zwischen der Höhe der
Eigenkapitalquote der Banken und der Anzahl Bankkrisen gibt. Mehr Eigenkapital für Banken
bedeutet daher auch weniger Bankenkrisen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass viele Ökonomen
und Wirtschaftshistoriker höhere Eigenkapitalquoten fordern. Mindestens 20 Prozent scheinen mir
aus historischer sowie ökonomischer Perspektive gesehen, der richtige Ansatz zu sein. Im Gegenzug sollte man die nutzlosen Regulierungen der letzten 50 Jahre abschaffen, um die
Wettbewerbsfähigkeit unserer Banken zu erhalten. Idealerweise würde man sogar gänzlich auf
weitere Regulierungen verzichten.

Erschienen in den Schaffhauser Nachrichten am 30. März 2023.


Die Corona-Krise offenbart Lücken im liberalen Rechtsstaat

Was wir in den letzten drei Monaten erlebt haben, hätten die meisten von uns Anfang des Jahres für unmöglich gehalten. In vielen Staaten wurden aufgrund der Corona-Krise Grundrechte systematisch ausgesetzt. Dass autoritäre Regierungen und Staaten wie China, Russland oder Ungarn mit solchen Massnahmen auf eine Bedrohung reagieren, erstaunt nicht. Doch auch im liberalen Westen folgte man in gewisser Weise dem Weg Chinas. Dies ist nicht per se falsch, denn es gibt durchaus Krisen, in denen dies notwendig sein kann. Ob die Corona-Krise eine solche ist, bleibt fraglich. Erschreckend ist jedoch, mit welcher Selbstverständlichkeit die Grundrechte von Millionen von Menschen ausser Kraft gesetzt wurden und die Gewaltentrennung zeitweise aufgehoben wurde. Selbst liberale Kräfte stellten sich hinter die Anordnungen der Regierung, ohne diese kritisch in Frage zu stellen. Dabei sind es doch die Gewaltentrennung und der liberale Verfassungsstaat, welche unsere Grundrechte garantieren.

Doch in der Krise scheinen sie Makulatur geworden zu sein. Und dabei liefern die liberale Verfassung und darauf aufbauende Gesetze auch noch die Grundlage. So auch in der Schweiz. Notrecht nach Art. 185 der Bundesverfassung und das Epidemiengesetz statten den Bundesrat mit einer unglaublichen Machfülle aus. Dies ist im Grunde genommen noch kein Problem, da es – wie gesagt – durchaus Situationen gibt, in denen dies notwendig sein kann. Was hingegen bis heute fehlt, ist eine klare Regelung, wann der Bundesrat Notrecht oder zum Beispiel eine ausserordentliche Lage nach dem Epidemiengesetz verordnen darf. Genauso fehlen in der Schweiz klare Grenzen und Kontrollen für die Massnahmen und Verordnungen, welche der Bundesrat gestützt auf Notrecht oder das Epidemiengesetz erlässt. Parlament und Bundesgericht können de facto nur tatenlos zusehen und müssen wie die Bürger darauf vertrauen, dass der Bundesrat massvoll mit diesen Kompetenzen umgeht. Inwiefern dies in der jetzigen Krise der Fall ist, darüber lässt sich natürlich streiten. Glücklicherweise zeichnet sich jedoch ab, dass der Bundesrat anders als nach dem Zweiten Weltkrieg schnell wieder den Ausstieg aus dem Sonderregime findet und das Volk dieses Mal nicht gezwungen sein wird, per Volksabstimmung den Normalzustand wiederherzustellen.

Doch auch wenn sich nun abzeichnet, dass wir schnell den Weg zurück zur rechtlichen Normalität finden, stellt sich für liberale Kräfte die Frage, wie man dem Bundesrat auch in einer aussergewöhnlichen Lage gewisse Grenzen setzt und ausreichende Kontrollmechanismen sicherstellt, welche einem liberalen Rechtsstaat würdig sind. Dank der technologischen Fortschritte, welche auch eine digitale Parlamentsdebatte ermöglichen, scheint ein möglicher Weg zu sein, dass sowohl die Anwendung von Notrecht als auch die Ausrufung einer ausserordentlichen Lage nach dem Epidemiengesetz nur in Absprache mit dem Parlament bzw. durch einen Bundesbeschluss möglich ist.

Erschienen in der Hayek Feder vom Juni 2020.


Das Ende des bilateralen Weges

Das Nein zum EWR 1992 ist ein historischer Entscheid, der bis heute nachwirkt. Diese Abstimmung führte zu einer aussenpolitischen Kehrtwende. Von der Idee eines EU-Beitritts hat man sich zusehends verabschiedet. Um die wirtschaftlichen Nachteile einer Nichtmitgliedschaft im europäischen Binnenmarkt und der EU zu verhindern, wurde im Verlauf der 90er Jahre der bilaterale Weg entwickelt. Dies gelang auch deshalb, weil die Schweizer Diplomaten in Brüssel weiterhin behaupteten, dass der EU-Beitritt das Ziel bleibe.

Der bilaterale Weg gilt seither als ein Erfolgsgarant der Schweiz. Er ist zu einer heiligen Kuh geworden. Wer dazu nur schon kritische Fragen stellt, wird in die Ecke der Abschotter bzw. der SVP gestellt. Dabei ist die Bilanz der Bilateralen weit weniger glorreich, als man gemeinhin annehmen könnte. Die Schweiz erlebte zwar zu Beginn der Bilateralen in den Nuller-Jahren einen Boom mit relativ hohen Pro-Kopfwachstumszahlen. Ob dies in einem direkten Zusammenhang zu den Bilateralen steht ist jedoch fraglich. Die Schweiz profitierte in dieser Zeit in erster Linie von einem globalen Boom. Mit der Finanzkrise von 2008 ist dieser Wachstumsboom verschwunden und seither nicht zurückgekehrt. Das Pro-Kopf-Einkommen stagniert. Der Handel mit Europa hat an Dynamik verloren. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Bilateralen kaum zu höherem Wachstum geführt haben. Sie haben jedoch mit Sicherheit zur politischen und ökonomischen Stabilität beigetragen. Für die Politik beleibt verständlicherweise der bilaterale Weg trotz der durchzogenen Zahlen weiterhin der Königsweg.

Als die EU die Hoffnung auf einen EU-Beitritt der Schweiz begraben hatte, macht sie jedoch bereits 2012 klar, dass der bilaterale Weg zu Ende sei und eine Institutionalisierung der EU-Rechtsübernahme in Form eines Rahmenabkommens notwendig ist. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass man nun dieses vorliegende Rahmenabkommen in der Schweiz als Fortführung des bilateralen Weges bezeichnet, obwohl es aus Sicht der EU genau dies nicht ist. Der Inhalt des vorliegenden Abkommens scheint die Sicht der EU zu stützen. Das Rahmenabkommen hat primär keinen bilateralen, sondern einen unilateralen Inhalt.


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