Denkfehler Elektroauto – Warum der Verbrenner eine Zukunft hat

Publiziert auf publikum.net


Auf den ersten Blick scheint die Frage, welcher Antrieb sich bei PKWs und LKWs durchsetzen wird einfach. Der Elektromotor ist der effizienteste Motor der Welt[1]. FĂŒr sich allein betrachtet ist ein Elektrofahrzeug, egal ob mit Batterie oder Brennstoffzelle – auch bekannt als Wasserstoffauto, jedem Auto mit Verbrennungsmotor in Sachen Effizienz meilenweit ĂŒberlegen. Doch wenn wir eine ganzheitliche Perspektive einnehmen, wird die Sache viel weniger klar.

Die gleiche Frage wie vor ĂŒber 100 Jahren

Auch vor ĂŒber hundert Jahren sah es zuerst so aus, als wĂŒrden sich Fahrzeuge mit Elektromotor durchsetzen. Doch Benzin und Diesel waren zu diesem Zeitpunkt extrem billig und in Sachen Reichweite und FlexibilitĂ€t konnte das Elektroauto mit dem Verbrenner einfach nicht mithalten. Unter diesen Voraussetzungen hatte das Elektroauto trotz viel höherer Effizienz schlicht keine Chance[2]. Nun scheint die Stunde des Elektroautos doch noch gekommen zu sein. Fossile Brennstoffe sind wegen ihres CO2-Ausstosses unter Druck und werden durch Steuern verteuert[3]. Gleichzeitig werden Fahrzeuge mit Elektromotor immer gĂŒnstiger. Doch bei der ganzen Euphorie um den Elektromotor gehen einige wichtige Aspekte unter.

Batterien und Brennstoffzellen brauchen viele Ressourcen

Die Herstellung von Batterien und Brennstoffzellen ist energieintensiv und braucht viele seltene Ressourcen, welche auf dieser Welt nur an wenigen Orten zu finden sind und oft unter unmenschlichen Bedingungen abgebaut werden[4]. Gleiches gilt fĂŒr das Recycling der Batterien und Brennstoffzellen. Dies fĂŒhrt dazu, dass ein Elektroauto, egal ob mit Batterie oder Brennstoffzelle, erstmal eine schlechtere Umwelt- und Ressourcenbilanz als ein Verbrenner hat, wenn die KilometerzĂ€hler beider Wagen noch auf 0 stehen. Durch die tieferen flexiblen Umweltkosten werden Elektroautos mit zunehmender Nutzungsdauer umweltfreundlicher als Autos mit Verbrennungsmotor, sofern der Strom zur Nutzung des Elektroautos umweltfreundlich hergestellt wird. Über den genauen Zeitpunkt – nach wie vielen Kilometern ein Elektroauto umweltfreundlicher ist als ein Verbrenner – herrscht in der Wissenschaft Uneinigkeit[5]. Dies ist aber eigentlich nicht so wichtig, denn unter der Voraussetzung, dass der Strom umweltfreundlich hergestellt wurde, kann ein Elektroauto nach dem heutigen Stand der Technik ĂŒber seine ganze Lebensdauer gesehen umweltfreundlicher betrieben werden als ein Auto mit Verbrennungsmotor. Ob dies in Zukunft auch so sein wird, ist jedoch fraglich – dazu spĂ€ter mehr. Zudem verfĂŒgen wir heute ĂŒber viel zu wenig umweltfreundlichen Strom um Millionen von Autos mit Strom oder Wasserstoff zu betreiben.

Produktion von Strom und Wasserstoff fĂŒr Elektroautos nicht unabhĂ€ngig von dessen Nutzung

Bei der Produktion von Strom fĂŒr das batteriebetriebene Elektrofahrzeug bestehen zudem weitere Nachteile. Zum einen muss der Strom dann produziert werden, wenn der Autofahrer die Batterie seines Fahrzeuges aufladen möchte. Die Zwischenspeicherung von Strom ist zwar denkbar, jedoch sehr teuer, ineffizient und gerade in grossem Stil kaum machbar[6]. Zum anderen muss der Strom im Vergleich zu Treibstoffen in der nĂ€heren Umgebung produziert werden. Die Produktion und Nutzung des Stroms durch das batteriebetriebene Fahrzeug können weder zeitlich noch örtlich komplett getrennt werden. Werden nun Millionen von Fahrzeugen mit batteriebetrieben Elektroautos betrieben, fĂŒhrt dies nicht nur zu einem unweit grösseren Bedarf nach Strom, sondern auch dazu, dass die Stromnetze und Kraftwerke insbesondere in den Ballungszentren viel stĂ€rker belastet werden und höhere Spitzen leisten mĂŒssen. Beim Elektrofahrzeug mit Brennstoffzelle bestehen diese Probleme ebenfalls, wenn auch in abgeschwĂ€chter Form. Andererseits muss beachtet werden, dass der Umweg via Wasserstoff und Brennstoffzelle im Endeffekt mehr Strom braucht als der Betrieb via Elektrobatterie. Die Produktion des Wasserstoffes fĂŒr die Brennstoffzelle mit Hilfe von Strom kann jedoch zeitlich etwas besser von der Nutzung entkoppelt werden als beim batteriebetriebenen Fahrzeug. Die Lagerung und der Transport von Wasserstoff sind jedoch relativ ineffizient und teuer. Ein weiter Transport und eine lĂ€ngere Lagerung wie bei herkömmlichen Treibstoffen wie Benzin oder Diesel ist daher nicht wirklich sinnvoll.

Die Importeure von Erdölprodukten betreiben in der Schweiz Pflichtlager (Carbura), welche den Schweizer Bedarf an Erdölprodukten wie Benzin und Diesel fĂŒr mindestens viereinhalb Monate sicherstellen[7]. Eine solche LagerkapazitĂ€t und Versorgungssicherheit sind weder beim Strom fĂŒr batteriebetriebene Elektrofahrzeuge noch beim Wasserstoff fĂŒr Fahrzeuge mit Brennstoffzellen denkbar.

Hohe Umstellungskosten fĂŒr die Infrastruktur

Die ganze Weltwirtschaft hĂ€ngt heute von der Nutzung von Erdöl ab und unsere ganzen Produktionsprozesse und Lieferketten sind auf die Nutzung von Erdöl u.a. als Treibstoff oder zum Betrieb von Maschinen abgestimmt. Deshalb gilt der Erdölpreis auch als guter Indikator fĂŒr die Lage der Weltwirtschaft. Eine Abkehr der individuellen MobilitĂ€t und des Schwerverkehrs von herkömmlichen Treibstoffen hin zu batteriebetrieben Fahrzeugen oder Fahrzeugen mit Brennstoffzellen hĂ€tte daher gewaltige Konsequenzen ĂŒber die MobilitĂ€t hinaus auf die ganze Wirtschaft. Da auch die ganze Infrastruktur auf die Nutzung von fossilen Treibstoffen und weiteren Erdölprodukten aufgebaut ist, mĂŒssten nicht nur Produktionsprozesse und Lieferketten neu ausgerichtet werden, sondern auch die ganze Infrastruktur von Grund auf umgebaut werden. Ein solcher Umbau wĂ€re mit gigantischen Kosten verbunden. Allein um die öffentlichen ParkplĂ€tze der Stadt ZĂŒrich flĂ€chendeckend mit gewöhnlichen Ladestationen fĂŒr Elektroautos auszurĂŒsten, mĂŒsste man grob geschĂ€tzt ĂŒber 250 Mio. Franken investieren[8]. Eine flĂ€chendeckende Versorgung mit Schnellladestationen[9] wĂŒrde nur schon bei der Stadt ZĂŒrich in die Milliarden gehen. Auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur zu Hause, unterwegs und insbesondere an den Transitachsen sowie der Bau von Wasserstofftankstellen und der lokalen Produktion von Wasserstoff wĂŒrde gigantische Investitionen bedĂŒrfen. Dass zudem die Stromproduktion und die Stromnetze massiv um- und ausgebaut werden mĂŒsste, ist dabei noch nicht einmal berĂŒcksichtigt. Von solchen Investitionen in die Infrastruktur, welche Elektro- und WasserstoffmobilitĂ€t in grossem Stil erlauben wĂŒrde, ist bisher jedoch sehr wenig zu sehen. Dabei gilt zu bedenken, dass grosse Infrastrukturprojekte nicht nur viel Kapital, sondern auch viel Zeit brauchen. Der Ausbau der Strominfrastruktur und Aufbau einer flĂ€chendeckenden Lade- und H2-Tankstelleninfrastrukutur braucht Jahrzehnte. Da wir eigentlich das Ziel verfolgen bis in 30 Jahren klimaneutral zu sein, mĂŒsste man bereits heute Milliarden in den Umbau der Infrastruktur investieren. Davon sind wir weit entfernt. Schon heute drohen im Winter imm wieder StromlĂŒcken- und AusfĂ€lle. Schuld daran ist die fehlerhafte Energiestrategie 2050, welche den Ausstieg aus der Kernenergie und den Ausbau der erneuerbaren Energie vorsieht[10]. Weder eine Elektrobatterie- noch eine Wasserstoffstrategie werden ohne den Bau neuer Kernkraftwerke in der Schweiz möglich sein. Ausser man baut Gaskraftwerke, welche das Klima enorm belasten. Angesicht dieser Probleme, welche sich im Bereich der Infrastruktur ergeben, stellt sich die Frage, ob es nicht eine Alternative gibt, welche einen solchen massiven Umbau der Infrastruktur und der Wirtschaft nicht benötigt.

CO2-Problem von Treibstoffen ist lösbar: E-Fuels

Abseits von der «rasanten» Entwicklung der Elektroauto-Industrie, welche in der Öffentlichkeit einen grossen Platz einnimmt, hat sich auch beim Verbrennungsmotor viel getan. Der Kraftstoffverbrauch pro Fahrzeuge hat trotz mehr Gewicht und mehr Motorenleistung in den letzten 20 Jahren abgenommen. Auch der Schadstoffausstoss der Verbrenner wurde massiv reduziert. Wie kaum einer weiss, stossen moderne Dieselfahrzeuge heute in der Regel weniger Feinstaub aus, als dem Motor via Frischluft zugefĂŒhrt wird. Dieselfahrzeuge mit modernen Filtersystemen reinigen unsere Atemluft also aktiv von Feinstaub[11]. In Sachen CO2-neutralen Treibstoffen ist ebenfalls einiges im Gange. Weltweit wird an synthetischen Treibstoffen, auch E-Fuels genannt, geforscht. Eines der bekanntesten Projekte fĂŒr die Forschung und Produktion von synthetischen Treibstoffen ist wohl der ETH-Spin-off Synhelion, an welchem auch der italienischen Erdölkonzern ENI beteiligt ist[12]. E-Fuels werden mit Hilfe von CO2 und Strom erzeugt. Der Nachteil ist, dass es fĂŒr die gleiche Leistung wie beim Batteriefahrzeug oder Brennstoffzellenfahrzeug mehr Storm braucht. Zudem sind synthetische Treibstoffe noch zu teuer, um in grossen Stil produziert zu werden und gegen herkömmliche Treibstoffe zu bestehen[13]. Doch auch die Autobatterie, Computer und andere Erfindungen waren zu Beginn zu teuer fĂŒr den Massenmarkt. Eine solche Entwicklung ist auch bei den E-Fuels zu erwarten[14]. Sollte eine erhebliche Preisreduktion gelingen, werden auch die Vorteile der E-Fuels gegenĂŒber Batterie und Wasserstoff klar:

E-Fuels lassen sich genau wie herkömmliche Treibstoffe einfach lagern und transportieren. Dies macht es möglich, dass man E-Fuels in Zukunft in grossem industriellem Massstab fĂŒr den internationalen Markt produzieren kann und damit dank Economies of Scale die Kosten nochmals massiv fallen werden. E-Fuels sollten damit der dezentralen Produktion und der relativ kurzen Lagerdauer von Wasserstoff und Strom ĂŒberlegen sein und deren grössere physikalische Effizienz ökonomisch mehr als wettmachen  (Vgl. Studie von Frontier Economics, welche sogar von einer etwa gleich hohen physikalischen Effizienz spricht.). Ein kompletter Umbau der Wirtschaft und der MobilitĂ€tssysteme wĂ€re zudem nicht nötig. Einzig der Aufbau von grossen zentralen Produktionsanlagen fĂŒr E-Fuels inklusive Stromproduktion wĂ€ren von Nöten. Es wĂ€re zum Beispiel denkbar, dass die heutigen ErdölförderlĂ€nder im Mittleren Osten und die LĂ€nder der Sahara in den WĂŒsten grosse Photovoltaikanlagen bauen, mit dem Strom dieser Anlagen an ihren KĂŒsten E-Fuels produzieren und diese mit Öl-Tankern in die ganze Welt verschiffen.

CO2-Problem von Treibstoffen ist lösbar: CO2-RĂŒckgewinnung und -Speicherung

Neben den E-Fuels gibt es eine weitere Alternative, welche dem Verbrennungsmotor eine Zukunft ermöglicht und sogar eine weitere Nutzung von fossilen Treibstoffen möglich macht. Auch hier sind Schweizer Forscher an der Weltspitze. Das ETH Spin-off Climeworks hat 2017 in Hinwil ihre erste grössere CO2-Filteranlage zur RĂŒckgewinnung von CO2 aus der Luft gebaut[15]. An der ETH Lausanne entwickelten Forscher einen CO2-Filter fĂŒr Lastwagen, welcher das CO2 aus den Abgasen des Verbrennungsmotors filtert[16]. Dieses zurĂŒckgewonnene CO2 kann einerseits von der Industrie – zum Beispiel zur Produktion von E-Fuels – genutzt oder im Boden gespeichert werden. Verschiedene Tests u.a. in Deutschland zur Speicherung von CO2 im Boden erwiesen sich als sehr erfolgreich[17] und zeigten, dass unter Druck «das CO2 mit dem Gestein reagiert und sich so mineralisiert, also zu Stein wird.»[18] Sollte dies in Zukunft in grossem Stil möglich sein, wĂ€re das Zeitalter von Erdöl und Erdgas wahrscheinlich noch lange nicht zu Ende. Der grosse Vorteil dieser Alternative wĂ€re wohl, dass ein Umbau der Wirtschaft kaum nötig wĂ€re.

Fazit und Ausblick

Wenn man der Politik und der Öffentlichkeit zuhört, dann ist klar: Die Zukunft gehört der ElektromobilitĂ€t. Doch wie der vorliegende Beitrag aufzeigt, ist die Sache weit weniger klar, als es den Anschein macht. Wenn man die Sache genau anschaut, sprechen viele Punkte fĂŒr die Weiterverwendung des Verbrennungsmotors. Insbesondere die Investitionen in die Infrastruktur und den Umbau der Wirtschaft wĂ€ren dadurch bedeutend kleiner. Da die Zukunft und ihre Entwicklungen einer gewissen Unsicherheit unterliegen und die Entscheide der Politik oft unberechenbar sind, ist aus heutiger Sicht noch nicht klar, was sich am Ende wirklich durchsetzen wird. Am wahrscheinlichsten scheint eine Mischform von verschiedenen Technologien: Batterie, Wasserstoff, E-Fuels, Biotreibstoffe und herkömmliche Treibstoffe. Aus diesem Grund investieren viele Firmen insbesondere Erdölkonzerne und Autohersteller in verschiedene Technologien.


[1] https://www.industr.com/de/weltrekord-elektromotor-mit-fast-prozent-energieeffizienz-2299451

[2] https://www.e-autos.de/wissen/geschichte/

[3] https://www.handelszeitung.ch/politik/klimaschutz-parlament-erhoht-benzinpreis-um-bis-zu-12-rappen

[4] https://www.faz.net/aktuell/wissen/forschung-politik/kostbare-rohstoffe-fuer-batterien-die-e-mobilitaet-koennte-ein-teures-unterfangen-werden-15502495.html

[5] https://www.wiwo.de/technologie/mobilitaet/e-autos-wissenschaftler-kritisieren-studie-scharf/24303396.html

[6] https://www.fuw.ch/article/die-wahren-kosten-der-photovoltaik/

[7] https://www.carbura.ch/pflichtlagerhaltung

[8] FĂŒr den Kauf, Installation und Anschluss muss pro LadesĂ€ule mit rund 4’000 bis 10’000 Franken gerechnet werden (https://em.offerten-rechner.ch/) . In der Stadt ZĂŒrich gibt es rund 70’000 öffentliche ParkplĂ€tze (davon ĂŒber 33’000 Blaue Zone): https://www.stadt-zuerich.ch/ted/de/index/taz/verkehr/webartikel/webartikel_parkierung.html#:~:text=In%20der%20Stadt%20Z%C3%BCrich%20gibt,%C3%B6ffentlich%20zug%C3%A4ngliche%20Parkpl%C3%A4tze%20f%C3%BCr%20Autos

[9] Pro Schnellladestation mĂŒssen mit Kosten von ĂŒber 100’000 Franken gerechnet werden. Ein Tesla Supercharger kostet rund 200’000 US-Dollar. https://www.fool.de/2017/03/27/die-kosten-fuer-die-ladestationen-sind-fuer-tesla-immer-noch-relativ-gering/

[10] https://www.tagesanzeiger.ch/mit-der-energiewende-droht-der-blackout-697615391126

[11] https://www.auto-motor-und-sport.de/tech-zukunft/dieselabgase-partikelmessungen-im-realbetrieb/

[12] https://www.handelszeitung.ch/unternehmen/die-eth-zurich-macht-treibstoff-aus-luft-und-sonnenlicht

[13] https://www.avenir-suisse.ch/synthetische-treibstoffe-zum-preis-von-fr-2-40-pro-liter/

[14] https://www.avenir-suisse.ch/synthetische-treibstoffe-zum-preis-von-fr-2-40-pro-liter/

[15] https://www.nzz.ch/wissenschaft/climeworks-will-4000-tonnen-co2-pro-jahr-aus-der-luft-filtern-ld.1573219

[16] https://actu.epfl.ch/news/capturing-co2-from-trucks-and-reducing-their-emiss/

[17] https://www.nzz.ch/wissenschaft/climeworks-will-4000-tonnen-co2-pro-jahr-aus-der-luft-filtern-ld.1573219

[18] https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/planet-e-co2-tresor-100.html


Das ungelöste Solvenzproblem und die Politik der EZB

In Deutschland ist wieder einmal eine Debatte ĂŒber die EuropĂ€ische Zentralbank EZB und deren Geldpolitik entbrannt. Die Debatte wird bisweilen nicht gerade unzimperlich gefĂŒhrt. EZB-freundliche und EZB-nahe Ökonomen nennen die Kritiker der EZB-Politik abschĂ€tzig «EZB-Basher» oder sogar Verschwörungstheoretiker. Um die ökonomischen Argumente geht es bei dieser Debatte leider kaum noch. Es geht schlichtweg um die Deutungshoheit. Dabei wĂ€re eine inhaltliche Diskussion Ă€usserst wichtig, denn es geht um die zentralsten Elemente unseres Wirtschaftssystems und dessen Zukunft.

Bei der Debatte um die EZB und deren Geldpolitik geht es im Kern um die Frage, weshalb die Zinsen so tief sind und welche Rolle die Zentralbanken, in diesem Fall die EZB, spielen. Dazu gibt es stand heute zwei populĂ€re Ansichten. Die Mainstreamökonomie geht davon aus, dass der natĂŒrliche Zins durch verschiedene EinflĂŒsse (Digitalisierung, Globalisierung, Demographie, etc.) stark gesunken ist und bisweilen sogar negativ sein soll (vgl. https://www.aeaweb.org/articles?id=10.1257/mac.20170367). Sie kommt daher zum Schluss, dass die EZB nicht fĂŒr die tiefen Zinsen verantwortlich gemacht werden kann. Die zweite Position, welche insbesondere von Österreichern und (ordo-)liberalen Ökonomen vertreten wird, anerkennt zwar, dass verschiedene vom Mainstream genannte EinflĂŒsse eine gewisse Auswirkung auf die Zinsen haben und hatten. Sie gehen jedoch davon aus, dass der Zins ohne die Geldpolitik auf einem anderen Niveau wĂ€re und der natĂŒrliche Zins klar ĂŒber der Nullgrenze liegt.

Die Finanzkrise als Solvenzkrise

Um der zentralen Frage der Debatte – weshalb die Zinsen so tief sind – auf den Grund zu gehen, mĂŒssen wir zur Finanzkrise von 2007 zurĂŒckgehen. UnabhĂ€ngig davon, was die Ursachen dieser Krise waren, welche in Europa in der Folge fast nahtlos in die Eurokrise ĂŒberging, stellt die Finanzkrise und die in Europa folgende Eurokrise eine Solvenzkrise dar. Viele Schuldner konnten im Verlauf der Krise ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Zuerst betraf dies in erster Linie amerikanische Hausbesitzer. Dies weitete sich dann sukzessive auf das globale Finanz- und Bankensystem aus. Nun waren auch viele Banken und Versicherungen kaum mehr in der Lage ihre Schulden zu bedienen. Es folgte ein Zusammenbruch des Kreditmarkts fĂŒr Finanzinstitute – dem Interbankenmarkt. Die Zentralbanken (angefĂŒhrt von der amerikanischen FED) und einige Staaten sahen sich gezwungen viele Banken und Versicherungen zu retten. Im Verlauf der Krise zeigte sich, dass auch in Europa nicht nur die Banken und Versicherungen ein Solvenzproblem hatten, sondern auch viele private Schuldner und Nichtfinanzunternehmen. So platzte zum Beispiel in Spanien, wie in den USA, eine gewaltige Immobilienblase. Zudem bekamen nun auch viele europĂ€ische Staaten ein Problem mit den angehĂ€uften Schulden, welche durch Bankenrettungen und dem Einbruch der Konjunktur, drastisch anstiegen. Nachdem die EZB bereits fĂŒr das Finanz- und Bankensystem die Rolle des Kreditgebers in letzter Instanz – lender of last resort – ĂŒbernommen hatte, sah sich die EZB nun gezwungen dies in gewisser Weise auch fĂŒr die Staaten der europĂ€ischen WĂ€hrungsunion zu sein, um den Euro zu retten. Mario Draghi’s Worte “what ever it takes” wurden weltberĂŒhmt.

Abbildung 1: Zinsentwicklung [1] & [2]

Bei all diesen umfangreichen RettungsplĂ€nen der Staaten und der Zentralbanken stellt sich die Frage: Wurde die Solvenzkrise gelöst, das Schuldenproblem verringert? Darauf gibt es eine klare Antwort: Nein. Denn um ein Solvenzproblem zu lösen gibt es grundsĂ€tzlich zwei Lösungen: Default oder den Schuldenberg verkleinern (indem die Schulden durch Sparen zurĂŒckbezahlt werden oder durch Wachstum der Einkommen die relative Schuldenlast abnimmt). Mit der Rettung von Schuldner durch den Staat bzw. die Zentralbank wurde jedoch weder das eine noch das andere getan. Die Schulden wurden verschoben, deren RĂŒckzahlungsfrist verlĂ€ngert oder bzw. und die Schuldzinsen reduziert. Die Schuldenlast wurde dadurch nicht bzw. nur temporĂ€r verringert. Die Zentralbanken haben mit Unmengen von neuem Geld lediglich Zeit gekauft, nicht mehr und nicht weniger. Doch was hat uns diese Zeit bis jetzt gebracht? Eigentlich nichts. Grosses Wachstum, welches die Schuldenlast ertrĂ€glicher machen wĂŒrde, blieb aus. Die Menge an Schulden ist heute – global gesehen – sogar grösser denn je, sowohl in absoluten Zahlen als auch im Vergleich zum BIP[3]. Die Probleme von 2007 und 2008 sind also in keiner Weise gelöst. Das Problem ist heute noch grösser. Es ist eigentlich nur eine Frage der Zeit bis das Schuldenproblem wieder in einer Krise mĂŒndet.

Überangebot an Kapital wegen einer Sparschwemme?

Nun zurĂŒck zu unserer Ausgangsfrage, weshalb die Zinsen so tief sind. Nachdem der Zins bereits seit Ende der 1980er Jahre stark gefallen ist, sind die Zinsen seit der Finanzkrise erneut stark zurĂŒckgegangen. Viele Staatsanleihen weisen heute einen negativen Zinssatz auf. Die Mainstreamökonomie geht nun davon aus, dass aufgrund verschiedener externer Entwicklungen (Demographie, Globalisierung, Digitalisierung, etc.) zum einen die Nachfrage nach Kapital abgenommen habe und zum anderen das Kapitalangebot durch eine Schwemme an Ersparnissen zugenommen habe (vgl. https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ezb-niedrigzins-gruende-1.4706299). Die niedrigen Zinsen und die Geldpolitik wĂ€ren daher nur eine Reaktion auf diesen AngebotsĂŒberhang. Auf den ersten Blick tönt dies plausibel und die Forderung, dass nun verschiedene Wirtschaftsakteure insbesondere der Staat mehr Kapital nachfragen mĂŒssten, indem sie sich stĂ€rker Verschulden wĂ€re nur folgerichtig. Doch nur schon, wenn wir uns die oben erklĂ€rte Solvenzproblematik der Finanzkrise vor Auge fĂŒhren, erkennen wir, dass sich die Argumentation in den Schwanz beisst. Aber schauen wir uns die Sache genauer an. Als erstes betrachten wir die Angebotsseite. Hier wird behauptet, dass die Wirtschaftssubjekte – in erster Linie die privaten Haushalte – u.a. wegen der Alterung der Gesellschaft mehr Sparen und es infolgedessen zu einer Ersparnisschwemme kommt, welche zu einer Ausweitung des Kapitalangebots fĂŒhrt.

Abbildung 2: Sparquote der privaten Haushalte und Altersquotient in Deutschland[4]

Sehen wir uns die globale Entwicklung der Sparquoten an, erkenne wir, dass zwar die Sparquote der Unternehmen seit den 1980ern zugenommen, jedoch hat jene der privaten Haushalte etwa im selben Ausmass abgenommen hat (siehe Abbildung 3). Bei der Sparquote der Staaten sieht man, dass diese in erster Linie von der konjunkturellen Entwicklung abhĂ€ngig ist. Insgesamt lĂ€sst sich festhalten, dass nicht von einer generellen Zunahme der Sparquote oder gar einer regelrechten Ersparnisschwemme gesprochen werden kann. Ebenfalls lĂ€sst sich festhalten, dass die Alterung offenbar zu keiner Zunahme der Sparquote bei den privaten Haushalten gefĂŒhrt hat (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 3: Sektorielles Sparen im Vergleich zum globalen BIP[5]

Trotzdem kann davon ausgegangen werden, dass das Angebot in den letzten Jahren durchaus zugenommen hat. Nur hat dies einen ganz anderen Grund, als dies die Mainstreamökonomen postulieren: Die Politik der Zentralbanken. Zentralbanken wie die EZB haben seit dem Ausbruch der Finanzkrise Billionen von neuem Geld in Umlauf gebracht und damit den Markt ĂŒberschwemmt (siehe Abbildung 4). Oder anders ausgedrĂŒckt: Die Zentralbanken haben das Angebot an Kapital erhöht.

Abbildung 4: Entwicklung der monetÀren Basis[6]

Kommen wir zur Nachfrageseite. Hier geht die Mainstream-Ökonomie davon aus, dass die Nachfrage nach Kapital abgenommen hat, weil durch die Globalisierung und die Digitalisierung die KapitalintensitĂ€t sinkt. Schaut man sich die Entwicklung der Investitionen seit den 1980er an, lĂ€sst sich dies jedoch nicht wirklich erhĂ€rten (siehe Abbildung 5). Nur bei den privaten Haushalten lĂ€sst sich ein leichter Trend zu weniger Investitionen feststellen. Die Investitionsquote der Unternehmen und der Staaten scheint hingegen konstant zu bleiben.

Abbildung 5: Sektorielles Investment im Vergleich zum globalen BIP[7]

Es lĂ€sst sich bei der Nachfrageseite also festhalten, dass zwar ĂŒber alles gesehen ein leichter RĂŒckgang der Nachfrage feststellbar ist, die Grösse des RĂŒckgangs aber eher vernachlĂ€ssigbar ist.

Sinkende Zinsen als Folge der EZB-Politik

Schauen man sich die Geldpolitik der EZB seit dem Ausbruch der Finanzkrise und deren Wirkung auf den Kreditmarkt genauer an, lĂ€sst sich feststellen, dass die Ausweitung der Basisgeldmenge insbesondre im Zuge der Quantitativ Easing Programme ab 2015 keinen Einfluss auf die Entwicklung der Kredite an Private hatte (siehe Abbildung 6). Es lĂ€sst sich also auch in Europa das gleiche PhĂ€nomen feststellen wie global: Das Kapital- und Geldangebot hat durch die Politik der EZB zugenommen. Gleichzeitig hat sich jedoch die Nachfrage nach Krediten bzw. Kapital kaum verĂ€ndert. Es besteht also ein gewisser von der EZB verursachter AngebotsĂŒberhang, was wiederum dazu fĂŒhrt, dass der Preis fĂŒr Kapital, der Zins, fĂ€llt. Nun kann man natĂŒrlich wie viele Mainstreamökonomen argumentieren, dass die Wirtschaftsakteure – insbesondere der Staat – mehr investieren, mehr Kredite nachfragen sollten und weniger sparen sollten, um diesen AngebotsĂŒberhang verschwinden zu lassen, was wiederum zu steigenden Zinsen fĂŒhren sollte. Wenn wir uns die ungelösten Probleme der Finanz- und Eurokrise vor Augen halten, erkennen wir, dass die Argumentation nicht verfĂ€ngt. Private Haushalte, Unternehmen als auch Staaten hatten ein Solvenzproblem, welches nach wie vor ungelöst ist und nur dank den tiefen Zinsen nicht zum Tragen kommt. Nun zu fordern, dass sich diese Akteure noch mehr Verschulden sollen, ist wie einem Betrunkenen zu raten, er solle noch mehr Alkohol trinken. Oder anders gesagt, man verlangt von den Wirtschaftsakteuren insbesondere dem Staat ein irrationales Verhalten.

Abbildung 6: Wirksamkeit der expansiven Geldpolitik in Frage gestellt[8]

Fazit

Die Argumentation der Mainstreamökonomie, weshalb die Zinsen so tief sind und was man dagegen tun kann, tönt einleuchtend. Wer jedoch die letzte grosse Krise analysiert und die empirischen Entwicklungen begutachtet, kommt schnell zum Schluss, dass eine angebliche Sparschwemme kaum die Ursache sein kann und dass mehr Schulden das Problem nicht lösen, sondern eher noch verschĂ€rfen wĂŒrden. Wenn man es genau nimmt, muss man sogar sagen, dass die Argumentationslinie des Mainstreams absurd ist. Auf der einen Seite argumentiert er richtigerweise, dass eine Erhöhung der Zinsen durch die EZB wohl zu einer Rezession fĂŒhren wĂŒrde, weil die vergangene Krise wieder ausbrechen wĂŒrde. Also viele Schuldner wieder in ein Solvenzproblem geraten wĂŒrden. Auf der anderen Seite argumentiert er, man mĂŒsse nun mehr Schulden machen, sodass die Zinsen steigen, obwohl schon der heutige Schuldenstand keine höheren Zinsen zulĂ€sst. Absurder geht es kaum, insbesondere wenn man bedenkt, dass auch Schulden dem Gesetz des abnehmenden Grenznutzens unterworfen sind. Fast genauso absurd ist die Angst des Mainstreams und vieler Zentralbanken wie der EZB vor einer Deflation. Diese Angst begrĂŒndet einen grossen Teil der EZB-Politik der letzten Jahre und zeigt das historische Unwissen vieler Ökonomen. Im 19. Jahrhundert war Deflation an der Tagesordnung und das Pro-Kopf-Wachstum war trotzdem viel höher als heute. “Deflation ist der Normalzustand, weil technischer Fortschritt, Erfindungen und ProduktivitĂ€tsgewinne zu sinkenden Preisen fĂŒhren. Die Angst der Ökonomen vor der Deflation stammt aus der Weltwirtschaftskrise, die aber historisch die Ausnahme war. Was schĂ€dlich ist, ist nicht die Deflation, sondern die zu hohe Verschuldung, die durch Deflation schwerer zu ertragen ist. Die richtige Antwort wĂ€re also: Deflation ist kein Problem. Unser Problem sind die hohen Schulden und um die tragbar zu halten, mĂŒssen die Zinsen tief sein.”[9] Interessant ist zudem auch, dass die EZB-eigene Research-Abteilung klar zu Schluss kommt, dass alleine die QE-Programme der EZB die Zinsen der europĂ€ischen Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren, um einen Prozentpunkt nach unten drĂŒcken und die ZinssĂ€tze bis 2033 beeinflussen (siehe Abbildung 7).

Abbildung 7: GeschÀtzter Effekt des APP auf die Renditen von Staatsanleihen aus dem Euroraum[10]

Lösungsansatz: Schuldenschnitte und Änderung der Geldpolitik

Um es so klar und deutlich zu sagen: Mit der heutigen EZB-Geldpolitik und der Argumentationslinie des Mainstreams hat man sich in einen Teufelskreis begeben, denn man ohne Änderung der heutigen Geld- und Fiskalpolitik nicht mehr verlassen kann, bis der Euro eines Tages zusammenbricht. Um den Teufelskreis zu verlassen, mĂŒsste die EZB ihre expansive Geldpolitik beenden und beginnen ihre Bilanz zu reduzieren. Dadurch wĂŒrde der Illusion das Kapital heute nicht mehr knapp ist ein Ende gesetzt. Gleichzeitig mĂŒsste man auf der anderen Seite nun endlich umfangreiche Schuldenschnitte bei vielen europĂ€ischen Staaten vornehmen. Auch beim Finanz- und Bankensystem mĂŒssten solche Schuldenschnitte vorgenommen werden. Diese Schuldenschnitte wĂŒrden dazu fĂŒhren, dass die Wirtschaftsakteure wieder mehr investieren und auch wieder vermehrt neue Kredit nachfragen könnten. Diese Massnahmen wĂŒrden wohl zu einer gewissen Bereinigungskrise fĂŒhren, was jedoch mittel- bis langfristig bei weitem besser wĂ€re als der heutige Teufelskreis.


[1] http://www.leitzinsen.info/

[2] https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/cc/Langfristige_Zinss%C3%A4tze_in_der_Eurozone_seit_1993.png

[3] https://blogs.imf.org/2019/01/02/new-data-on-global-debt/

[4] https://twitter.com/PeterBofinger/status/1202199251062853632

[5] https://voxeu.org/article/global-corporate-saving-glut

[6] https://cryptowords.github.io/crypto-voices-2019-q1-global-monetary-base

[7] https://voxeu.org/article/global-corporate-saving-glut

[8] https://twitter.com/retolipp/status/1199635862616780800

[9] https://www.manager-magazin.de/finanzen/artikel/ezb-daniel-stelter-widerlegt-marcel-fratzscher-a-1298734-5.html

[10] https://www.bundesbank.de/resource/blob/783062/0d59d95a78aa6558717ed6d952ea8d20/mL/2019-02-ezb-wb-data.pdf

Titelbild: Christoph Scholz, https://www.flickr.com/photos/140988606@N08/28996458836


Klimapolitik – Eine Liberale Alternative

Das Klima und die Klimapolitik bewegt die Jugend. Das ist gut so! Dies sage ich auch als Freisinniger, der viele Ideen, welche aus dieser Jungendbewegung kommen, sehr kritisch sieht. Dass wir – jeder Einzelne, die Politik, die Schweiz, ja die ganze Welt – etwas tun mĂŒssen, steht fĂŒr mich ausser Frage. Um zu diesem Schluss zukommen, muss man nicht Klimawissenschaftler sein. Nicht nur die IPCC-Berichte sind eindeutig. Auch die Entwicklungen der letzten 20 Jahre zeigen: Der Klimawandel ist RealitĂ€t. Dass der Mensch dabei eine (zentrale) Rolle spielt, ist anhand der wissenschaftlichen Erkenntnisse eben so klar. Nun kommen wir zur Frage, was gilt es zu tun? Anders als bei den wissenschaftlichen Erkenntnissen gibt es darauf keine eindeutige Antwort. Bekanntlich fĂŒhren viele Wege nach Rom. Und so ist es auch hier! Viele Massnahmen, welche heute in der Politik und den Medien diskutiert werden, sind nichts anderes als staatliche Verbote oder massive EinschrĂ€nkungen fĂŒr Wirtschaft und Gesellschaft. Als liberaler Mensch stört mich das. Dass es auch andere AnsĂ€tze gibt, wird leider sehr oft vergessen.

Um Ihnen diese anderen AnsĂ€tze etwas nĂ€her zu bringen, muss ich zuerst etwas ausholen. Das Klimaproblem stellt aus ökonomischer Sicht ein Marktversagen dar. Dieses Marktversagen kommt deshalb zustande, weil bei der Luft anders als beim Boden, Kapital, etc. eine Zuteilung der Eigentumsrechte fehlt. Illustrieren lĂ€sst sich dies anhand eines Beispiels: Will ich ein Haus bauen, brauche ich ein StĂŒck Land. Das StĂŒck Land muss mir gehören, ansonsten kann ich kein Haus bauen. Bei der Luft ist dies anders. Sie gehört niemandem. Auch dem Staat nicht. Sie ist ein öffentliches Gut. Ich kann die Luft jederzeit und ĂŒberall nutzen und brauche dazu kein Recht – sie muss mir nicht «gehören». Dies fĂŒhrt dazu, dass jedermann die Luft gratis verschmutzen kann. Wie lösen wir ein solches Problem aus ökonomischer und liberaler Sicht am besten? Nicht mit Verboten oder Steuern, sondern in dem der Staat bzw. die Staaten Gemeinschaft des Pariser Abkommens das Marktversagen durch die Schaffung eines Marktes fĂŒr Verschmutzungsrechte löst. Nur wer ein entsprechendes Verschmutzungsrecht besitzt, darf die Luft entsprechend belasten. Die Anzahl der Verschmutzungsrechte sollte sich dabei an den Zielen des Pariser Abkommens orientieren. Um eine gewisse SozialvertrĂ€glichkeit zu gewĂ€hrleisten, sollte eine Art Grundbedarf kostenlos an die BĂŒrger verteilt werden. Viele werden sich nun fragen, wieso ein verbindlicher Markt fĂŒr Verschmutzungsrechte anstatt einer CO2-Lenkungsabgabe. Das Problem an der CO2-Abgabe: Wir kennen den Preis nicht, welchen es braucht um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Der Staat mĂŒsste dauernd Anmassung von Wissen betreiben. Beim Markt fĂŒr Verschmutzungsrechte nutzen wir die StĂ€rken des Marktes um die Ziele kostengĂŒnstig und effizient zu erreichen.


Eurokrise: Wie Europa die Grosse Depression wiederholt

Abstract

Die vorliegende Arbeit vergleicht die europĂ€ische Krise seit 2008 – bekannt als Eu­rokrise – mit der Grossen Depression der 1930er Jahre in Europa. Die Arbeit geht dabei der Frage nach, ob der europĂ€ische WĂ€hrungsraum – Ă€hnliche wie der Goldstandard in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts – eine Fessel fĂŒr die Volkswirtschaften Europas darstellt. Zur Beantwortung dieser Frage wird in einem ersten Teil die beiden WĂ€hrungssysteme Goldstandard und Euro anhand der beiden theoretischen AnsĂ€tze Trilemma der Geldpolitik und optimale WĂ€hrungsrĂ€ume analysiert und verglichen. In einem zweiten Teil folgt eine Analyse und ein Vergleich der Ursachen und der Krisentypen der beiden Krisen. In einem dritten Teil werden die bei-den Krisen anhand verschiedener makroökonomischer Variablen verglichen. Im vierten und letzten Teil der Arbeit folgt eine Analyse der beiden Krisen anhand der Geld- und Fiskalpolitik. Die Arbeit zeigt auf, dass ein WĂ€hrungssystem kann die Geldpolitik behindern und deren Handlungsspielraum einschrĂ€nken. Diese Schlussfolgerung fĂŒhrt zum Fazit, dass der europĂ€ische WĂ€hrungsraum – Ă€hnlich wie der Goldstandard – eine geldpolitische Fessel fĂŒr Europa darstellt.

Einleitung

Vor rund zehn Jahren schlitterte die Welt die schlimmste Wirtschaftskrise seit dem Börsencrash von 1929 und der Grossen Depression der 1930er Jahre. In den ersten zwölf Monaten der Krise brach die weltweite Industrieproduktion um ĂŒber zehn Prozent ein. Der Einbruch erreichte damit dieselben Ausmasse wie 1930[1]. Anders als in den 30er Jahren konnte – dank des beherzten Eingreifens der Zentralbanken unter FĂŒhrung der amerikanischen Zentralbank FED – jedoch ein anschliessendes Abgleiten der Weltwirtschaft in eine Depression vermieden werden. Trotzdem waren die Konsequenzen verheerend. Millionen von Jobs gingen verloren. In Europa und Nordamerika war 2010 rund jeder zehnte arbeitslos[2]. Die Industrieproduktion in den Vereinigten Staaten brauchte ĂŒber sechs Jahre um das Vorkrisenniveau zu erreichen[3]. Trotz dieser massiven Einschnitte erlebte die USA wie auch die Weltwirtschaft seit 2010 einen stetigen Aufschwung. Etwas anders sieht hingegen die Lage in Europa aus. Sowohl die Industrieproduktion als auch das Bruttoinlandprodukts der EuropĂ€ischen Union und der Eurozone liegen auch nach zehn Jahren immer noch unter dem Vorkrisenniveau[4]. Die EuropĂ€ische Zentralbank (EZB) verharrt deshalb weiterhin im Krisenmodus. Auch wenn die EZB angekĂŒndigt hat ihr Quantitative Easing Programm per Ende des Jahres 2018 auslaufen zulassen, ist ein Ende des Krisenmodus nicht abzusehen. Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten von Amerika schafft es Europa und insbesondere die Eurozone seit Jahren nicht aus der Krise. Da stellt sich unweigerlich die Frage, weshalb die Eurozone nicht aus dem Schlamassel rauskommt, wĂ€hrend andere den Krisenmodus seit lĂ€ngerem verlassen haben. Die ganze Situation erinnert stark an die Grosse Depression der 1930er Jahre, als Europa und die USA in den Fesseln des Goldstandards gefangen waren und ĂŒber Jahre in einer Depression feststeckten. Wie die Arbeit von Barry Eichengreen zeigte, ermöglichte erst der Ausstieg aus dem Goldstandard einen Aufschwung und ein Ende der Depression[5]. Es stellt sich die Frage,  inwiefern sich die heutige Krise Europas mit der Grossen Depression in Europa vergleichen lĂ€sst und ob die Eurozone und das EuropĂ€ische System der Zentralbanken (ESZB) ebenfalls eine Art Fessel fĂŒr die europĂ€ische Wirtschaft darstellt, welche einen nachhaltigen Ausbruch aus der Krise verunmöglicht. Zur Beantwortung dieser Fragestellung werden die beiden Krisen – Grosse Depression in Europa und Eurokrise – miteinander verglichen. In einem ersten Teil wird anhand der Theorie der optimalen WĂ€hrungsrĂ€ume und dem Trilemma der Geldpolitik die Struktur der beiden WĂ€hrungssysteme – Goldstandard und EuropĂ€ischer WĂ€hrungsraum – analysiert. Danach folgt eine GegenĂŒberstellung der Ursachen der beiden Krisen. Im dritten Teil wird der Ablauf der jeweiligen Krisen anhand von verschiedenen makroökonomischen Variablen verglichen. Im Zentrum dieses Vergleichs stehen die vier grössten Volkswirtschaften der Eurozone: Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien. Neben diesen vier LĂ€ndern werden weitere fĂŒnf Staat aus der Eurozone und sechs EU-LĂ€nder[6], welche nicht Teil der Eurozone sind, untersucht. In einem vierten und letzten Teil folgt eine Analyse der Fiskal- und Geldpolitik in den beiden Krisen.


[1] Eichengreen & O’Rourke: A Tale of two Depressions.

[2] OECD.

[3] FRED.

[4] OECD.

[5] Eichengreen: Golden Fetters.

[6] In der Analyse wird jedoch mit DÀnemark ein Staat mehr zum Euroraum gezÀhlt, da DÀnemark seine WÀhrung an den Euro gebunden hat. Korrelation zwischen dem dÀnischen und dem Euro-Zins betrÀgt 0.987.

Paper: Die Geschichte zweier Finanzkrisen: Ein Vergleich der Eurokrise mit der Grossen Depression in Europa


Die Eurozone gefangen in den Fesseln des Kredits

Seit zehn Jahren verharrt die EuropĂ€ische Zentralbank (EZB) im Krisenmodus. Auch wenn die EZB angekĂŒndigt hat ihr Quantitative Easing Programm – umfangreicher Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen mit neugeschaffenem Geld – per Ende des Jahres auslaufen zulassen, ist ein Ende des Krisenmodus nicht abzusehen. Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten von Amerika und deren Notenbank schaffen es die Eurozone und die EZB seit Jahren nicht aus der Krise. Da stellt sich unweigerlich die Frage, weshalb die Eurozone nicht aus dem Schlamassel rauskommt, wĂ€hrend andere den Krisenmodus seit lĂ€ngerem verlassen haben. Darauf gibt es aus geldtheoretischer Sicht zwei Antworten, welchen nachfolgend erlĂ€utert werden.

Jean-Claude Trichets kapitaler Fehler

Abbildung 1: Zinsentwicklung Eurozone vs. USA (Quelle http://leitzinsen.info/)

Die erste Antwort lĂ€sst sich im Jahr 2011 finden. Nachdem die EZB im Vergleich zu anderen Notenbanken  relativ konservativ reagierte und den Leitzins nur auf 1% senkte (Vgl. Abbildung 1), wollte die EZB um ihren damaligen PrĂ€sidenten Jean-Claude Trichet – als einzige und erste bedeutende Notenbank auf der Welt – im FrĂŒhjahr 2011 den Ausstieg aus der Krisenpolitik des extrem billigen Geldes wagen. Im April 2011 erhöhte sie den Leitzins von 1% auf 1.25% und im Juli folgte mit der Erhöhung des Leitzinses auf 1.5% ein zweiter Zinsschritt (siehe Abbildung 1). Da die Eurokrise zu diesem Zeitpunkt mitnichten ĂŒberwunden war, stellten sich die Zinserhöhungen als kapitaler Fehler heraus: Anstatt den Ausstieg zu ermöglichen, brachten die Zinserhöhungen das Kartenhaus der Eurozone erst recht zum Einsturz. Im Sommer 2012 stand die Eurozone deshalb kurz vor dem Kollaps. Erst als Trichets Nachfolger Mario Draghi am 26. Juli 2012 seine berĂŒhmten Worte «Whatever it takes to preserve the Euro»[1] aussprach, entspannte sich die Lage. Von einem Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik wagte man nun nicht einmal mehr zu trĂ€umen. Das Motto von Draghi prĂ€gt seither die Geldpolitik der EZB und fĂŒhrte in der Folge zu einem neuen Programm zur Ausweitung der expansiven Geldpolitik nach dem anderen, jedes noch grösser und umfangreicher als das Vorherige.

Dysfunktionaler WĂ€hrungsraum

Die zweite Antwort findet sich im europĂ€ischen WĂ€hrungsraum selbst. In Deutschland ist unter Ökonomen eine Debatte um die Target 2-Salden[2] – das Zahlungsverkehrssystem des Euroraums – entbrannt, welche es mittlerweile in fast alle grossen Tageszeitungen geschafft hat. Dabei geht es um die Frage, ob und inwiefern immer weiter ansteigenden Target 2-Salden fĂŒr Deutschland und deren BĂŒrger ein Problem darstellen. Entscheidend ist: So lange die Eurozone Bestand hat, LĂ€nder – wie Italien – nicht aus dem Euro austreten und die Aktiven der nationalen Notenbanken im Eurosystem sich als werthaltig erweisen, sind die Target 2-Salden an sich kein Problem. Das gewaltige Auseinanderdriften der Salden seit der Finanzkrise ist eigentlich ein Symptom dafĂŒr, dass die Eurozone ein dysfunktionaler WĂ€hrungsraum darstellt.

Abbildung 2: Entwicklung der Target-Salden im Euroraum (Quelle FAZ)[3]

Bereits vor der EinfĂŒhrung des Euros wurde der geplante WĂ€hrungsraum von einer Grosszahl an Ökonomen[4] schwer kritisiert. Unter anderem deshalb, weil die geplante WĂ€hrungsunion rein auf politischen Überlegungen basierte und ökonomische Gedanken aussenvorgelassen wurden. So liest sich die Doktorarbeit Seigniorage, Defizite, Verschuldung und EuropĂ€ische WĂ€hrungsunion des heutigen SNB-PrĂ€sidenten Thomas Jordan heute, mehr als 20 Jahre spĂ€ter, «wie der Fahrplan fĂŒr die Eurokrise.»[5] Bis heute ist der europĂ€ische WĂ€hrungsraum ein WĂ€hrungsraum mit sehr grosser ökonomischer und zunehmend auch politischer Divergenz[6]. Die fĂŒr einen WĂ€hrungsraum essentielle ArbeitsmarktmobilitĂ€t ist innerhalb Eurozone aus kulturellen und sprachlichen GrĂŒnden viel tiefer als zum Beispiel in den USA. Daneben fehlt es dem europĂ€ischen WĂ€hrungsraum bis heute an den nötigen Anpassungsmechanismen[7] und einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik – insbesondere Fiskalpolitik.

Ein Ende mit Schrecken oder ein Schrecken ohne Ende

Im Gegensatz zur tiefen MobilitĂ€t des Arbeitsmarktes sind diese Aspekte korrigierbar und so gehen auch einige der ReformvorschlĂ€ge des französischen PrĂ€sidenten Macron in diese Richtung[8]. Es ist jedoch Ă€usserst fraglich, ob die Schaffung von Anpassungsmechanismen und einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik politisch mehrheitsfĂ€hig sind. Zudem ist zu befĂŒrchten, dass solche Massnahmen zu einer noch grösseren politischen Divergenz innerhalb Europas fĂŒhren wĂŒrden. Es ist zudem auch aus ökonomischer Sicht Ă€usserst fraglich, ob eine weitere Zentralisierung die Probleme der Eurozone wirklich löst. Es ist eher wahrscheinlich, dass die Eurozone auch mit diesen Änderungen ein dysfunktionaler WĂ€hrungsraum bleibt. Die Eurozone befindet sich deshalb in einem Dilemma zwischen einem Ende mit Schrecken oder einem Schrecken ohne Ende. Eigentlich mĂŒsste man die Eurozone geordnet zurĂŒckbauen, da sich die DysfunktionalitĂ€t des WĂ€hrungsraums kaum beheben lĂ€sst. Ein geordneter RĂŒckbau ist jedoch kaum möglich, respektive mit gigantischen Kosten verbunden. Zum einen wĂŒrden LĂ€nder wie Deutschland der totale Verlust ihrer Target 2-Forderungen drohen. Im Falle Deutschlands belaufen sich diese Forderungen mittlerweile nahezu 1000 Milliarden. Zum anderen ist auch bei einem geordneten RĂŒckbau das Risiko sehr gross, dass es zu einem Börsencrash und einer Bankenkrise kommt – einem Ende mit Schrecken. Die LĂ€nder der Eurozone sind gefangen in einem Meer aus Krediten und gegenseitigen AbhĂ€ngigkeiten. Da sich die grundsĂ€tzlichen Probleme des Euroraums kaum beheben lassen, stellt die Alternative zum RĂŒckbau, der Erhalt des WĂ€hrungsraums, keine bessere Option dar. Sie ist mehr ein Schrecken ohne Ende.

Paradoxerweise sorgen die steigenden Target-2-Forderungen dafĂŒr, dass die Auswirkungen einer Bereinigung immer grösser werden und viele Verantwortliche ein Schrecken ohne Ende einem Ende mit Schrecken vorziehen. Die ganze Situation erinnert stark an die Grosse Depression der 1930er Jahre, als Europa und die USA in den Fesseln des Goldstandards gefangen waren. Erst das Ende mit Schrecken, der Ausstieg aus dem Goldstandard und die darauffolgende Abwertung, ermöglichte das Ende der Krise[9].


[1] https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2012/html/sp120726.en.html

[2] Eine genauere ErlÀuterung, was Target 2-Salden sind, findet sich her: https://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Aufgaben/Unbarer_Zahlungsverkehr/TARGET2/TARGET2_Saldo/target2_saldo.html

[3] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/das-target-saldo-der-bundesbank-liegt-bei-1000-milliarden-euro-15694675.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0

[4] Neben Jordan kritisierten unzĂ€hlige andere renommierte Ökonomen wie Milton Friedman oder Martin Feldstein die geplante WĂ€hrungsunion.

[5] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/thomas-jordan-der-euro-prophet-11607183.html

[6] Insbesondere Feldstein warnte davor, dass der europĂ€ische WĂ€hrungsraum neben ökonomischen Problemen auch zu politischen Spannungen fĂŒhren werde (siehe Fussnote 4).

[7] Siehe http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/martin-feldstein-im-interview-der-euro-hat-wirtschaftlich-enorm-geschadet-13889760.html

[8] https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-04/eu-reform-emmanuel-macron-frankreich-parlament-reaktionen-deutschland

[9] Eichengreen, B. (1992). Golden Fetters: The Gold Standard and the Great Depression, 1919-1939.


Die Schweizer Immobilienblase – eine SpĂ€tfolge der Negativzinsen?

Der Zusammenbruch der Spar+Leihkasse Thun im Oktober 1991 gilt neben dem Untergang der Swissair als einer der grossen Schandflecke der modernen Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Der Konkurs der Regionalbank war jedoch nur ein Höhepunkt einer Krise, welche die Schweiz ĂŒber Jahre prĂ€gen sollte. Als die Immobilienblase zu Beginn der 90er Jahre platzt, geht nicht nur die Spar und Leihkasse Thun unter. Viele andere Banken sterben mit ihr beziehungsweise werden von den Grossen geschluckt. Auch die Grossbank Schweizerische Volksbank ĂŒberlebt die Immobilienkrise nicht. 1993 wird sie von der Credit Suisse ĂŒbernommen. Es ist ein regelrechtes Massensterben: «Von 625 Banken 1990 schliesst bis 1995 jede dritte ihre Pforten»[1]

Die allgemeine Lehrmeinung besagt, dass die Interventionen der SNB nach dem Börsencrash vom 19. Oktober 1987, dem Schwarzen Montag, die Spekulationen am Immobilienmarkt zuerst ĂŒberborden liess und die drauf folgende Gegenreaktion der SNB, welche die kurzfristigen Zinsen auf ĂŒber 8% hochschnellen liess, die Blase zum Einsturz brachte. Eine Seminararbeit, welche ich zusammen mit zwei Kommilitonen an der UniversitĂ€t ZĂŒrich geschrieben habe, kommt zum Schluss, dass diese beiden Aspekte nur ein Teil des ganzen Puzzles sind[2]. Die Interventionen der SNB nach dem Börsencrash haben die Blase zwar zum Platzen gebracht, sie sind jedoch nicht der Ursprung der Blase. Auch ohne den Börsencrash und seine Folge wĂ€re die Blase am Schweizerischen Immobilienmarkt frĂŒher oder spĂ€ter geplatzt.

Abbildung 1: Immobilienindices (Balmer et al., Datenquelle: WĂŒest Partner)[3]

Die Schweizerische Immobilienblase nimmt ihren Anlauf bereits in der zweiten HĂ€lfte der 70er Jahre. Nach dem die Immobilienpreise zwischen 1973 und 1976 um rund 15% gefallen waren, begannen die Preise ab 77/78 kontinuierlich zu steigen und die Anzahl Transaktionen auf dem Immobilienmarkt erreichten Ende der 70er Jahre einen Rekordwert[4]. Bis Ende 1982 stiegen die Preise um fast 50%. Angetrieben wurde diese erste Phase des Booms von einem Tiefzinsumfeld. Im Verlauf der krisengeschĂŒttelten 70er Jahre sah sich die SNB gezwungen zuerst Negativzinsen einzufĂŒhren und spĂ€ter auch noch einen Mindestkurs gegenĂŒber der D-Mark[5]. Dieses gĂŒnstige Finanzierungsumfeld ermöglichte Spekulanten wie Peter KrĂŒger[6] den Einstieg in den Immobilienmarkt.

Abbildung 2: Zinsprognose fĂŒr den Zeitraum von 1975 bis 2017 (Balmer et Al., 2018)

Mithilfe eines Regressionsmodels, welches auf dem Zeitraum 1997 bis Mitte 2011 basiert, konnten wir aufzeigen, dass die Zinsen sowohl in den 70er Jahren als auch in den 80er Jahren zu tief waren. Anhand dieser SchĂ€tzung und der Erkenntnis, dass Zinsen einen signifikanten Einfluss auf die Immobilienpreise in den 80er Jahren hatten, kamen wir zum Schluss, dass die expansive Geldpolitik der SNB der 70er und 80er Jahre wohl den Grundstein gelegt hat fĂŒr die grösste Spekulationsblase in der Schweizerischen Wirtschaftsgeschichte. Eine weitere Erkenntnis der Arbeit ist zudem, dass die Krisenpolitik der SNB in den 90er Jahren zu konservativ war und die Zinsen dadurch zu hoch blieben, was die Krise wohl verschĂ€rfte und in die LĂ€nge zog.


[1] https://www.fuw.ch/article/die-schweizer-immobilienblase-der-neunzigerjahre/

[2] Seminarpaper: Schweizer Immobilienblase – Ein Kredit Boom geht schief

[3] Vertikale Linien: gestrichelte Linie = Börsecrash 87, erste schwarze Linie = Höhepunkt Index EinfamilienhÀuser, zweite schwarze Linie = Höhepunkte des letzten Index (Mietwohnungen)

[4] Abbildung 3: Preise fĂŒr Wohnbauland kantonale Entwicklung seit 1974 (https://statistik.zh.ch/internet/justiz_inneres/statistik/de/aktuell/mitteilungen/2018/boden_webtool.html)

[5] https://www.nzz.ch/wirtschaft/wie-die-negativzinsen-in-den-siebziger-jahren-verpufften-1.18504392

[6] Siehe https://www.fuw.ch/article/die-schweizer-immobilienblase-der-neunzigerjahre/


Vollgeld – Wer soll unser Geld herstellen?

«Im Tauschverkehr des Marktes nimmt das Geld seine Stellung als allgemein gebrÀuchliches Tauschmittel ein.» (Mises, 1924, S. 2)

In einer Wirtschaftsordnung, welche auf Arbeitsteilung, Privateigentum und Markt basiert, spielt Geld eine zentrale Rolle. Trotz dieser zentralen Rolle wird die Frage nach der Ausgestaltung und der Kontrolle des Geldwesens selten diskutiert. DafĂŒr gibt es viele verschiedene GrĂŒnde. Einerseits nimmt das Geldwesen selbst in ökonomischen Standardwerken – wie Economics von Mankiw & Taylor (2014) oder Mirkoökonomie von Stiglitz und Walsh (2010) – oft nur eine Nebenrolle ein. Anderseits ist das Geldwesen und dessen Ausgestaltung einiges komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Dies zeigt sich zum Beispiel schon daran, dass viele Menschen – insbesondere auch Politiker und viele Ökonomen – fĂ€lschlicherweise davon ausgehen, dass die Ausgestaltung und die Kontrolle des Geldwesens durch eine Zentralbank vollstĂ€ndig unter der Kontrolle des Staates seien. Dabei sind die heutigen Geldsysteme Mindestreserve-Systeme und funktionieren zweistufig. Fiat-Geld wird von einer Notenbank ausgegeben und Giralgeld wird von den GeschĂ€ftsbanken als Kreditgeld geschaffen, welches mit einer Reserve an Fiat-Geld hinterlegt ist. (Birchler & Rochet, 2017, S. 7). WĂ€hrend der Grossen Depression stand dieses System in der Kritik. Eine Gruppe von Ökonomen um Henry C. Simons von der UniversitĂ€t Chicago schlugen 1933 mit dem «Chicago Plan» ein Vollreserve-System vor (Minsch & Eugster, 2016, S. 7). Die Kritik am Mindestreserve-System wurde im Zuge der Finanzkrise wiederaufgenommen und basierend auf den Ideen von damals wurde das Konzept «Vollgeld» entwickelt und in der Schweiz die Volksinitiative «Vollgeld» eingereicht. Die Initiative stellt damit die grundsĂ€tzliche Frage, wer unser Geldwesen kontrollieren und welche Rolle der Staat dabei spielen soll. Eine Frage mit der sich auch schon Alfred-Nobel-GedĂ€chtnispreistrĂ€ger Milton Friedman und Anna Schwartz beschĂ€ftigten (Has Government Any Role in Money?, 1986).

Die vorliegende Arbeit diskutiert die ökonomischen Argumente, welche fĂŒr und welche gegen Vollgeld sprechen. In einem ersten Schritt werden sowohl das Mindestreservesystem als auch das Vollgeld-System vorgestellt, zudem wird mit dem freien WĂ€hrungswettbewerb, wie es Friedrich August von Hayek vorschwebte (The Denationalization of Money, 1976), eine Alternative vorgestellt, welche im Gegensatz zu Vollgeld steht und die Rolle des Staates im Geldwesen eliminieren will. In einem zweiten Schritt werden die ökonomischen Argumente, welche fĂŒr ein Vollgeld-System sprechen aufgezeigt und erlĂ€utert. In einem dritten Schritt werden die ökonomischen Argumente, die gegen ein Vollgeld-System sprechen, aus drei verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Darauf folgt abschliessend ein Fazit, welches die diskutierten Argumente und deren Implikationen zusammenfasst.

Diskussionspapier: Vollgeld – Wer soll unser Geld herstellen


Das linke Gejammer ĂŒber wissenschaftliche Berechnungen zur Altersvorsorge

Die Abstimmung ĂŒber die Altersvorsorge 2020 ist zwar erst Ende September, aber der Abstimmungskampf ist bereits jetzt in vollem Gange. Dies liegt wohl daran, dass es dabei um die zentralsten Einrichtungen des Schweizer Sozialstaates[1] geht: AHV und Pensionskassen. So verwundert es auch nicht, dass dieser Abstimmungskampf bereits in dieser frĂŒhen Phase hochemotional und teilweise unter der GĂŒrtellinie[2] gefĂŒhrt wird. Doch nicht nur die Emotionen spielen eine zentrale Rolle, auch die ökonomischen und finanziellen Folgen sind ein zentrales Thema, geht es bei der AHV und den Pensionskassen doch um hunderte von Milliarden, welche umverteilt beziehungsweise angelegt werden. Die Pensionskassen verwalten heute ein Vermögen von mehr als 800 Milliarden[3] und in der AHV werden jĂ€hrlich ĂŒber 40 Milliarden[4] an Rentnerinnen und Rentner ausbezahlt. Welche gigantischen Summen dies sind erkennt man, wenn man diese Zahlen mit Bruttoinlandprodukt der Schweiz von 645 Milliarden[5] vergleicht. Dieser Vergleich lĂ€sst erahnen, welche Auswirkungen eine Reform der beiden Eckpfeiler des Drei-SĂ€ulenmodels[6]auf die Schweizer Volkswirtschaft haben könnte. Auch die finanziellen Auswirkungen fĂŒr einzelne Personen und Generationen sind nicht zu unterschĂ€tzen, wie zum Beispiel die Berechnungen der NZZ am Sonntag zeigten[7].

Wer ist der Pseudowissenschaftler?

Dieser Artikel und insbesondere die Reaktionen von linker Seite auf selbigen und andere Studien sind der Anstoss fĂŒr diesen Artikel. So kritisierte der linke Ökonom und ehemalige SP-Nationalrat Rudolf Strahm in seiner Kolumne im Tagesanzeiger[8] insbesondere die Studie der UBS[9] als billige «Stimmungsmache gegen sichere Renten» oder als «pseudowissenschaftliche Angstmacher-Studie». Dabei ist es eher Herr Strahm, welcher in pseudowissenschaftlicher Manier gegen diverse Studien schiesst. Er stĂŒtzt sich bei seinen Aussagen zwar auf Aussagen und Zahlen des BSV[10]. Doch gerade mit den Zahlen des BSV kommt man auf ziemlich Ă€hnliche Zahlen wie in der Studie der UBS (Fussnote 7). Zudem fragt man sich, wieso Ökonom Strahm nicht selbst eine Studie verfasst mit welcher er die Erkenntnisse der UBS-Studie widerlegt. Es liegt die Vermutung nahe, dass er die Erkenntnisse und Zahlen der UBS nicht widerlegen kann. Des Weiteren hat Herr Strahm den Sinn und Zweck von Langzeitberechnungen bzgl. der AHV nicht wirklich verstanden. Wieso solche technische Bilanzen sinnvoll sind, hat meine ehemalige Professorin Monika BĂŒtler in ihrer NZZ Kolumne[11] sehr gut dargelegt.

NZZ – die Ahnungslosen?

Die Reaktion von Herr Strahm blieb nicht die Einzige auf linker Seite. Auch der ehemalige PrĂ€sident der JUSO und heutige Nationalrat CĂ©dric Wermuth kritisierte die Studien und Artikel aufs heftigste. So stempelte er den Artikel der NZZ am Sonntag als «doch eher billige Polemik gegen die AV2020»[12] ab. Dabei erklĂ€rt der Politikwissenschaftler Wermuth, dass die renommierteste Wirtschaftszeitung des Landes keine Ahnung von Ökonomie habe und die Funktionsweise der Altersvorsorge sowieso nicht verstanden habe. Aber der Reihe nach. Zuerst beschwert sich Wermuth ĂŒber den, aus seiner Sicht, zu reisserischen Titel des Artikels, dabei sollte er doch langsam wissen, wie Journalismus bis zu einem gewissen Punkt funktioniert. In der Folge verdreht er das Hauptargument der Gegner der Altersreform 2020 «Die Jungen bezahlen die Zeche fĂŒr diese Reform» in «Die Jungen bezahlen mit dieser Reform die Renten der Alten!». CĂ©dric Wermuth macht hier also genau dasselbe, was er seinen Gegnern vorwirft: Er verdreht die Fakten so, dass sie seine Argumentation stĂŒtzen.

AHV – ein ökonomisches Wunderwerk?

Darauf folgt der interessanteste Teil: In dem Wermuth die AHV und ihr Umlageverfahren zu einem ökonomischen Wunderwerk hochstilisiert und das Kapitaldeckungsverfahren zum ökonomisches Desaster verklĂ€rt. So behauptet er, dass die AHV Umverteilung von der erwerbstĂ€tigen Bevölkerung zu den Rentnern zu mehr Konsum und mehr Nachfrage fĂŒhre und im Endeffekt sogar die Arbeitslosigkeit senken und die Wirtschaft stĂ€rken wĂŒrde. Bei seiner BegrĂŒndung stĂŒtzt sich Wermuth mehrheitlich auf den Ökonom Werner Vontobel[13]. Ausgehend von der Leistungsbilanz erklĂ€rt er, dass Schweizerinnen und Schweizer unter ihren Möglichkeiten konsumieren, weil sie aufgrund des LeistungsbilanzĂŒberschusses Jahr fĂŒr Jahr Kapital in die Welt exportieren. So argumentiert Wermuth, dass Schweizerinnen und Schweizer mehr konsumieren sollten und dies am einfachsten zu erreichen sei, wenn man den Rentnern mit Hilfe der AHV mehr Geld zur VerfĂŒgung stelle, da diese heute ein tieferes Konsumniveau haben. Die Argumentation von Wermuth und Vontobel geht wohl zum einen auf die fehlerhafte Annahme vieler Keynesianer zurĂŒck, dass mehr Konsum auf Kosten von Investitionen (bzw. Sparen) immer gut ist[14], obwohl diese Annahme nicht einmal von den keynesianischen Modellen gestĂŒtzt wird. Zum anderen unterscheidet Ökonom Vontobel nur unzureichend zwischen Konsum und Investitionen[15], obwohl diese Unterscheidung essentiell ist.

Es ist zwar richtig, dass wir aufgrund der hohen Exporte mehr konsumieren könnten, es ist jedoch sehr fraglich, ob dies wirtschaftlich sinnvoll ist und ob dieser Konsum nicht mehrheitlich zu einer Erhöhung der Importe fĂŒhrt, welche den positiven Effekt des höheren Konsums wieder zunichte macht[16]. Zudem fĂŒhren die Auslandsinvestitionen (Kapitalexport) langfristig zu einer Erhöhung des Volkseinkommens ĂŒber auslĂ€ndische Kapitaleinkommen. Des Weiteren unterschlĂ€gt Wermuth die OpportunitĂ€tskosten der AHV bzw. eines AHV Ausbaus. AHV Gelder werden von ErwerbstĂ€tigen zu Rentnern umverteilt, in Folge dessen stehen diese Gelder den ErwerbstĂ€tigen nicht mehr zur VerfĂŒgung und diese können selbst weniger konsumieren oder investieren.

Es lĂ€sst sich festhalten, dass eine simple Umverteilung wie sie bei der AHV per Umlageverfahren geschieht, nicht zu einer Erhöhung der Nachfrage fĂŒhrt, da dadurch kein Mehrwert geschaffen wird: Die Menge an Ressourcen und Kapital bzw. Volkseinkommen bleibt unverĂ€ndert. Ein positiver Effekt auf das Volkseinkommen ist zwar denkbar, wenn die Rentner mit dem umverteilten Kapital effizienter umgehen als die ErwerbstĂ€tigen[17]. Dieser Fall ist jedoch sehr unwahrscheinlich, weil es sonst einen freiwilligen und marktwirtschaftlichen Anreiz gĂ€be, diese Gelder von sich aus umzuverteilen. Die AHV ist zwar kein ökonomisches Wunderwerk und hat auf das Volkseinkommen praktisch keine positive Wirkung, ist jedoch fĂŒr viele Rentner eine wichtige Einkommensquelle und hat deshalb eine grosse ökonomische Bedeutung.

Kapitaldeckungsverfahren – ein kapitaler Fehler?

Ebenfalls eine grosse ökonomische Bedeutung hat die 2. SĂ€ule, die berufliche Vorsorge (BVG) (siehe Absatz 1). Aus der Sicht von CĂ©dric Wermuth bzw. Ökonom Vontobel sind die Pensionskassen aber ein ökonomischer Fehler: «In der Schweiz „versickert“ zu viel Rentenvolumen in der 2. SĂ€ule.». Auch hier kommt wieder die falsche Annahme «Konsum ist besser als Sparen» zum Tragen. Zudem behauptet CĂ©dric Wermuth mehr oder weniger, dass investieren «in Zeiten von ÜberschĂŒssen bei Unternehmen und Staat sinnlos ist, weil das Geld nirgends angelegt werden kann. Daraus resultiert dann auch der Druck auf den Umwandlungssatz.» Es ist zwar richtig, dass wir heute ein Anlageproblem haben, weil die Renditen an den KapitalmĂ€rkten weltweit im Keller sind. Dies liegt jedoch nicht am von Wermuth behaupteten Zusammenhang, welcher im Übrigen falsch ist[18], sondern an der ultraexpansiven Geldpolitik der Zentralbanken, welche wir nun seit fast zehn Jahren erleben[19]. Zudem resultiert der Druck auf den Umwandlungssatz in der 2. SĂ€ule in erster Linie durch die stetig steigende Lebenserwartung und erst in zweiter Linie durch das anhaltende Tiefzinsumfeld[20]. Das schlecht Reden der 2. SĂ€ule hat leider seit lĂ€ngerem System. Schaut man die Sache jedoch empirisch an, so ist die 2. SĂ€ule und mit ihr das Kapitaldeckungsverfahren ein voller Erfolg. Der Erfolg geht sogar so weit, dass man heute den allermeisten Rentnern[21] höhere Renten auszahlen könnte, wenn man die AHV ebenfalls nach dem Kapitaldeckungsverfahren konstruiert hĂ€tte[22].


[1] http://www.geschichtedersozialensicherheit.ch/home/

[2] https://twitter.com/AGmur/status/879274600974233600

[3] http://www.handelszeitung.ch/unternehmen/pensionskassen-erholen-sich-vom-snb-schock-739994

[4] https://www.nzz.ch/schweiz/zahlen-und-fakten-zur-altersvorsorge-ahv-fonds-dreht-ins-minus-ld.110198

[5] https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/volkswirtschaft/volkswirtschaftliche-gesamtrechnung/bruttoinlandprodukt.html

[6] Das Schweizer Altersvorsorgesystem besteht aus 3. SÀulen: AHV (& IV), Pensionskassen und Private Vorsorge

[7] https://nzzas.nzz.ch/notizen/rentenreform-hohe-verluste-fuer-junge-bis-jahrgang-1974-ld.1301475

[8] http://www.rudolfstrahm.ch/stimmungsmache-gegen-sichere-renten/

[9] https://www.ubs.com/ch/de/swissbank/privatkunden/vorsorge/studien-analysen/_jcr_content/par/columncontrol_640435765/col1/linklist/link.1717503980.file/bGluay9wYXRoPS9jb250ZW50L2RhbS91YnMvY2gvc3dpc3NiYW5rL3ByaXZhdGUvaW5zdXJhbmNlL2RvY3VtZW50cy9hbHRlcnN2b3Jzb3JnZS1kZS5QREY=/altersvorsorge-de.PDF

[10] Bundesamt fĂŒr Sozialversicherungen

[11] http://www.batz.ch/2017/06/rueckwaerts-im-ahv-zug-und-es-ist-allen-wohl-dabei/

[12] http://cedricwermuth.ch/nzz-am-sonntag-mit-doch-eher-billiger-polemik-gegen-die-av2020/

[13] http://www.werner-vontobel.ch/index.cfm?tem=1&spr=0&hpn=2&new=42

[14] http://www.misesde.org/?p=12875

[15] http://www.werner-vontobel.ch/index.cfm?tem=1&spr=0&hpn=2&new=48, Siehe letzter Absatz

[16] Gesamtwirtschaftliche Nachfrage einer offenen Volkswirtschaft: Y = C + I + G + EX – IM

[17] Wermuth und Vontobel setzen mit ihrer falschen Annahme «Konsum ist besser als Sparen» diesen Fall voraus. Sparen ist jedoch mindestens genauso wichtig. Sparen ist unverzichtbar: http://www.misesde.org/?p=12875, Absatz 6.

[18] Es ist zwar richtig, dass sich in einem solchen Umfeld Investitionen wohl geringere Renditen abwerfen, weil die Zinsen in solchem Umfeld in der Regel tiefer sind. Dies heisst aber noch lange nicht, dass Investieren sinnlos ist. Des Weiteren ist es so, dass die Welt noch nie so verschuldet war wie heute. ÜberschĂŒsse von Staat und Privaten sind deshalb dringend nötig.

[19] https://www.srf.ch/sendungen/wirtschaftswoche/die-finanzmaerkte-sind-verzweifelt

[20] http://www.dringendereform.ch/news/2017-04-24-warum-der-umwandlungssatz-gesenkt-werden-muss

[21] Die Subventionen des Bundes an die AHV von rund 11 Milliarden wĂŒrden wegfallen und diese könnten zum Teil dazu verwendet werden um die wenigen Rentner, welche in diesem Szenario schlechter gestellt werden, zu «entschĂ€digen».

[22] Berechnungen von P. Eugster (2016) an Hand von Zahlen des BFS, http://www.tgl.ch/fileadmin/user_upload/tgl_uploads/Pictet_Shares_Empirical_study_de_1_.pdf und https://www.ch.ch/de/ahv-rente-berechnen/. So wĂŒrde zum Beispiel ein Rentner, welcher 2014 pensioniert wurde und davor den Medianlohn von rund 6200 Fr./Monat verdiente rund 600-700 Franken mehr Rente pro Monat erhalten.


Der â€Ș‎Brexit ist weder gut noch schlecht, er ist, was wir EuropĂ€er daraus machen.

Mit Sicherheit stehen Europa grosse Herausforderungen bevor, doch um ehrlich zu sein, vor diesen Herausforderungen wĂŒrde Europa und die EU auch ohne den Brexit ĂŒber kurz oder lang stehen. Europa und die EU haben sich ĂŒber Jahre in die Sackgasse manövriert. Jetzt gilt es endlich einzusehen, dass es so nicht weitergehen kann. Es muss sich etwas Ă€ndern! Wenn nicht jetzt, wann dann?

Europa braucht eine Vision von Wettbewerb, Freiheit, Demokratie und Föderalismus. DafĂŒr braucht es keine allmĂ€chtige EuropĂ€ische Union, welche von BrĂŒssel aus in zentralistischer und undemokratischer Art und Weise fĂŒr das “Wohl” Europas sorgt. Was es aber auch nicht braucht ist blinder Nationalismus.
Es braucht Reformen. Es braucht ein offenes und liberales Europa, das auch akzeptiert, wenn LĂ€nder selber föderal und demokratisch entscheiden – ihre Kompetenzen und Entscheidungen nicht an ĂŒbergeordnete Organisationen abgeben.

Das Wohl Europas beginnt nicht in BrĂŒssel bei der EU, sondern in den Köpfen der BĂŒrger dieses Kontinents. Die Zukunft beginnt jetzt.


Ökonomie: Der Kampf der Ideologien

Hinter dieser Frage steht das Grundsatzproblem jeder Wissenschaft. Wissenschaftliche Erkenntnis und Arbeiten werden beeinflusst von den eigenen Vorstellungen, Wertehaltungen, Erfahrungen und vielen weiteren persönliche Faktoren. Dies fĂŒhrt dazu, dass ein Wissenschaftler bereits im vornherein eine Wunschvorstellung von den herauszufindenden Ergebnissen und deren Implikationen hat. In den exakten Wissenschaften wie der Mathematik ist dies kein grosses Problem, weil es in solchen Gebieten nur richtig oder falsch gibt und der Interpretationsspielraum damit sehr klein ist. In anderen wissenschaftlichen Disziplinen, zum Beispiel der Biologie, können Feldforschung und Beobachtung zur Wahrheitsfindung beigezogen werden und eine Hypothese kann so ebenfalls relativ rasch widerlegt werden. In der Ökonomie ist dies jedoch nicht der Fall. Wie bei allen Sozialwissenschaften ist eine Bestimmung von exakten Gesetzen nur sehr schwer möglich und der Interpretationsspielraum bleibt offen. Neben dem Faktor des persönlichen Einflusses gibt es in der Ökonomie noch einen zweiten ebenso wichtigen Faktor, welcher die Theorie mitprĂ€gt: Die Gesellschaft. Hier sind die aktuellen Geschehnisse, die Politik, die sozialen ZustĂ€nde der Gesellschaft und die vorherrschenden Paradigmen gemeint. Dies kann dazu fĂŒhren, dass die entstehende wissenschaftliche Arbeit und Theorie nicht frei von Werturteilen ist, sondern von den aktuellen UmstĂ€nden und dem eigenen Weltbild geprĂ€gt ist. Richtig problematisch wird es als Ökonom, wenn man sich einer gewissen ökonomischen Denkschule zuordnet. So verstĂ€rkt sich die Gefahr, dass man die Forschung nicht neutral sondern durch die Brille der eigenen Vorstellungen und der Denkweise jener Schule betrachtet. Konsequenterweise fĂŒhrt dies zu einer stĂ€rkeren Identifizierung mit der Denkschule und der eigenen Vorstellung und entsprechend zu einer Ablehnung der anderen Denkrichtungen. Im Extremfall fĂŒhrt es sogar zu einem Richtungsstreit zwischen verschiedenen Ideologien, in welchem es nur darum geht die andere Denkschule zu wiederlegen.

Der berĂŒhmteste Richtungsstreit dieser Art in der Ökonomie ist wohl der Methodenstreit zwischen Gustav von Schmoller und Carl Menger Ende des 19. Jahrhunderts und Anfangs des 20. Jahrhunderts, in dem es schliesslich mehr um Machtpolitik als um akademische Erkenntnisse ging und der die Entwicklung der ökonomischen Lehre in Deutschland hemmte. Hier kann man aber auch die These vertreten, dass dieser Streit NĂ€hrboden fĂŒr neue Ideen und Denkrichtungen bildete. So entwickelt sich im Nachgang und als Folge des Methodenstreits die österreichische Schule der Nationalökonomie. Ein Diskurs mit Ă€hnlichen Motiven ist die Debatte des 20. Jahrhunderts ĂŒber die Rolle des Staates, welche im Nachgang zur Grossen Depression, zwischen dem Keynesianismus, dem Monetarismus und der österreichischen Schule um Friedrich von Hayek entbrannte und bis heute andauert. Insbesondere Milton Friedman und Hayek fĂŒhrten einen oft ideologisch geprĂ€gten Kampf gegen den Keynesianismus und die Thesen von Keynes. Die ideologische PrĂ€gung von Friedman lĂ€sst sich gut an einem berĂŒhmten Zitat von ihm illustrieren: „WĂ€re die freie Marktwirtschaft nicht das effizienteste System, ich wollte sie trotzdem – wegen der Werte, die sie reprĂ€sentiert: Wahlfreiheit, Herausforderung, Risiko.“(1). Auch wenn diese Debatte sehr ideologisch geprĂ€gt war und auch immer noch ist, hat sie den Weg fĂŒr eine ungemeine Vielfallt von neuen ökonomischen Ideen und Werken bereitet. Obwohl die meisten dieser Werke vor einem ideologischen oder politischen Hintergrund entstanden sind, ist diese Entwicklung trotzdem positiv zu werten, denn durch den Wettbewerb der Ideen entstehen Innovationen und Weiterentwicklungen der Wissenschaft und so geschieht wohl auch eine AnnĂ€herung an die RealitĂ€t. Dies funktioniert aber nur, wenn der Diskurs beziehungsweise die Handlung nicht nur rein ideologisch oder politisch geprĂ€gt ist, sondern eben auch von einem gegenseitigen Respekt.

Ein Beispiel fĂŒr blinden Idealismus, ist die EinfĂŒhrung des Euros Ende des 20. Jahrhunderts in Europa. Dabei wurden die Bedenken von unzĂ€hligen bekannten Ökonomen – wie Martin Feldstein, Milton Friedman oder dem heutigen SNB-PrĂ€sidenten Thomas Jordan – bewusst ignoriert. Der Euro wurde damals aus rein politischen und nicht aus ökonomischen GrĂŒnden eingefĂŒhrt. Deshalb verwundert es auch nicht, dass die damals angesprochenen MĂ€ngel der WĂ€hrungsunion bis heute nicht beseitigt sind. Verdeutlicht wird dies von einer Aussage von Martin Feldstein vom Oktober 2015 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Die Eurozone hat nicht die Anpassungsmechanismen, die es in den Vereinigten Staaten gibt, vor allem die Umverteilung durch die Steuer- und Sozialsysteme.“(2). Es ist eines jener Argumente, welches er 1997 in seiner Eurokritik in der Zeitschrift Foreign Affairs verwendete. Selbiges PhĂ€nomen lĂ€sst sich ĂŒbrigens auch bei der europĂ€ischen Staatsschuldenkrise beobachten. Obwohl sich lĂ€ngst abzeichnet, dass die AusteritĂ€tspolitik Europas gescheitert ist und von unzĂ€hligen Ökonomen verschiedener Denkrichtungen kritisiert wird, halten Politik und gewisse ökonomische Strömungen an dieser Theorie fest.

Welche RĂŒckschlĂŒsse lassen sich nun daraus auf die Frage zu Beginn ziehen. Zum einen haben die aufgefĂŒhrten Beispiele gezeigt, dass ideologische und politische Motive im ökonomischen Diskurs oft eine wichtige und entscheidende Rolle spielen. Eine Rolle spielt dabei auch das Grundsatzproblem der wissenschaftlichen Arbeit: Die Beeinflussung durch die eigne Persönlichkeit und das Umfeld. Ein Umstand welcher das Abbilden der RealitĂ€t in der ökonomischen Theorie erschwert. Jedoch konnte auch gezeigt werden, wie ein Diskurs zwischen Ideologie und Denkschulen durch einen Ideenwettbewerb zu einer AnnĂ€herung an die RealitĂ€t fĂŒhren kann. Problematisch wird das Ganze erst, wenn die Debatte oder Handlung nur noch auf rein politischen oder ideologischen Motiven und Aspekten gefĂŒhrt wird und blinder Idealismus herrscht.


 

1: Buomberger, T. (2006). Serie Ökonomen: Milton Friedman: Das höchste Gut heisst Freiheit. Bilanz – Das Schweizer Wirtschaftsmagazin.  http://www.bilanz.ch/unternehmen/serie-oekonomen-milton-friedman-das-hoechste-gut-heisst-freiheit

2: Plickert, P. (2015). Martin Feldstein im Interview:„Der Euro hat wirtschaftlich enorm geschadet“. Frankfurter Allgemeine Zeitung. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/martin-feldstein-im-interview-der-euro-hat-wirtschaftlich-enorm-geschadet-13889760.html


Marktversagen im heutigen Finanzsystem: (Mehr als) eine Illusion?

Es gibt Begebenheiten in denen der Markt unvollkommen ist und eine pareto-effiziente Allokation nicht zu Stande kommt. Solche FĂ€lle werden in der Ökonomie Marktversagen genannt. Das angebliche Versagen des Marktes ist die hĂ€ufigste BegrĂŒndung fĂŒr staatliche Eingriffe in den freien Markt. Seit der Finanzkrise von 2008 ist ein exorbitantes Wachstum solcher Staatseingriffe zu verzeichnen. Neue Regulierungen, welche vermeintliche Marktversagen in der Finanzbranche beheben sollen, schissen wie Pilze aus dem Boden (1). Dabei wird oft vernachlĂ€ssigt, dass Marktversagen auch ohne staatliche Eingriffe behoben werden kann (2). Zudem ist es bei einer solchen Anzahl und HĂ€ufung von staatlichen Eingriffen und der daraus resultierenden Regulierung fraglich, ob es sich dabei immer um ein Versagen des Marktes handelt.

Beispiele dafĂŒr gibt es in der Finanzindustrie zu Hauf. So wurde im Nachgang der Finanzkrise bemĂ€ngelt, dass die drei grossen Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch eine marktbeherrschende Stellung innehaben (95% Marktanteil). Mit neuer Regulierung soll dies bekĂ€mpft werden. Worauf diese Marktsituation zurĂŒckzufĂŒhren ist, interessiert selbstredend niemand. Tatsache ist, dass sie auf eine staatliche Massnahme von 1975 zurĂŒckzufĂŒhren ist. 1975 erklĂ€rte die US-Regulierungsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) die drei Institute zu Nationally Recognized Statistical Rating Organizations (NRSRO) und diese hatten so, fort an quasi einen öffentlichen Status (3). Erst dies ermöglichte ihnen eine derart marktbeherrschende Stellung zu erlangen. Nun sollen also neue Regulierungen diesen Fehler aus den 70er Jahren beheben. Es ist jedoch sehr bezeichnend, dass genau diese neuen Regulierungen mit gutgemeinten Kontrollmechanismen die Position der arrivierten Ratingagenturen schĂŒtzen und stĂ€rken (4).

Ein weiteres Beispiel, welches sich ebenfalls in der vergangenen Finanzkrise zeigte und ein schwerwiegendes Problem fĂŒr die StabilitĂ€t der Finanzwirtschaft darstellt, ist die zu geringe Eigenkapitalquote der (Gross-)Banken. Dieses Problem wurde nach der Finanzkrise zu recht aufgegriffen. Aber anstatt zu hinterfragen, wieso die meisten Banken mit zu tiefen Eigenkapitalquoten arbeiten, wurde das Problem mit neuer Regulierung (vgl. Basel III) ĂŒberlagert und so behoben, meint man zumindest. Dabei erkannten aber weder die Regulierungsbehörden noch die meisten Ökonomen die tieferliegenden Ursachen, geschweige den wurden diese angepackt. Finanzinstitute arbeiten grundsĂ€tzlich mit einer tieferen Eigenkapitalquote als Unternehmen aus anderen Branchen. Dies alleine ist jedoch nicht der Grund fĂŒr die sehr tiefen bisweilen zu tiefen Eigenmittelquoten vieler Banken. Der Grund ist wohl auf einen steuerlichen Anreiz, welcher auf der steuerlichen Ungleichbehandlung von Fremd- und Eigenkapital beruht, zurĂŒckzufĂŒhren. Zinsaufwand welcher bei Fremdkapital anfĂ€llt ist steuerlich als Betriebsaufwand vom Gewinn abziehbar, die Kapitalkosten des Eigenkapitals hingegen nicht (5). Dies fĂŒhrt dazu, dass Unternehmen generell auf tiefere Eigenkapitalquoten setzen, als dies aus rein marktwirtschaftlicher Optik geschehen wĂŒrde. Dieser Effekt ist insbesondere bei Publikumsgesellschaften ausgeprĂ€gt vorhanden. In den meisten FĂ€llen und Branchen ist der steuerliche Anreiz unproblematisch, weil die Eigenkapitalquote auch dann noch genug hoch ist (zum Beispiel 50% statt vielleicht 55%). Bei Banken und in der Finanzbranche generell ist dieser Anreiz jedoch problematisch und insbesondere bei grossen Publikumsgesellschaften – wie den Grossbanken – gefĂ€hrlich. Dies nicht nur fĂŒr die einzelne Bank, sondern fĂŒr das ganze Finanzsystem, da jene Banken meist systemrelevant sind und bei einem Konkurs das ganze Finanzsystem in die Tiefe ziehen könnte (6). Diese Tatsache zeigt, dass besagter steuerlicher Anreiz in der Finanzbranche ein Fehlanreiz ist, welcher zu unabsehbaren Folgen fĂŒhren kann. Leider wird dieser Fehlanreiz nur von Wenigen erkannt und von noch Wenigeren kritisiert. Man macht lieber neue Regulierungen, wie die Mindesteigenmittelanforderungen nach Basel III (7), welche nur die Symptome des Problems bekĂ€mpfen und nicht dessen Ursache: Ein staatlicher Fehlanreiz. Dies ist ein typisches Beispiel fĂŒr staatliches Versagen. Es ist einfacher neue Regulierungen zu erlassen, als die eigenen Fehler einzusehen und die staatlichen Anreize und Regulierungen von Grund auf zu hinterfragen.

Das Finanzsystem ist voll von solchen Beispielen. Dies hat dazu gefĂŒhrt, dass das Finanzsystem heute von A bis Z durchreguliert ist, es jedoch weder sicherer noch transparenter, geschweige den durchschaubarer geworden ist. Es ist wohl eher das Gegenteil der Fall. Von den Marktversagen, von welchen immer wieder gesprochen wird, ist bei dieser dichte an Regeln jedoch weit und breit nichts zu sehen. Viel mehr liegt der Schluss nahe, dass es sich in den allermeisten – wenn nicht in allen – FĂ€llen um ein Versagen des Staates handelt, welches nun durch neue staatliche Eingriffe gelöst werden soll. Dies tönt zwar paradox, ist aber mehr als plausibel, wenn man weiss wie staatliche Institutionen funktionieren und dass die politischen Parteien ungern ihre ideologischen GrundsĂ€tze ĂŒber Bord werfen.


 

1: Buomberger, P. (2014). Warum die Regulierungsflut kaum zu stoppen ist. Von avenir suisse: http://www.avenir-suisse.ch/42142/warum-die-regulierungsdichte-zunimmt/

2: Guyer, P. (2015). Mikroökonomie III FS 2015 – Vorlesung 5. St. Gallen: UniversitĂ€t St. Gallen.

3: Pfanzelt, S. (2012). Die Regulierung von Rating-Agenturen in den USA und der EU: Eine Analyse der „domestic sources“ divergenter Politikentscheidungen. Berlin: Freie UniversitĂ€t Berlin.

4: Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 Des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates. (2009). BrĂŒssel: Amtsblatt der Europäischen Union.

5: Dwenger, N. (2011). Besteuerung und Finanzierungsstruktur von Unternehmen. Von Max-Planck-Gesellschaft: https://www.mpg.de/1239059/Besteuerung_Finanzierungsstruktur

6: JĂ€ggi, S. (2010). EinfĂŒhrung in die Too-big-to-fail-Problematik. Von Die Volkswirtschaft – Plattform fĂŒr Wirtschaftspolitik: http://dievolkswirtschaft.ch/content/uploads/2010/12/j%C3%A4ggi.pdf

7: Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen fĂŒr widerstandsfĂ€higere Banken und Bankensysteme . (2011). Von Bank fĂŒr Internationalen Zahlungsausgleich: http://www.bis.org/publ/bcbs189_de.pdf


Notenbanker: Die Keynesianer des 21. Jahrhunderts – Die Verschmelzung von Monetarismus und Keynesianismus

Worin besteht dann der Unterschied? Einerseits im Umfang der eingesetzten Mittel, andererseits in den Motiven. Bei der monetaristischen Geldpolitik der 70er und 80er Jahre ging es darum, die Inflation ĂŒber die Geldmenge zu steuern, die Geldmenge jedoch gleichzeitig auch im Gleichgewicht mit der Wirtschaftsentwicklung zu halten. Ersteres ist auch heute Teil der Motivation Quantitative Easing zu betreiben. Zweiteres ist jedoch bei weitem nicht der Fall. Doch Inflationssteuerung ist bei weitem nicht das einzige Motiv. Das zentrale Motiv, auch wenn dies ein Mario Draghi oder ein Ben Bernanke nie zugeben wĂŒrden, ist die Ankurbelung der Wirtschaft durch die Notenpresse. Dies ist den Monetaristen um Milton Friedman ein sehr fernes Motiv, weil sie dessen Wirksamkeit in Abrede stellen.

Daher stellt sich die Frage woher diese Idee kommt. Die Idee hat ihre Wurzeln in der zweiten grossen ökonomischen Denkrichtung des 20. Jahrhunderts: dem Keynesianismus – begrĂŒndet durch John Maynard Keynes. Es ist jedoch eine ganz neue Form der keynesianischen Politik. Anstatt die Konjunktur mit Hilfe einer Ausweitung der Staatsetats wie dies die Keynesianer in den 50er und 60er propagierten, wird diese nun mit Hilfe der Notenbank und deren Etat – der Geldmenge – gemacht. Dies hat wohl zwei GrĂŒnde: Zum einen sind staatliche Konjunkturprogramme in den meisten westlichen Staaten politisch nicht mehrheitsfĂ€hig und die Schuldenlast bereits zu gross. Zum anderen ist die keynesianische Politik der Nachfragestimulation durch den Staat in den 70er Jahren  – wĂ€hrend der Öl-Krise – gescheitert. AnhĂ€nger der keynesianischen Politik fĂŒhren ins Feld, dass diese Politik mehr als 20 Jahre funktioniert habe und nur aufgrund von politischem Druck gescheitert sei. Dies ist jedoch falsch. Der Keynesianismus hatte ein ökonomisches Problem: Die Stagflation. Etwas was man auch heute immer wieder hört. Die Inflationszahlen und das Wirtschaftswachstum sind seit der Krise im Keller. Vieles spricht also dafĂŒr, dass die westliche Welt – wie in den 70er Jahren – in einer stagflationsĂ€hnlichen Situation steckt. Nun soll uns also eine durch den Monetarismus modifizierte Version des Keynesianismus aus dieser Krise fĂŒhren. Wenn man bedenkt, dass der Keynesianismus vor mehr als 40 Jahren genau an dieser Aufgabe scheiterte, erkennt man rasch, auf welchen Holzweg sich die Notenbanken begeben haben. Zu glauben die alte Politik, welche versagt hat, funktioniere nun, weil man die Instrumente zu deren AusfĂŒhrung geĂ€ndert hat, ist reichlich naiv.


Privacy Settings
We use cookies to enhance your experience while using our website. If you are using our Services via a browser you can restrict, block or remove cookies through your web browser settings. We also use content and scripts from third parties that may use tracking technologies. You can selectively provide your consent below to allow such third party embeds. For complete information about the cookies we use, data we collect and how we process them, please check our Privacy Policy
Youtube
Consent to display content from Youtube
Vimeo
Consent to display content from Vimeo
Google Maps
Consent to display content from Google