Sollten die Vorwürfe – Lohndiskriminierung, Mobbing und Sexismus –  von Patrizia Laeri und Fabio Canetg zutreffen, dann hat die SNB ein Problem, welches sie dringend angehen müsste. Doch schauen wir uns den Artikel mal genauer an.

Zu Beginn des Artikels schreiben die Autoren: “Über ein Dutzend Frauen berichten von Lohndiskriminierung, Mobbing und Sexismus.” Das sitzt. Ein Skandal diese SNB. Mit grosser Neugier und mit etwas Wut lese ich weiter. Thomas Jordan wird von einer anonymen Informantin als «Mr. Konservativ» bezeichnet. Ich denke mir: Recht hat sie. Als sich die Autoren dem Thema Bewerbungsgespräche widmen, werde ich ein erstes Mal stutzig. Eine Informantin sei bei ihrem Bewerbungsgespräch nach “ihrer politischen Meinung zur SNB-Anlage­politik befragt worden”. Die meisten werden nun denken: “Wie kann man nur jemand nach seiner politischen Meinung fragen, geht gar nicht!”

Als Ökonom denke ich was ganz anderes: Nah hoffentlich fragen sie die Kandidatin nach ihrer Meinung zur Anlagepolitik der SNB. Die Anlagepolitik ist eine der zentralen Tätigkeiten der Nationalbank. Es ist daher keine politische, sondern eine fachliche, berufsrelevante Frage. Jemand, der nicht hinter der Strategie und der Aufgabe der SNB stehen kann, ist wohl kaum geeignet dort zu arbeiten. Dies ist wahrscheinlich auch einer der Gründe, warum ich nie bei der SNB arbeiten werde, obwohl es dort Jobs gibt, welche mich ungemein interessieren würden.

Zurück zum Text. Als nächstes lese ich von der Ökonomin Angela Cuomo. Sie wurde beim Jobinterview nach “ihrem aktuellen Lohn befragt. Das ist unzulässig.” Auch die anderen Geschichten zum Bewerbungsverfahren bei der SNB sprechen nicht gerade für die SNB. Die geschilderten Fälle sind (oder waren zumindest bis vor wenigen Jahren) jedoch nicht aussergewöhnlich und sprechen für eine konservative Haltung seitens der SNB. Jedoch nicht für “Lohndiskriminierung, Mobbing und Sexismus.”

Als nächstes stolpere ich über den Satz: In “«mehreren» Fällen, in denen Frauen am Arbeitsplatz unter so starken Druck gesetzt wurden, dass sie unter Tränen ihre Büros verliessen.” Zuerst denke ich: Ein Skandal diese SNB. Doch dann frage ich mich: Was ist mit “unter Druck setzen” gemeint und was hat dies mit «ganz normalen Alltagssexismus» zutun. Als Erklärung folgt der Fall von Ruth Huber bzw. die Fälle. Frau Huber erzählt von ganz vielen verschiedenen Geschichten. “Huber sagt von sich, sie sei «sexistische Sprüche eigentlich gewohnt».” und bei der SNB sei alles noch viel schlimmer. Ich schlucke zwei Mal leer und denke schon wieder: Ein Skandal diese SNB. Und ich will wissen, wie dieser Sexismus konkret aussieht.

Ich werde nicht enttäuscht. Zwei Absätze später folgt ein konkretes Beispiel: “Eine andere, ehemalige Mitarbeiterin berichtet uns von einem Vorgesetzten, der ihr während der Arbeit erklärt habe, wofür ihre Geschlechts­organe gut wären.” Und denke: Was für ein Arschloch. Doch ich denke (leider) auch: Solche Arschlöcher gibt es leider überall. Diese Sache der Firma in die Schuhe zu schieben, ist ein bisschen gar einfach. Als nächstes lese ich “Ruth Huber meldet einen Teil der Missstände irgendwann ihrem Chef.” Richtig so, denke ich. Doch welche Missstände konkret gemeint sind, bleibt mir ein Rätsel. Das genannte Beispiel betraf nicht Frau Huber.

Ich beginne den nächsten Abschnitt “Abfällige Kommentare” zu lesen und denke: Ah jetzt kommen die konkreten Missstände von Frau Ruth. Doch ich werde enttäuscht. Was ich da lese, sind zwar für Frau Huber keine erfreulichen Erfahrungen, aber mit “Mobbing und Sexismus” hat dies jedoch wenig bis nichts zu tun. Die geschilderten Fälle zeugen jedoch von einer konservativen Unternehmenskultur.

Auf die Schilderungen von Huber folgt ein Klassiker: Die SNB betreibe Lohndiskriminierung. Hier kommt erneut die Ökonomin Angela Cuomo zu Wort, welche über Jahre zu wenig verdient habe. Der Fall als auch die von anderen Frauen sind für die Betroffenen sehr ärgerlich. Es wurden offensichtlich Fehler gemacht. Ob sich dabei aber wirklich um Lohndiskriminierung handelt, bleibt anhand des Textes unklar und muss deshalb bezweifelt werden.

Als nächstes folgt der Fall Ella Jansen, eine junge Makroökonomin. Und nun wird es wirklich absurd. Die Vorwürfe sind schlicht und einfach lächerlich. Aber der Reihe nach.

Jansen hatte sich mehrfach bei der SNB beworben und die Stelle jeweils nicht bekommen. Die Autoren schreiben dazu: “Mitunter ohne überzeugende Gründe.” Soso, dies ist leider eine leidige Erfahrung, welche man auf dem Arbeitsmarkt machen muss. Ist mir auch schon passiert. In der Folge fällt Jansen “das unausgewogene Geschlechterverhältnis bei der SNB auf” und schreibt der SNB einen Brief. Eine Antwort bekommt sie nicht und bewirbt sich weiterhin bei der SNB. Was dann geschieht, ist zwar etwas ungewöhnlich, aber nicht wirklich überraschend. Anstatt zu einem richtigen Bewerbungsgespräch eingeladen und befragt zu werden, werden Frau Jansen Fragen zu ihrem Brief gestellt und sie wird ermuntert ihre Bewerbung zurückzuziehen. Was für ein Skandal aber auch. Was hat Frau Jansen erwartet? Das man ihr nach ihrem Brief, welcher die SNB kritisiert und der SNB eine frauenfeindliche Kultur vorwirft, den roten Teppich ausrollt und sie sofort einstellt?

Nach dem Fall Jansen lese ich noch, wieviel besser doch die FED und die EZB das Thema Frauenförderung anpacken. Ich denke mir: Ja man kann es sicher besser machen, als es die SNB heute macht, aber was die FED und die EZB machen, würde manche auch als Genderwahn bezeichnen.

Dass die SNB die Vorwürfe des Artikels zurückweist, verwundert natürlich nicht, insbesondere nicht, wenn man den Artikel gelesen hat. Viele Vorwürfe sind zu wenig konkret und weissen schlicht und einfach zu wenig bis gar nicht auf Lohndiskriminierung, Mobbing und Sexismus hin. Zudem werden alle Vorwürfe anonyme geäussert und können daher nicht verifiziert werden.

Der Satz “Über ein Dutzend Frauen berichten von Lohndiskriminierung, Mobbing und Sexismus.” verspricht etwas, was der Artikel nicht wirklich halten kann. Zwar werden drei Personen und ihre Fälle wirklich abgearbeitet und Vorwürfe von weiteren Informantinnen eingestreut, aber wirklich stringent und überzeugend ist das nicht. Insbesondere nicht, wenn man bedenkt, dass die drei Personen und ihre Geschichte, welche nicht wirklich überzeugen, die klarsten Fälle sein werden, ansonsten hätten die Autoren andere Fälle proträtiert.

Mich wird der Verdacht nicht los, dass hier absichtlich eine Geschichte skandalisiert wird. Ja, die SNB hat sicherlich Verbesserungspotential, was ihre Unternehmenskultur und die Attraktivität für Frauen anbelangt, aber dies ist nun wirklich keine Überraschung und auch nicht neu. Mein Verdacht hat auch mit der Autorin Patrizia Laeri zutun, welche sich seit Jahren darauf einschiesst, dass die Welt und insbesondere die Schweizer Wirtschaft ein Problem bzgl. Frauen hat und mit ihrer Kolumne #aufbruch gerne skandalisiert. Was das Ziel dieser Skandalisierung ist, wird im letzten Absatz klar: Man will die Politik dazu bewegen, sich mehr in die Angelegenheiten und Geschäftspolitik der SNB einzumischen. Das ist gefährlich. Ich habe fertig.