Denkfehler Elektroauto â Warum der Verbrenner eine Zukunft hat
Publiziert auf publikum.net
Auf den ersten Blick scheint die Frage, welcher Antrieb sich bei PKWs und LKWs durchsetzen wird einfach. Der Elektromotor ist der effizienteste Motor der Welt[1]. FĂŒr sich allein betrachtet ist ein Elektrofahrzeug, egal ob mit Batterie oder Brennstoffzelle – auch bekannt als Wasserstoffauto, jedem Auto mit Verbrennungsmotor in Sachen Effizienz meilenweit ĂŒberlegen. Doch wenn wir eine ganzheitliche Perspektive einnehmen, wird die Sache viel weniger klar.
Die gleiche Frage wie vor ĂŒber 100 Jahren
Auch vor ĂŒber hundert Jahren sah es zuerst so aus, als wĂŒrden sich Fahrzeuge mit Elektromotor durchsetzen. Doch Benzin und Diesel waren zu diesem Zeitpunkt extrem billig und in Sachen Reichweite und FlexibilitĂ€t konnte das Elektroauto mit dem Verbrenner einfach nicht mithalten. Unter diesen Voraussetzungen hatte das Elektroauto trotz viel höherer Effizienz schlicht keine Chance[2]. Nun scheint die Stunde des Elektroautos doch noch gekommen zu sein. Fossile Brennstoffe sind wegen ihres CO2-Ausstosses unter Druck und werden durch Steuern verteuert[3]. Gleichzeitig werden Fahrzeuge mit Elektromotor immer gĂŒnstiger. Doch bei der ganzen Euphorie um den Elektromotor gehen einige wichtige Aspekte unter.
Batterien und Brennstoffzellen brauchen viele Ressourcen
Die Herstellung von Batterien und Brennstoffzellen ist energieintensiv und braucht viele seltene Ressourcen, welche auf dieser Welt nur an wenigen Orten zu finden sind und oft unter unmenschlichen Bedingungen abgebaut werden[4]. Gleiches gilt fĂŒr das Recycling der Batterien und Brennstoffzellen. Dies fĂŒhrt dazu, dass ein Elektroauto, egal ob mit Batterie oder Brennstoffzelle, erstmal eine schlechtere Umwelt- und Ressourcenbilanz als ein Verbrenner hat, wenn die KilometerzĂ€hler beider Wagen noch auf 0 stehen. Durch die tieferen flexiblen Umweltkosten werden Elektroautos mit zunehmender Nutzungsdauer umweltfreundlicher als Autos mit Verbrennungsmotor, sofern der Strom zur Nutzung des Elektroautos umweltfreundlich hergestellt wird. Ăber den genauen Zeitpunkt â nach wie vielen Kilometern ein Elektroauto umweltfreundlicher ist als ein Verbrenner – herrscht in der Wissenschaft Uneinigkeit[5]. Dies ist aber eigentlich nicht so wichtig, denn unter der Voraussetzung, dass der Strom umweltfreundlich hergestellt wurde, kann ein Elektroauto nach dem heutigen Stand der Technik ĂŒber seine ganze Lebensdauer gesehen umweltfreundlicher betrieben werden als ein Auto mit Verbrennungsmotor. Ob dies in Zukunft auch so sein wird, ist jedoch fraglich â dazu spĂ€ter mehr. Zudem verfĂŒgen wir heute ĂŒber viel zu wenig umweltfreundlichen Strom um Millionen von Autos mit Strom oder Wasserstoff zu betreiben.
Produktion von Strom und Wasserstoff fĂŒr Elektroautos nicht unabhĂ€ngig von dessen Nutzung
Bei der Produktion von Strom fĂŒr das batteriebetriebene Elektrofahrzeug bestehen zudem weitere Nachteile. Zum einen muss der Strom dann produziert werden, wenn der Autofahrer die Batterie seines Fahrzeuges aufladen möchte. Die Zwischenspeicherung von Strom ist zwar denkbar, jedoch sehr teuer, ineffizient und gerade in grossem Stil kaum machbar[6]. Zum anderen muss der Strom im Vergleich zu Treibstoffen in der nĂ€heren Umgebung produziert werden. Die Produktion und Nutzung des Stroms durch das batteriebetriebene Fahrzeug können weder zeitlich noch örtlich komplett getrennt werden. Werden nun Millionen von Fahrzeugen mit batteriebetrieben Elektroautos betrieben, fĂŒhrt dies nicht nur zu einem unweit grösseren Bedarf nach Strom, sondern auch dazu, dass die Stromnetze und Kraftwerke insbesondere in den Ballungszentren viel stĂ€rker belastet werden und höhere Spitzen leisten mĂŒssen. Beim Elektrofahrzeug mit Brennstoffzelle bestehen diese Probleme ebenfalls, wenn auch in abgeschwĂ€chter Form. Andererseits muss beachtet werden, dass der Umweg via Wasserstoff und Brennstoffzelle im Endeffekt mehr Strom braucht als der Betrieb via Elektrobatterie. Die Produktion des Wasserstoffes fĂŒr die Brennstoffzelle mit Hilfe von Strom kann jedoch zeitlich etwas besser von der Nutzung entkoppelt werden als beim batteriebetriebenen Fahrzeug. Die Lagerung und der Transport von Wasserstoff sind jedoch relativ ineffizient und teuer. Ein weiter Transport und eine lĂ€ngere Lagerung wie bei herkömmlichen Treibstoffen wie Benzin oder Diesel ist daher nicht wirklich sinnvoll.
Die Importeure von Erdölprodukten betreiben in der Schweiz Pflichtlager (Carbura), welche den Schweizer Bedarf an Erdölprodukten wie Benzin und Diesel fĂŒr mindestens viereinhalb Monate sicherstellen[7]. Eine solche LagerkapazitĂ€t und Versorgungssicherheit sind weder beim Strom fĂŒr batteriebetriebene Elektrofahrzeuge noch beim Wasserstoff fĂŒr Fahrzeuge mit Brennstoffzellen denkbar.
Hohe Umstellungskosten fĂŒr die Infrastruktur
Die ganze Weltwirtschaft hĂ€ngt heute von der Nutzung von Erdöl ab und unsere ganzen Produktionsprozesse und Lieferketten sind auf die Nutzung von Erdöl u.a. als Treibstoff oder zum Betrieb von Maschinen abgestimmt. Deshalb gilt der Erdölpreis auch als guter Indikator fĂŒr die Lage der Weltwirtschaft. Eine Abkehr der individuellen MobilitĂ€t und des Schwerverkehrs von herkömmlichen Treibstoffen hin zu batteriebetrieben Fahrzeugen oder Fahrzeugen mit Brennstoffzellen hĂ€tte daher gewaltige Konsequenzen ĂŒber die MobilitĂ€t hinaus auf die ganze Wirtschaft. Da auch die ganze Infrastruktur auf die Nutzung von fossilen Treibstoffen und weiteren Erdölprodukten aufgebaut ist, mĂŒssten nicht nur Produktionsprozesse und Lieferketten neu ausgerichtet werden, sondern auch die ganze Infrastruktur von Grund auf umgebaut werden. Ein solcher Umbau wĂ€re mit gigantischen Kosten verbunden. Allein um die öffentlichen ParkplĂ€tze der Stadt ZĂŒrich flĂ€chendeckend mit gewöhnlichen Ladestationen fĂŒr Elektroautos auszurĂŒsten, mĂŒsste man grob geschĂ€tzt ĂŒber 250 Mio. Franken investieren[8]. Eine flĂ€chendeckende Versorgung mit Schnellladestationen[9] wĂŒrde nur schon bei der Stadt ZĂŒrich in die Milliarden gehen. Auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur zu Hause, unterwegs und insbesondere an den Transitachsen sowie der Bau von Wasserstofftankstellen und der lokalen Produktion von Wasserstoff wĂŒrde gigantische Investitionen bedĂŒrfen. Dass zudem die Stromproduktion und die Stromnetze massiv um- und ausgebaut werden mĂŒsste, ist dabei noch nicht einmal berĂŒcksichtigt. Von solchen Investitionen in die Infrastruktur, welche Elektro- und WasserstoffmobilitĂ€t in grossem Stil erlauben wĂŒrde, ist bisher jedoch sehr wenig zu sehen. Dabei gilt zu bedenken, dass grosse Infrastrukturprojekte nicht nur viel Kapital, sondern auch viel Zeit brauchen. Der Ausbau der Strominfrastruktur und Aufbau einer flĂ€chendeckenden Lade- und H2-Tankstelleninfrastrukutur braucht Jahrzehnte. Da wir eigentlich das Ziel verfolgen bis in 30 Jahren klimaneutral zu sein, mĂŒsste man bereits heute Milliarden in den Umbau der Infrastruktur investieren. Davon sind wir weit entfernt. Schon heute drohen im Winter imm wieder StromlĂŒcken- und AusfĂ€lle. Schuld daran ist die fehlerhafte Energiestrategie 2050, welche den Ausstieg aus der Kernenergie und den Ausbau der erneuerbaren Energie vorsieht[10]. Weder eine Elektrobatterie- noch eine Wasserstoffstrategie werden ohne den Bau neuer Kernkraftwerke in der Schweiz möglich sein. Ausser man baut Gaskraftwerke, welche das Klima enorm belasten. Angesicht dieser Probleme, welche sich im Bereich der Infrastruktur ergeben, stellt sich die Frage, ob es nicht eine Alternative gibt, welche einen solchen massiven Umbau der Infrastruktur und der Wirtschaft nicht benötigt.
CO2-Problem von Treibstoffen ist lösbar: E-Fuels
Abseits von der «rasanten» Entwicklung der Elektroauto-Industrie, welche in der Ăffentlichkeit einen grossen Platz einnimmt, hat sich auch beim Verbrennungsmotor viel getan. Der Kraftstoffverbrauch pro Fahrzeuge hat trotz mehr Gewicht und mehr Motorenleistung in den letzten 20 Jahren abgenommen. Auch der Schadstoffausstoss der Verbrenner wurde massiv reduziert. Wie kaum einer weiss, stossen moderne Dieselfahrzeuge heute in der Regel weniger Feinstaub aus, als dem Motor via Frischluft zugefĂŒhrt wird. Dieselfahrzeuge mit modernen Filtersystemen reinigen unsere Atemluft also aktiv von Feinstaub[11]. In Sachen CO2-neutralen Treibstoffen ist ebenfalls einiges im Gange. Weltweit wird an synthetischen Treibstoffen, auch E-Fuels genannt, geforscht. Eines der bekanntesten Projekte fĂŒr die Forschung und Produktion von synthetischen Treibstoffen ist wohl der ETH-Spin-off Synhelion, an welchem auch der italienischen Erdölkonzern ENI beteiligt ist[12]. E-Fuels werden mit Hilfe von CO2 und Strom erzeugt. Der Nachteil ist, dass es fĂŒr die gleiche Leistung wie beim Batteriefahrzeug oder Brennstoffzellenfahrzeug mehr Storm braucht. Zudem sind synthetische Treibstoffe noch zu teuer, um in grossen Stil produziert zu werden und gegen herkömmliche Treibstoffe zu bestehen[13]. Doch auch die Autobatterie, Computer und andere Erfindungen waren zu Beginn zu teuer fĂŒr den Massenmarkt. Eine solche Entwicklung ist auch bei den E-Fuels zu erwarten[14]. Sollte eine erhebliche Preisreduktion gelingen, werden auch die Vorteile der E-Fuels gegenĂŒber Batterie und Wasserstoff klar:
E-Fuels lassen sich genau wie herkömmliche Treibstoffe einfach lagern und transportieren. Dies macht es möglich, dass man E-Fuels in Zukunft in grossem industriellem Massstab fĂŒr den internationalen Markt produzieren kann und damit dank Economies of Scale die Kosten nochmals massiv fallen werden. E-Fuels sollten damit der dezentralen Produktion und der relativ kurzen Lagerdauer von Wasserstoff und Strom ĂŒberlegen sein und deren grössere physikalische Effizienz ökonomisch mehr als wettmachen  (Vgl. Studie von Frontier Economics, welche sogar von einer etwa gleich hohen physikalischen Effizienz spricht.). Ein kompletter Umbau der Wirtschaft und der MobilitĂ€tssysteme wĂ€re zudem nicht nötig. Einzig der Aufbau von grossen zentralen Produktionsanlagen fĂŒr E-Fuels inklusive Stromproduktion wĂ€ren von Nöten. Es wĂ€re zum Beispiel denkbar, dass die heutigen ErdölförderlĂ€nder im Mittleren Osten und die LĂ€nder der Sahara in den WĂŒsten grosse Photovoltaikanlagen bauen, mit dem Strom dieser Anlagen an ihren KĂŒsten E-Fuels produzieren und diese mit Ăl-Tankern in die ganze Welt verschiffen.
CO2-Problem von Treibstoffen ist lösbar: CO2-RĂŒckgewinnung und -Speicherung
Neben den E-Fuels gibt es eine weitere Alternative, welche dem Verbrennungsmotor eine Zukunft ermöglicht und sogar eine weitere Nutzung von fossilen Treibstoffen möglich macht. Auch hier sind Schweizer Forscher an der Weltspitze. Das ETH Spin-off Climeworks hat 2017 in Hinwil ihre erste grössere CO2-Filteranlage zur RĂŒckgewinnung von CO2 aus der Luft gebaut[15]. An der ETH Lausanne entwickelten Forscher einen CO2-Filter fĂŒr Lastwagen, welcher das CO2 aus den Abgasen des Verbrennungsmotors filtert[16]. Dieses zurĂŒckgewonnene CO2 kann einerseits von der Industrie – zum Beispiel zur Produktion von E-Fuels – genutzt oder im Boden gespeichert werden. Verschiedene Tests u.a. in Deutschland zur Speicherung von CO2 im Boden erwiesen sich als sehr erfolgreich[17] und zeigten, dass unter Druck «das CO2 mit dem Gestein reagiert und sich so mineralisiert, also zu Stein wird.»[18] Sollte dies in Zukunft in grossem Stil möglich sein, wĂ€re das Zeitalter von Erdöl und Erdgas wahrscheinlich noch lange nicht zu Ende. Der grosse Vorteil dieser Alternative wĂ€re wohl, dass ein Umbau der Wirtschaft kaum nötig wĂ€re.
Fazit und Ausblick
Wenn man der Politik und der Ăffentlichkeit zuhört, dann ist klar: Die Zukunft gehört der ElektromobilitĂ€t. Doch wie der vorliegende Beitrag aufzeigt, ist die Sache weit weniger klar, als es den Anschein macht. Wenn man die Sache genau anschaut, sprechen viele Punkte fĂŒr die Weiterverwendung des Verbrennungsmotors. Insbesondere die Investitionen in die Infrastruktur und den Umbau der Wirtschaft wĂ€ren dadurch bedeutend kleiner. Da die Zukunft und ihre Entwicklungen einer gewissen Unsicherheit unterliegen und die Entscheide der Politik oft unberechenbar sind, ist aus heutiger Sicht noch nicht klar, was sich am Ende wirklich durchsetzen wird. Am wahrscheinlichsten scheint eine Mischform von verschiedenen Technologien: Batterie, Wasserstoff, E-Fuels, Biotreibstoffe und herkömmliche Treibstoffe. Aus diesem Grund investieren viele Firmen insbesondere Erdölkonzerne und Autohersteller in verschiedene Technologien.
[1] https://www.industr.com/de/weltrekord-elektromotor-mit-fast-prozent-energieeffizienz-2299451
[2] https://www.e-autos.de/wissen/geschichte/
[3] https://www.handelszeitung.ch/politik/klimaschutz-parlament-erhoht-benzinpreis-um-bis-zu-12-rappen
[4] https://www.faz.net/aktuell/wissen/forschung-politik/kostbare-rohstoffe-fuer-batterien-die-e-mobilitaet-koennte-ein-teures-unterfangen-werden-15502495.html
[5] https://www.wiwo.de/technologie/mobilitaet/e-autos-wissenschaftler-kritisieren-studie-scharf/24303396.html
[6] https://www.fuw.ch/article/die-wahren-kosten-der-photovoltaik/
[7] https://www.carbura.ch/pflichtlagerhaltung
[8] FĂŒr den Kauf, Installation und Anschluss muss pro LadesĂ€ule mit rund 4â000 bis 10â000 Franken gerechnet werden (https://em.offerten-rechner.ch/) . In der Stadt ZĂŒrich gibt es rund 70â000 öffentliche ParkplĂ€tze (davon ĂŒber 33â000 Blaue Zone): https://www.stadt-zuerich.ch/ted/de/index/taz/verkehr/webartikel/webartikel_parkierung.html#:~:text=In%20der%20Stadt%20Z%C3%BCrich%20gibt,%C3%B6ffentlich%20zug%C3%A4ngliche%20Parkpl%C3%A4tze%20f%C3%BCr%20Autos
[9] Pro Schnellladestation mĂŒssen mit Kosten von ĂŒber 100â000 Franken gerechnet werden. Ein Tesla Supercharger kostet rund 200â000 US-Dollar. https://www.fool.de/2017/03/27/die-kosten-fuer-die-ladestationen-sind-fuer-tesla-immer-noch-relativ-gering/
[10] https://www.tagesanzeiger.ch/mit-der-energiewende-droht-der-blackout-697615391126
[11] https://www.auto-motor-und-sport.de/tech-zukunft/dieselabgase-partikelmessungen-im-realbetrieb/
[12] https://www.handelszeitung.ch/unternehmen/die-eth-zurich-macht-treibstoff-aus-luft-und-sonnenlicht
[13] https://www.avenir-suisse.ch/synthetische-treibstoffe-zum-preis-von-fr-2-40-pro-liter/
[14] https://www.avenir-suisse.ch/synthetische-treibstoffe-zum-preis-von-fr-2-40-pro-liter/
[15] https://www.nzz.ch/wissenschaft/climeworks-will-4000-tonnen-co2-pro-jahr-aus-der-luft-filtern-ld.1573219
[16] https://actu.epfl.ch/news/capturing-co2-from-trucks-and-reducing-their-emiss/
[17] https://www.nzz.ch/wissenschaft/climeworks-will-4000-tonnen-co2-pro-jahr-aus-der-luft-filtern-ld.1573219
[18] https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/planet-e-co2-tresor-100.html