Der jüngste Kompromiss beim Energie-Mantelerlass verdeutlicht erneut, dass die Entscheidungsträger in Bundesbern die drängenden Herausforderungen der Zeit noch nicht ausreichend erkannt haben. Die Energiestrategie, welche die Grundlage für den Mantelerlass bildet, ist im Grunde eine Stromspar-, Gas- und Importstrategie. Diese Annahmen haben sich als grundlegend falsch erwiesen. Die Defossilisierung unserer Gesellschaft wird voraussichtlich zu einem erheblichen Anstieg des Stromverbrauchs führen, da insbesondere Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen einen erheblichen Strombedarf haben werden. Experten gehen heute von einem Bedarf von mindestens 90 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2050 aus. Im Moment produziert die Schweiz nur etwa 60 TWh pro Jahr. Davon entfällt ein Drittel auf die vier Kernkraftwerke, die in den nächsten Jahrzehnten ersetzt werden müssen. Bis 2050 fehlen uns also mindestens 50 TWh. Der Mantelerlass setzt zwar ehrgeizige Ziele, wird jedoch kaum ausreichen, um diese Lücke zu schliessen. In der Folge müsste man auf Gaskraftwerke und verstärkte Winterimporte zurückzugreifen. Allerdings sind Stromimporte und die Gasversorgung, wie wir spätestens seit dem Ukrainekrieg wissen, alles andere als sicher. Dies ganz zu schweigen von den CO2-Emissionen und den Widersprüchen zum Pariser Klimaabkommen.

Auch wenn der Mantelerlass besser ist als nichts, ist er dennoch unzureichend. Was jetzt dringend erforderlich ist, ist eine umfassende Überarbeitung der Energiestrategie 2050. Das Verbot für den Bau neuer Kernkraftwerke sollte aufgehoben werden, damit parallel zum Ausbau der erneuerbaren Energien – als Plan B – die Planung von neuen Kernkraftwerken an die Hand genommen werden kann.

Diese Überlegungen sind von entscheidender Bedeutung, um die Energieversorgung der Schweiz langfristig zu sichern und gleichzeitig die CO2-Emissionen zu reduzieren.