S’Gschichtli vo de Billag – Zeit für das Schlusskapitel

Am 4. März stimmen wir über die NoBillag Initiative ab, welche die Radio- und Fernseh-Gebühren abschaffen will und dem Bund das Subventionieren von Radio- und TV-Stationen verbieten will. Die Jungfreisinnigen gehören zu den Mittinitianten dieser Initiative und unterstützen diese Initiative deshalb mit ihrem ganzen Elan. Das Ziel der Initiative sind staatsunabhängige, kritische Medien, welche sich ohne Zwang finanzieren, ein urliberales Anliegen.

Es war einmal vor langer Zeit

Zwischen den beiden Weltkriegen entstand mit dem Rundfunk (Radio und später auch Fernsehen) eine neue Technologie. Der Staat förderte dieses neue Medium, er sendete fünf Abende die Woche ein einstündiges Radioprogramm und weil Private diese Technologie missbrauchen könnten, kam der Staat auf die Idee, diese für mehr als 50 Jahre für Private zu verbieten. In den 80er Jahren wurde dieses Verbot zum Glück dann endlich aufgehoben. Doch der staatliche Rundfunk, finanziert durch Zwang, blieb und wurde immer grösser. Heute betreibt die SRG 17 Radio- und 7 TV-Sender. Im Online-Bereich hat der Wildwuchs des staatlich-finanzierten Rundfunks erst gerade begonnen: Die SRG betreibt bereits jetzt 108 Facebook-Accounts und 42 YouTube-Kanäle!

Ein paar junge Leute fragten sich: Braucht es das wirklich?

Irgendwann fragten wir uns: Wo soll dies alles hinführen? Die Jungfreisinnigen stellten die Grundsatzfrage: Braucht es im 21. Jahrhundert, im Zeitalter des Internets, überhaupt noch eine staatliche Finanzierung für einen Mediengiganten wie die SRG? Die Antwort war schnell klar: Natürlich nicht! Und so lancierten wir zusammen mit anderen jungen, liberalen Kräften die Volksinitiative NoBillag und sammelten Woche für Woche bei jedem Wind und Wetter Unterschriften bis wir es Ende 2015 geschafft hatten.

Wieso die Billag abschaffen?

Wie unser Gschichtli zeigt, ist die Billag ein illiberales Relikt der Vergangenheit, welche es in der heutigen Zeit längst nicht mehr braucht. Die Billag ist zu einer reinen Bevormundung der Bürger verkommen: Die Leute müssen für etwas bezahlen, was sie vielleicht gar nicht wollen. Zudem erdrückt die SRG mit den Billag-Einnahmen die privaten Medien und ist durch die Gebühren abhängig von der Politik: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing! Und wie unser Gschichtli ebenfalls gezeigt hat, wird die SRG, wie andere Bereiche im Staat, ständig grösser und grösser und verkommt zum Selbstzweck. Es ist Zeit für das Schlusskapitel: Die Billag gehört abgeschafft und soll Platz machen für eine Schweiz mit freien Medien ohne Staatsfinanzierung. Deshalb sagen die Jungfreisinnigen aus Überzeugung Ja zu NoBillag!

Endlich einmal den Staat verkleinern genau hier, genau jetzt!

Alain Schwald

Medienverantwortlicher Jungfreisinnige Kanton Zürich


Die SRG in einem gebührenfreien Umfeld

Executive Summary


Am 4. März 2018 wird in der Schweiz über die «No-Billag» Initiative abgestimmt. Diese sieht im Kern vor, dass die Radio- und Fernsehgebühren auf Bundesebene abgeschafft werden und es dem Bund verboten wird Radio- und TV-Stationen zu subventionieren. Würde die Initiative angenommen, so würde dies die SRG in ihrem Kern treffen, denn ihr würden dadurch rund ¾ ihrer heutigen Einnahmen abhandenkommen (SRG, 2017, S. 25) – eine essentielle Bedrohung für das Unternehmen SRG. Deshalb wiederholt Jean-Michel Cina – Präsident der SRG – fast schon mantramässig immer wieder: Bei einer Annahme von No-Billag «bleibt uns nur eine geordnete Liquidation.» (Feusi & Somm, 2017)

Auch wenn eine Annahme der «No-Billag» Initiative die SRG essentiell bedroht, so ist die Aussage von Jean-Michel Cina und seinen Mitstreitern arg übertrieben. Der SRG bleibt die Möglichkeit offen sich über andere Kanäle zu finanzieren. Selbstverständlich ist es so, dass die Erschliessung von neuen Finanzierungsquellen und den Ersatz von ¾ der Einnahmen keine einfache Aufgabe darstellen. Jedoch hat die SRG hierfür gute Vorrausetzzungen. Sie ist das grösste Medienunternehmen der Schweiz und dominiert sowohl den TV- als auch den Radio-Markt. Sie verfügt über ein grosses Reservoir an bekannten und hervorragenden Journalisten, welches seines gleichen sucht. Zudem verfügt die SRG über ein beachtliches Eigenkapitalpolster und eine sehr breite Eigentümerschaft. Kein anderes Medienunternehmen verfügt über derart gute Vorrausetzung, ganz zu schweigen vom bestehenden Know-how und den bestehenden Ressourcen wie dem Fernsehe- und Radiostudio «Leutschenbach».

Alternative Finanzierungsquellen

  • Werbung
  • Abonnemente
  • Pay-on-Demand
  • Programmertrag
  • Private Förderung
  • Öffentliche Beiträge
  • Kapitalerhöhung

Konzept

Werden die Gebühren für Radio und TV abgeschafft verliert die SRG rund ¾ ihrer Einnahmen. Um ein fortbestehen der SRG zu sichern, muss die SRG daher neue Einnahmequellen erschliessen und aus bisherigen Quellen – wie Werbung oder Sponsoring – mehr Einnahmen generieren. Da keine einzelne Einnahmequelle die Gebührengelder alleine ersetzen kann, braucht die SRG einen Mix aus den in Kapitel zwei vorgestellten Instrumenten. Zudem muss die SRG wohl auch auf Seiten der Ausgaben Änderungen vornehmen und Kosten einsparen.

Fernsehen

Das Konzept sieht im Kern eine Art Branchenlösung mit Telekom- und Kabelnetzbetreibern vor. Die Sender der SRG sollen Teil der Grundangebote von Swisscom, Sunrise. upc und anderen Kabelnetzbetreibern werden. Die Kunden haben dabei die Möglichkeit die Sender der SRG abzuwählen. Bei diesem Konzept der Branchenlösung mit Telekom- und Kabelnetzbetreibern sind verschiedene Detailvarianten denkbar. In dieser Arbeit werden vier verschieden Detailvarianten verwendet:

  • Variante 1

Die Variante 1 sieht vor, dass die SRG pro Sprachregion jeweils zwei Sender betreibt wie dies bereits im Grundkonzept erörtert wurde. Alle Sender sind Teil der TV-Grundangebote der Telekom- und Kabelnetzbetreiber, können aber von den Kunden auf deren Wunsch abgewählt werden. Das Sendepakt eins bestehend aus SRF1, RTS1 und RSI1 kostet 8 Franken pro Monat und das zweite Senderpaket (SRF2, RTS2, RSI2) kostet nochmals 6 Franken pro Monat. Das ganze SRG-Paket kostet demnach 168 Franken pro Jahr.

  • Variante 2

Die Varianten 2 sieht im Grundsatz dieselbe Konzeption vor wie in der ersten Variante mit dem Unterschied, dass die SRG hier bewusst die Werbung um ~50% reduziert. Im Gegenzug dazu sind die Preise für die Sender im Grundangebot der Telekom- und Kabelnetzbetreiber mit 10 Franken bzw. 8 Franken pro Monat etwas höher. Dies macht ein Preis von 216 Franken pro Jahr für das ganze SRG-Sendepaket.

  • Variante 3

Die dritte Variante sieht vor, dass pro Sprachregion jeweils ein Sender (SRF1, RTS1, RSI1) weiterhin völlig frei zugänglich ist (Free-TV) und der zweite Sender als Paket (SRF2, RTS2, RSI2) für 8 Franken im Monat Teil des Grundangebots der Telekom- und Kabelnetzbetreiber ist. In dieser Variante würde die Werbung auf dem frei zugänglichen Sender gegenüber heute erhöht umso diese Sender zu finanzieren. Diese Variante scheint anhand der Entwicklungen im TV-Werbemarkt jedoch eher unrealistisch, sollte jedoch trotzdem geprüft werden.

  • Variante 4

Die vierte Variante stellte eine Art Mischform aus der ersten und der dritten Variante dar. Pro Sprachregion gibt es jeweils einen Info-Sender (SRF Info, RTS Info und RSI Info), welcher frei zugänglich ist (Free-TV, ohne Vollprogramm) und gewisse für den Service-Public wichtige Sendungen (Live oder als Wiederholung) ausstrahlt. Neben diesem freien Infosender gibt es pro Sprachregion einen Sender (SRF1, RTS1, RSI1) im Paket für 8 Franken pro Monat im Grundangebot der Telekom- und Kabelnetzbetreiber. In der Deutschschweiz gibt es zudem einen zweiten Sender (SRF2), welcher für 6 Franken ebenfalls Teil des Grundangebots der Telekom- und Kabelnetzbetreiber ist. RTS2 und RSI2 werden eingestellt und durch ein Webangebot ersetzt[1], welches vorwiegend durch Werbung und Pay-on-Demand finanziert ist. In der Deutschschweiz kostet das ganze SRG Angebot demnach 168 Franken pro Jahr und in den andern zwei Sprachregion ohne SRF2 96 Franken.

Radio und Online

Im Radio-Bereich sieht das Konzept in erster Linie Werbung als Haupteinnahmequelle vor. Die Nutzerzahlen im Online-Bereich, auch wenn diese durch die Initiative wohl zurückgehen, erlauben es der SRG beträchtliche Einnahmen durch Werbung und Zusatzdienste (Pay-on-Demand, etc.) zu erzielen. In einem ersten Schritt ist davon auszugehen, dass die meisten Onlineeinnahmen aus der Werbung kommen werden. Es sollte jedoch sofern dies die finanziellen Möglichkeiten erlauben in andere Einnahmemöglichkeiten im Onlinebereich investiert werden, zum Beispiel in eine intelligente Umsetzung einer Paywall für gewisse Angebote. Investitionen sind insbesondre wichtig und interessant, weil der Onlinebereich im Gegensatz zum traditionellen Radio- und TV-Geschäft ein Wachstumsmarkt ist.

Umsetzung

Der ehemalige Bundesgerichtskorrespondent der NZZ Markus Felber führte in seiner NZZ am Sonntag Kolumne «Alles, was Recht ist» vom 6. Januar 2018 aus, wieso die Gebühren auch bei einem Ja zu NoBillag über den 1. Januar 2019 aus bestehen werden: «Anders als die Sätze der Mehrwertsteuer sind die Gebühren für öffentliches Radio und Fernsehen nämlich nicht in der Verfassung festgeschrieben, sondern in einem Gesetz. Bundesgesetze aber sind für das Bundesgericht massgebend, selbst wenn sie der Verfassung widersprechen.» Dies hat zur Folge, dass die gesetzliche Gebührenpflicht bis zum in Kraft treten einer Ausführungsgesetzgebung gültig bliebe. Bis eine Ausführungsgesetzgebung verabschiedet und in Kraft treten einer solchen Ausführungsgesetzgebung dauert es in der Regel mindestens zwei bis drei Jahre. Aus diesem Grund wird angenommen, dass die Umsetzung der Initiative 2021 vollzogen wird. Bei der Umsetzung selbst werden drei verschiedene Szenarien berücksichtigt:

  • Szenario 1 (NoBillag): kommt praktisch ohne öffentliche Gelder aus (rund 50 Millionen, strikte Umsetzung der Initiative im Sinne des Initiative-Komitees).
  • Szenario 2: Öffentliche Beiträge von rund 150 Millionen
  • Szenario 3: Öffentlich Beiträge von rund 300 Millionen

Anmerkung: Sowohl Szenario 2 und 3 nicht im Sinne der Initiative sind und dass direkte Bundessubventionen durch die Initiative verboten werden. Es ist jedoch so, dass über indirekte Kanäle Bundesgelder zur SRG fliessen können. Zudem erlaubt die Initiative Bundesgelder für wichtige amtliche Mitteilungen. Aufgrund dessen wird in Szenario 1 davon ausgegangen, dass sich die Gelder des Bundes im selben Rahmen bewegen wie heute (heute rund 20 Millionen).

Resultate

Geschätzte Einnahmen nach Variante 1

  Szenario Nobillag Szenario 2 Szenario 3
Abonnement 208 Mio. 224 Mio. 240 Mio.
TV-Werbung 137 Mio. 148 Mio. 158 Mio.
Radio-Werbung 59.5 Mio. 64 Mio. 69 Mio.
Online-Werbung 27 Mio. 29 Mio. 31 Mio.
Sponsoring 32 Mio. 34 Mio. 37 Mio.
Programm-ertrag 25 Mio. 27 Mio. 29 Mio.
Übrige Erträge 32 Mio. 34 Mio. 37 Mio.
Private Förderung 19.5 Mio. 21 Mio. 22 Mio.
Bundesbeitrag 25 Mio. 30 Mio. 180 Mio.
Kantone 25 Mio. 40 Mio. 40 Mio.
Distributions-Verbilligung 0 80 Mio. 80 Mio.
Total 590 Mio. 731 Mio. 923 Mio.

Die drei anderen Varianten kommen auf vergleichbare Grössen.

Ausgaben nach Unternehmenseinheit

  Szenario Nobillag Szenario 2 Szenario 3
SRF (inkl. tpc) 230 Mio. 280 Mio. 360 Mio.
RTS 149.5 Mio. 182 Mio. 234 Mio.
RSI 92 Mio. 112 Mio. 144 Mio.
RTR 11.5 Mio. 14 Mio. 18 Mio.
swissinfo 6 Mio. 7 Mio. 9 Mio.
Übrige 86 Mio. 105 Mio. 135 Mio.
Total 575 Mio. 700 Mio. 900 Mio.

Fazit

Wie die Resultate zeigen, sollten auch bei geringen öffentliche Zuschüssen Einnahmen von 550 Millionen und mehr möglich sein. Dies sind zwar 45% bis 65% weniger als die SRG heute einnimmt. Doch auch diese Beträge sind im Schweizer Medienmarkt immer noch sehr viel. Die SRG wäre dadurch zwar nicht mehr der grösste Medienplayer der Schweiz, aber immer noch der mit Abstand grösste Anbieter für audiovisuelle Medien in allen Regionen der Schweiz. Eins ist jedoch klar, die SRG müsste gegenüber heute massiv Sparen, ihr Unternehmen und das Programmangebot massiv umbauen. Dies ist keineswegs eine einfache Aufgabe für das Management der SRG. Der Umsetzungszeitplan lässt der SRG jedoch genug Zeit um die nötigen Schritte einzuleiten und die nötigen Veränderungen zu vollziehen. Ein langfristiges Überleben der SRG garantiert dies zwar nicht, aber die SRG kann auch in einem gebührenfreien Umfeld überleben. Sie wäre zwar um einiges kleiner, aber auch um einiges agiler als heute, weil sie keine staatlichen Beschränkungen mehr hätte. Die Zahlen zeigen auch, dass die SRG auch in einem gebührenfreien Umfeld etwas zum «Service Public» beitragen kann.

Die vorliegende Arbeit und die berechneten Resultate zeigen, ein Lichterlöschen ist nicht, wie von der SGR-Führung propagiert, der einzige gangbare Weg für die Unternehmung SRG, sollte die NoBillag-Initiative am 4. März angenommen werden. Auf die SRG würde zwar viel Arbeit und auch eine grosse Unsicherheit zukommen, doch es ist durchaus machbar eine SRG in kleinerem Rahmen ohne Gebühren zu finanzieren. In einem nächsten Schritt müsste die SRG nun einen detaillierten Sende- und Programm-Plan erstellen und die Verhandlungen mit verschieden Akteuren wie den Telekom- und Kabelnetzbetreibern aufnehmen.


[1] Vgl. Wie dies die SRG für RSI2 bereits angekündigt hat (Stopper, 2015).

Diskussionspapier: Die SRG in einem gebührenfreien Umfeld


Vollgeld – Wer soll unser Geld herstellen?

«Im Tauschverkehr des Marktes nimmt das Geld seine Stellung als allgemein gebräuchliches Tauschmittel ein.» (Mises, 1924, S. 2)

In einer Wirtschaftsordnung, welche auf Arbeitsteilung, Privateigentum und Markt basiert, spielt Geld eine zentrale Rolle. Trotz dieser zentralen Rolle wird die Frage nach der Ausgestaltung und der Kontrolle des Geldwesens selten diskutiert. Dafür gibt es viele verschiedene Gründe. Einerseits nimmt das Geldwesen selbst in ökonomischen Standardwerken – wie Economics von Mankiw & Taylor (2014) oder Mirkoökonomie von Stiglitz und Walsh (2010) – oft nur eine Nebenrolle ein. Anderseits ist das Geldwesen und dessen Ausgestaltung einiges komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Dies zeigt sich zum Beispiel schon daran, dass viele Menschen – insbesondere auch Politiker und viele Ökonomen – fälschlicherweise davon ausgehen, dass die Ausgestaltung und die Kontrolle des Geldwesens durch eine Zentralbank vollständig unter der Kontrolle des Staates seien. Dabei sind die heutigen Geldsysteme Mindestreserve-Systeme und funktionieren zweistufig. Fiat-Geld wird von einer Notenbank ausgegeben und Giralgeld wird von den Geschäftsbanken als Kreditgeld geschaffen, welches mit einer Reserve an Fiat-Geld hinterlegt ist. (Birchler & Rochet, 2017, S. 7). Während der Grossen Depression stand dieses System in der Kritik. Eine Gruppe von Ökonomen um Henry C. Simons von der Universität Chicago schlugen 1933 mit dem «Chicago Plan» ein Vollreserve-System vor (Minsch & Eugster, 2016, S. 7). Die Kritik am Mindestreserve-System wurde im Zuge der Finanzkrise wiederaufgenommen und basierend auf den Ideen von damals wurde das Konzept «Vollgeld» entwickelt und in der Schweiz die Volksinitiative «Vollgeld» eingereicht. Die Initiative stellt damit die grundsätzliche Frage, wer unser Geldwesen kontrollieren und welche Rolle der Staat dabei spielen soll. Eine Frage mit der sich auch schon Alfred-Nobel-Gedächtnispreisträger Milton Friedman und Anna Schwartz beschäftigten (Has Government Any Role in Money?, 1986).

Die vorliegende Arbeit diskutiert die ökonomischen Argumente, welche für und welche gegen Vollgeld sprechen. In einem ersten Schritt werden sowohl das Mindestreservesystem als auch das Vollgeld-System vorgestellt, zudem wird mit dem freien Währungswettbewerb, wie es Friedrich August von Hayek vorschwebte (The Denationalization of Money, 1976), eine Alternative vorgestellt, welche im Gegensatz zu Vollgeld steht und die Rolle des Staates im Geldwesen eliminieren will. In einem zweiten Schritt werden die ökonomischen Argumente, welche für ein Vollgeld-System sprechen aufgezeigt und erläutert. In einem dritten Schritt werden die ökonomischen Argumente, die gegen ein Vollgeld-System sprechen, aus drei verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Darauf folgt abschliessend ein Fazit, welches die diskutierten Argumente und deren Implikationen zusammenfasst.

Diskussionspapier: Vollgeld – Wer soll unser Geld herstellen


Faktenchecks halten oft nicht, was sie versprechen

Der wohl bekannteste Faktencheck der Schweiz ist der Faktencheck des Tagesanzeigers[2], in welchem regelmässig Aussagen von Politiker aus der Sendung Arena des Schweizer Fernsehens auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden. Der Tagesanzeiger verpflichtet sich bei seinen Faktenchecks dem «code of principles» des internationalen Fact-Checking-Netzwerks[3]. Dieser Kodex ist zwar vorbildlich und sicher eine gute Grundlage für einen guten Faktencheck, ist aber gleichzeitig auch sehr allgemein formuliert, so dass er die Vermischung von Fakten und Meinungen und die selektive Verwendung von Fakten kaum verhindert. Selbiges gilt auch über den Teil in dem der Tagesanzeiger aufzeigt, wie der Faktencheck erstellt wird[4]. Alles in allem aber bildet die Erklärungen «So arbeitet das Faktencheck-Team» eine gute Grundlage für den Faktencheck des Tagesanzeigers.

Anhand des Faktenchecks vom 9. September 2017[5]  zur Abstimmungs-Arena «Altersvorsorge 2020»[6] wollen wir nun überprüfen, ob der Faktencheck des Tagesanzeigers seine Versprechungen halten kann und ein guter und glaubwürdiger Faktencheck ist. Dieser Faktencheck besteht aus zehn Aussagen, welche überprüft werden. Dabei wurden jeweils fünf Aussagen der Befürworter und fünf der Gegner der Altersvorsorge 2020 untersucht. Schaut man die Aufteilung der Aussagen genauer an, so fallen zwei Begebenheit auf. Zum einen werden bei den Befürwortern eigentlich nur vier Aussagen untersucht, die fünfte Aussage ist ein Witz und wird auch als Bonus deklariert. Zum anderen fällt ins Auge, dass bei den Befürwortern von den (fünf bzw.) vier Aussagen (vier bzw.) drei von Bundesrat Berset und eine von CVP-Nationalrätin Ruth Humbel sind. Aussagen von Nico Planzer (Junge BDP) und Doris Bianchi (SGB) werden nicht überprüft. Bei den Gegnern hingegen werden von allen vier Diskussionsteilnehmern Aussagen geprüft, wobei bei Karin Keller-Sutter (FDP-Ständerätin) zwei Aussagen untersucht werden. Diese Ungleichbehandlung muss nichts heissen und ist auch nicht weiter schlimm, aber es hinterlässt schon einen fahlen Nachgeschmack. Zudem passt die Ungleichbehandlung nicht wirklich zum ersten «code of principle» des internationalen Fact-Checking-Netzwerks «a commitment to nonpartisanship and fairness».

Die erste Aussage, welche im Faktencheck untersucht wird, stammt von Alain Berset: «Die AHV hat einen Sanierungsbedarf von 18 Milliarden bis 2025. Das zeigt auch: Eine Ablehnung dieser Reform wäre das Schlimmste für die Jungen.». Der Tagesanzeiger stellt dabei fest, dass die ganze Aussage weder richtig noch falsch sei. Zwar sei die Zahl, welche Berset nennt, richtig – der zweite Satz der Aussage sei aber mehr Spekulation. Grundsätzlich kann man dieser Einschätzung des Tagesanzeigers zustimmen, trotzdem hat sich hier ein Fehler eingeschlichen. Die Aussage von Berset besteht aus zwei Sätzen. Im ersten Satz nennt Berset einen Fakt und im zweiten Satz seine Einschätzung und Meinung zu diesem Fakt. Persönliche Meinungen und Einschätzungen sind jedoch keine Fakten, welche man überprüfen kann, deshalb kann man eigentlich nur den ersten Satz kontrollieren. Dieser eine Satz von Berset ist richtig, sowohl die Zahl stimmt als auch die Aussage es handle sich dabei um einen Sanierungsbedarf, wenn man die gesetzlichen Vorgaben und der Zahlen des BSV betrachtet[7].

Die zweite Aussage im Faktencheck stammt von Roland Eberle (SVP-Nationalrat und Gegner): «Es gibt nichts auszugleichen. Die Renten in der 2. Säule sind zu 100 Prozent ausgeglichen über die Massnahmen in der 2. Säule.» Der Tagesanzeiger stellt dabei fest, dass die Aussage falsch ist. Auch dieser Einschätzung kann man grundsätzlich zustimmen, weil nicht bei allen die Rente in der 2. Säule zu 100 Prozent ausgeglichen wird. Trotzdem ist die Sache nicht ganz so einfach, wie es der Tagesanzeiger darstellt. Auch hier könnte man die Aussage eigentlich in zwei Sätze aufteilen. Der zweite Satz ist ohne Frage falsch. Der erste Satz hingegen kann man auch als politische Einschätzung werten und deshalb schlecht «faktenchecken». Zudem ist es so, dass bei den Allermeisten die Senkung des Umwandlungssatzes durch Massnahmen in der 2. Säule ausgeglichen wird oder sogar überkompensiert wird, deshalb gibt es sogar Befürworter – wie der ASIP (Pensionskassen)[8] – welche sagen der Ausbau der AHV sei kein Ausgleich für die Senkung des Umwandlungssatzes, sondern ein Zusatz[9] und ein Ausgleich eigentlich unnötig[10].

Die dritte Aussage, welche im Faktencheck untersucht wird, stammt von Ruth Humbel: «Es gibt in diesem Land 500’000 erwerbstätige Frauen ohne 2. Säule. Gerade für sie bringt die Vorlage Vorteile.» Der Tagesanzeiger stellt dabei fest, dass die Aussage richtig ist. Hier verhält es sich ähnlich wie bei der Aussage von Berset: Der eine Satz enthält ein Fakt, der zweite Satz ist eine persönliche Einschätzung. Der Fakt bzgl. der erwerbstätigen Frauen ist – wie der Tagesanzeiger feststellt – richtig. Wie beim ersten Faktencheck bereits erläutert wurde, kann man den zweiten Satz eigentlich nicht «faktenchecken». Der Tagesanzeiger macht es trotzdem und vernachlässigt dabei wichtige Aspekte. Zum einen vernachlässigt der Tagesanzeiger, dass von diesen 500’000 erwerbstätigen Frauen, welches Teilzeitarbeitende oder bzw. und Tieflohnbezüger sind, ein Teil im Alter wohl oder übel Ergänzungsleistungen (EL) beziehen wird. Die meisten EL-Bezüger (78%[11]) werden von den 70 Franken mehr AHV nicht profitieren, weil ihnen gleichzeitig die Ergänzungsleistungen um denselben Betrag gestrichen werden oder der Anspruch auf EL verloren geht. Die Zahlen des BSV berücksichtigen zudem nicht, dass die AHV-Rente steuerpflichtig ist und EL nicht. Die steuerliche Ungleichbehandlung führt dazu, dass das steuerbare Einkommen der EL-Bezüger um 840 Franken steigt, obwohl sie nicht mehr Einkommen haben als vorher. Des Weiteren vernachlässigt der Tagesanzeiger, dass die Senkung des Koordinationsabzugs in der 2. Säule nicht nur positive Effekte hat, sondern auch Nachteile: Die Senkung des Koordinationsabzugs führt zu einer Erhöhung der Lohnnebenkosten und macht Teilzeitarbeitende und Tieflohnbezüger damit teurer. Am Ende des Tages haben diese zwar eine höhere Rente, sie haben aber auch massiv mehr einbezahlt. Ob die Vorlage für diese Frauen nun Vorteile bringt oder nicht, ist darum nicht zweifelsfrei zu beantworten und so bleibt die Frage bzw. die Antwort im Endeffekt mehr Meinung als Fakt.

Die vierte Aussage im Faktencheck stammt von Karin Keller-Sutter: «Wenn das Volk Nein sagt, ist der AHV-Ausbau vom Tisch.» Der Tagesanzeiger beurteil diese Aussage als richtig. Der Tagesanzeiger testet hier eine politische Einschätzung anstatt ein Fakt, was wie Anfangs ausgeführt wurde nicht geht.

Auch die fünfte Aussage im Faktencheck stammt von einem Gegner der Reform, Alessandro Pelizzari (Genfer Gewerkschaftsbund): «Die Reform ist nicht so dringend, wie man sagt. Die AHV hält sich nach wie vor relativ gut.» Im Faktencheck wird diese Aussage als eher falsch eingeordnet. Bei der Aussage von Herr Pelizzari handelt es sich um eine Art Mischung aus Fakt und Meinung. Ich bin der Meinung, dass hier ein Faktencheck durchaus zulässig ist. Betrachtet man die Situation der AHV rein rechtlich[12] so ist der Einschätzung des Tagesanzeigers vordergründig zuzustimmen. Betrachtet man jedoch auch die betriebswirtschaftliche Situation inklusive als auch exklusive der Bundessubventionen, so wird die Sache um einiges komplizierter. Betrachtet man die Situation der AHV betriebswirtschaftlich inklusive der Bundessubventionen so fällt auf, dass die AHV zwar Verluste schreibt, aber auch ohne Reform bis etwa 2030 in der Lage ist die Renten zu bezahlen[13]. Aus dieser Perspektive kann man also sagen, dass Herr Pelizzari’s Aussage richtig. Betracht man jedoch die betriebswirtschaftliche Situation ohne die externen Zuschüsse des Bundes (Bundesbeitrag, MwSt., etc.) so fällt auf, dass die AHV bereits seit den 1960er Jahren Verluste schreibt und der Umlageverlust heute 11.6 Milliarden beträgt[14]. Da politisch gesehen der rechtliche Rahmen entscheidend ist, kann man der Einschätzung des Tagesanzeigers zustimmen, auch wenn in dessen Argumentation entscheidende Aspekte fehlen oder zu kurz kommen.

Die sechste Aussage stammt wieder Bundesrat Berset: «Mit dieser Vorlage werden die Defizite nicht nur reduziert, sondern annulliert. Sie erlaubt es uns, in zwölf Jahren einen AHV-Fonds zu haben, der so gut dasteht wie heute.» Im Faktencheck wird diese Aussage als eher richtig taxiert. Ich stimme hier der Einschätzung des Tagesanzeigers zu, auch wenn die Formulierung von Berset «Defizite werden annulliert» etwas holprig und unpräzise wirkt. Dies ist wohl darauf zurück zu führen, dass Deutsch nicht Bersets Muttersprache ist und ändert deshalb auch nichts an der Beurteilung des Inhalts.

Nach Bundesrat Berset ist bei der siebten Aussage wieder eine Aussage einer Gegnerin, Salomè Vogt (Avenir Jeunesse), an der Reihe: «Mit dieser Reform wird meine Generation zu sehr belastet – die unter 30-Jährigen.» Im Faktencheck wird diese Aussage als eher falsch und ideologisch motiviert dargestellt. Auch hier haben eine Vermischung zwischen Fakt und Meinung. Man kann «faktenchecken» ob die Junge Generation (stark) belastet wird. Ob sie jedoch zu sehr belastet wird kann man nicht abschliessend klären, weil dies wieder eine persönliche Einschätzung ist. Es ist ohne Frage so, dass die Generation der unter 30-Jährigen mit der Altersvorsorge 2020 stark belastet wird, wie auch die Generation zwischen 30 und 45. Dies zeigen verschiedene Studien, Zeitungsartikel, Kostenrechner und die Zahlen des BSV[15]. Was aber der Tagesanzeiger hier macht, hat mit einem Faktencheck nicht viel gemein. Um zu eruieren ob die Jungen nun stark belastet werden oder nicht, vergleicht der Tagesanzeiger die Altersvorsorge mit einer einzigen Alternative[16]. Als wüsste man genau, wie die neue Reform aussehen würde, wenn AV2020 abgelehnt wird. Bei diesem Vergleich werden nur die Kosten berücksichtig, obwohl man die Belastung einer Person bzw. Personengruppe nur Anhand einer Kosten-/Nutzenanalyse bzw. des Saldos aller Ein- und Auszahlungen beurteilen kann. Besonders störend daran ist, dass Herr Fabian Renz – einer der Autoren dieses Faktenchecks – diesen unzureichenden Vergleich bereits in einem anderen Artikel vom 28. August 2017[17] verwendet hat. Obwohl er damals auf diesen Fehler hingewiesen wurde[18], wird dieser unzureichende Vergleich nun wiederverwendet. Da fragt man sich schon, ob wirklich die Aussage von Salomè Vogt ideologisch motiviert ist oder nicht doch der Check dieser Aussage.

1

Abbildung 1: Rentenreform: Hohe Verluste für Junge bis Jahrgang 1974 (NZZaS)

Bei der achten Aussage, welche im Faktencheck untersucht wird, kommt zum dritten Mal eine Aussage von Bundesrat Berset zum Zuge: «Die 70 und 226 zusätzlichen Franken machen im Jahr 2030 lediglich 2 Prozent der AHV aus. Zu behaupten, das versenke das ganze System, stimmt einfach nicht.» Der Faktencheck ordnet diese Aussage als eher richtig ein. Wie bei der ersten Aussage von Berset besteht die Aussage aus zwei Sätzen. Der erste Satz enthält einen Fakt und der Zweite eine Meinung bzw. Einschätzung zu diesem Fakt. Die Rechnung bzw. die Zahlen, welche Berset im ersten Satz nennt sind, wie der Tagesanzeiger richtig feststellt, korrekt[19]. Der zweite Satz ist für einen Faktencheck nicht geeignet, weil er mehr Meinung als Fakt darstellt. Dies ist wohl auch der Grund, wieso der Tagesanzeiger diesen Satz in Verbindungen mit dem ersten als «zu salopp» einstuft.

Die neunte und letzte richtige Aussage im Faktencheck stammt von Karin Keller-Sutter: «Die Bauern haben Nachteile. Viele Bauern arbeiten nach der Pensionierung auf dem Hof der Kinder. Jetzt müssten sie dann AHV zahlen.» Im Faktencheck wird diese Aussage als eher falsch gewertet. Die Aussage von Karin Keller-Sutter ist jedoch inhaltlich nicht falsch, jedoch ist der erste Satz der Aussage unpräzise, weil die Aussage so vorgaukelt, die Bauern hätten absolut gesehen Nachteile. Richtig ist jedoch, dass die Altersvorsorge 2020 für die Bauern sowohl Vorteile als auch Nachteile hat. Der Bauernverband ist der Meinung, dass die Vorteile überwiegen.

Die Analyse der neun Checks des Faktenchecks zur Abstimmungs-Arena «Altersvorsorge 2020» zeigt ein mehr als durchzogenes Bild. Zwar gehen die meisten der neun Faktenchecks in ihrer Einschätzung von richtig oder falsch in die richtige Richtung. Jedoch ist es auch so, dass die meisten Aussagen nicht für einen Faktencheck geeignet sind, weil es sich (zumindest zum Teil) um Meinungen handelt und nicht um Fakten. Zudem enthält der Faktencheck auch grobe Fehleinschätzungen (siehe siebte Aussage). Des Weiteren fällt auf, dass immer wieder relevante Fakten ausseracht gelassen werden. Dies liegt wohl auch am Format des Faktenchecks, welcher pro Check aus zwei Absätzen und einem Fazit besteht. Ebenfalls als störender Punkt fällt die Ungleichbehandlung zwischen Befürworter und Gegner auf. Alles in allem muss man leider sagen, dass der Faktenchecks des Tagesanzeigers grobe Mängel aufweist und deshalb kein guter und glaubwürdiger Faktencheck ist. Des Weitern wird man aufgrund der Ungleichbehandlung, dem Auslassen von relevanten Fakten und der zum Teil fragwürdigen Beurteilung von Aussagen, den Verdacht nicht los, dass der Faktencheck des Tagesanzeiger im Falle der Altersvorsorge 2020 nicht neutral agiert.

Replik des Tagesanzeigers: Wie ausgewogen ist der Faktencheck?

 


[1] Fakt (Faktum): etwas, was tatsächlich, nachweisbar vorhanden, geschehen ist; [unumgängliche] Tatsache. (Duden)

Meinung: persönliche Ansicht, Überzeugung, Einstellung o. Ä., die jemand in Bezug auf jemanden, etwas hat (und die sein Urteil bestimmt) oder im Bewusstsein der Allgemeinheit [vor]herrschende Auffassungen hinsichtlich bestimmter [politischer] Sachverhalte. (Duden)

[2]https://www.tagesanzeiger.ch/collectionuebersicht/faktencheck/story/26470652

[3] https://www.poynter.org/international-fact-checking-network-fact-checkers-code-principles

[4] «Wie wir arbeiten» https://www.tagesanzeiger.ch/So-arbeitet-das-FaktencheckTeam/story/27065991

[5] https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/schadet-bersets-reform-den-jungen-die-altersvorsorge-020-im-faktencheck/story/16440863

[6] https://www.srf.ch/sendungen/arena/abstimmungs-arena-altersvorsorge-2020

[7] Anmerkung: Die Aussage von Berset ist nur wegen den gesetzlichen Vorgaben richtig. Rein betriebswirtschaftlich gesehen ist die Aussage falsch, weil die AHV für ihren Betrieb keinen AHV-Fonds mit einem Bestand von 100 Prozent einer Jahresausgabe braucht.

[8] http://www.dringendereform.ch/ & https://twitter.com/pensionskassen

[9] «Eine verbreitete Annahme ist es, dass die 70 Franken Zuschlag bei der AHV dazu da sind, die Senkung des Mindestumwandlungssatzes zu kompensieren. Richtig ist, dass mit den Kompensationsmassnahmen in der 2. Säule, die Senkung des Mindestumwandlungssatzes, bis auf wenige Ausnahmen, innerhalb der beruflichen Vorsorge kompensiert wird. Die monatlichen 70 Franken Zuschlag in der AHV sind zusätzlich. Und zwar für Neurentner, bei Annahme der Reform. Das Plafonds für Ehepaare wird von 150 Prozent auf 155 Prozent der Maximalrente erhöht.» Chatbot Daniela auf https://www.facebook.com/dringendereform.reformeurgente

[10] https://twitter.com/pensionskassenDJsWXoSXgAA-Y2p

[11] «Für EL-Bezügerinnen und -Bezüger kann die Verbesserung der AHV-Rente folgende Konsequenzen haben:

  • In den meisten Fällen (76 %) führt die Verbesserung der AHV-Rente zu einer entsprechenden Kürzung der EL, was damit zusammenhängt, dass es sich bei den EL um eine bedarfsabhängige Leistung handelt. Diese Personen verbleiben jedoch nach wie vor im EL-System und dessen Vorteile bleiben ihnen erhalten.
  • In 22 % der Fälle steigt das Gesamteinkommen der EL-Bezügerinnen und -Bezüger aufgrund der Mindestgarantie (garantierter EL-Mindestbetrag, wenn beispielsweise die Ausgaben das Einkommen um 10 Franken übersteigen) an. Bei diesen Personen bleibt der EL-Betrag unverändert, sie erhalten aber eine höhere AHV-Rente.
  • In 2 % der Fälle hat die Erhöhung der AHV-Rente aufgrund der besseren finanziellen Situation einen Austritt aus dem EL-System zur Folge. Die betroffenen Personen verlieren somit auch die mit dem EL-System verbundenen Vorteile.» https://www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/sozialversicherungen/ahv/reformen-revisionen/altersvorsorge2020/faq.html

[12] Siehe Fussnote 6.

[13]https://www.bsv.admin.ch/dam/bsv/de/dokumente/ahv/finanzperspektiven/Finanzieller_Ausblick_AHV_2035_Lesehilfe_d.pdf.download.pdf/Finanzieller%20Ausblick%20der%20AHV%20bis%202035%20Lesehilfe.pdf

[14] https://twitter.com/AlainS1991/status/904349749532393474, Quelle SRF ECO & BSV

[15] https://www.ubs.com/ch/de/swissbank/privatkunden/vorsorge/studien-analysen/_jcr_content/par/columncontrol_640435765/col1/linklist/link.0734589812.file/bGluay9wYXRoPS9jb250ZW50L2RhbS91YnMvY2gvc3dpc3NiYW5rL3ByaXZhdGUvaW5zdXJhbmNlL2RvY3VtZW50cy9hbHRlcnN2b3Jzb3JnZS0yMDIwLWxpY2h0LXVuZC1zY2hhdHRlbi1kZS5wZGY=/altersvorsorge-2020-licht-und-schatten-de.pdfhttps://nzzas.nzz.ch/notizen/rentenreform-hohe-verluste-fuer-junge-bis-jahrgang-1974-ld.1301475?utm_content=bufferdf3ef&utm_medium=social&utm_source=twitter.com&utm_campaign=bufferhttps://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/rentenreform-wir-erklaeren-wer-gewinnt-und-wer-verliert-131447055https://www.comparis.ch/saeule-3a/altersvorsorge/berechnenhttps://www.srf.ch/static/srf-data/data/2017/rentenrechner/#/de & https://www.parlament.ch/centers/documents/de/mm-sgk-n-2017-03-10-beschluesse-reform-2020-d.pdf

[16] SGK-NR (09.03.2017), https://www.parlament.ch/centers/documents/de/mm-sgk-n-2017-03-10-beschluesse-reform-2020-d.pdf

[17] https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/rentenplan-der-fdp-straft-juengere-und-aermere/story/20939020

[18] https://twitter.com/AlainS1991/status/902191573173231616

[19]https://www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/sozialversicherungen/ahv/reformen-revisionen/altersvorsorge2020/dokumentation.html

Titelbild: Screenshot https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/schadet-bersets-reform-den-jungen-die-altersvorsorge-020-im-faktencheck/story/16440863 


Nein zum unverantwortlichen Ausbau der AHV

Zu den Abstimmungen vom 24. September 2017

Altersreform 2020: Nein zum unverantwortlichen Ausbau der AHV

Mit der Altersreform 2020 wird dem Stimmbürger unter dem Deckmantel einer «Reform» eine Ausbauvorlage auf Pump verkauft. Anstatt die AHV zu sanieren, werden Mehrkosten generiert! Der Ausbau der AHV um 840 Franken pro Jahr kostet Milliarden, welche wir nicht haben und schafft eine Zweiklassen-AHV. Dadurch wird das zentrale Ziel der Reform – die Renten nachhaltig zu sichern – klar verfehlt. Des Weiteren sind die Kosten dieser Scheinreform nicht generationengerecht verteilt. Die unter 45jährigen bezahlen die Zeche und wissen trotzdem nicht, ob sie am Ende des Tages noch eine Rente erhalten. Deshalb sagt die FDP Bezirk Affoltern zweimal Nein zu dieser ungerechten Scheinreform. Ein Nein macht den Weg frei für eine nachhaltige und generationengerechte Reform.

Sozialhilfegesetz: Ja zur Aufhebung der Sozialhilfeleistungen für vorläufig Aufgenommene

Vorläufig Aufgenommene sollen keine Sozialhilfeleistungen mehr beziehen können, sondern wie vor 2012 der Asylfürsorge unterstehen. Dadurch soll ein stärkerer Anreiz gesetzt werden, dass sich vorläufig Aufgenommene rascher in den Arbeitsmarkt integrieren und somit der Trend einer rückläufigen Erwerbsquote bei vorläufig Aufgenommenen gestoppt werden. Die Gemeinden befürchten zwar, dass zusätzliche Kosten bei ihnen anfallen werden, aber sie erhalten mit dieser Gesetzesänderung ihre Handlungsfreiheit zurück. Zudem wird der Kanton immer noch einen Teil der Kosten wie z.B. für die Krankenkasse, übernehmen. Alles in allem betrachte die FDP diese Gesetzesänderung als einen Schritt in die richtige Richtung und empfiehlt deshalb ein Ja.

Anti-Stau: Ja zum vernünftigen Gegenvorschlag

Der Gegenvorschlag zur «Anti-Stauinitiative» sorgt dafür, dass der motorisierte Privatverkehr analog dem öffentlichen Verkehr in der Verfassung des Kantons Zürich explizit verankert wird. Der Kanton wird dazu verpflichtet, für ein leistungsfähiges Staatsstrassennetz für den motorisierten Privatverkehr zu sorgen. Die Verminderung der Leistungsfähigkeit von Staatsstrassen in einzelnen Abschnitten muss inskünftig im umliegenden Strassennetz kompensiert werden, damit die Gesamtleistung des Strassennetzes erhalten bleibt. Der motorisierte Privatverkehr soll mit dieser Verfassungsänderung wieder mehr Gewicht erhalten. An der Förderung des öffentlichen Verkehrs sowie des Langsamverkehrs ändert sich dabei nichts. Im Gegenteil – beide profitieren ebenso von leistungsfähigen Strassen.

Nein zur Änderung im Gesetz über die Jugendheime und die Pflegekinderfürsorge

Das Gesetz ist seit 2015 in der kantonsrätlichen Behandlung. Dabei wird auch der Kostenschlüssel zwischen Kanton und Gemeinden geregelt. Mitten in dieser Behandlung platzte der Bundesgerichtsentscheid, welcher besagte, dass die bisherige Praxis der Kostenverrechnung an die Gemeinden nicht genügend gesetzlich abgestützt sei. Die FDP erachtet das vorgelegte Gesetz als ungenügend, denn es zementiert die Praxis, dass der Kanton die Entscheidungshoheit innehat und die Gemeinden für die Kosten aufkommen. Die FDP vertritt hier die Meinung, dass der Zahlende auch die Entscheidungen fällen soll; ganz nach dem Motto: «Wer bezahlt, befiehlt».

Bezirksrichterwahl: FDP empfiehlt Andreas Huber

Neben den nationalen und kantonalen Abstimmungen steht am 24. September zudem die Wahl für die neu geschaffene Richterstelle am Bezirksgericht Affoltern an. Die FDP Bezirk Affoltern empfiehlt den langjährigen Gerichtsschreiber des Bezirksgerichts Affoltern und Ersatzrichter des Bezirksgerichts Zürich Andreas Huber zur Wahl. Andreas Huber bringt alle nötigen fachlichen Kenntnisse mit und kennt das Bezirksgericht Affoltern dank seiner langjährigen Tätigkeit aus dem Effeff.

Alain Schwald

Präsident FDP Bezirk Affoltern


Die Scheinreform verfehlt das Ziel

Am 24. September stimmen wir über die Altersvorsorge 2020 ab. Ich empfehle dringend ein Nein: Denn die Vorlage ist keine echte Reform, sondern ein Pfusch der Milliarden kostet. Die Linke inklusive der CVP verkauft sie gerne als alternativlos, das ist schlicht falsch. Den Stimmbürgern wird da eine Scheinreform vorgesetzt, die kein einziges der vom Bundesrat gesetzten Reformziele erreicht. Nicht ein einziges! Da sollen Mehrwertsteuer, Lohnbeiträge und das Rentenalter der Frauen spürbar erhöht werden. Wozu? Damit das Geld auf der anderen Seite für eine pauschale Rentenerhöhung nur für Neurentner ausgegeben wird. Ziel der Reform war eigentlich die Sicherung der AHV bei gleichbleibendem Rentenniveau. Was ist daraus geworden? Ein AHV-Ausbau, der mehr kostet als durch die einschneidenden Massnahmen eingespart werden kann. Die Probleme der AHV werden so noch verschärft. Wir brauchen eine echte Reform, die die Altersvorsorge nachhaltig sichert! Deshalb stimme ich am 24. September zweimal Nein zu dieser ungerechten Scheinreform. Dies macht den Weg frei für eine nachhaltige Reform.

Alain Schwald

Präsident FDP Bezirk Affoltern


Das linke Gejammer über wissenschaftliche Berechnungen zur Altersvorsorge

Die Abstimmung über die Altersvorsorge 2020 ist zwar erst Ende September, aber der Abstimmungskampf ist bereits jetzt in vollem Gange. Dies liegt wohl daran, dass es dabei um die zentralsten Einrichtungen des Schweizer Sozialstaates[1] geht: AHV und Pensionskassen. So verwundert es auch nicht, dass dieser Abstimmungskampf bereits in dieser frühen Phase hochemotional und teilweise unter der Gürtellinie[2] geführt wird. Doch nicht nur die Emotionen spielen eine zentrale Rolle, auch die ökonomischen und finanziellen Folgen sind ein zentrales Thema, geht es bei der AHV und den Pensionskassen doch um hunderte von Milliarden, welche umverteilt beziehungsweise angelegt werden. Die Pensionskassen verwalten heute ein Vermögen von mehr als 800 Milliarden[3] und in der AHV werden jährlich über 40 Milliarden[4] an Rentnerinnen und Rentner ausbezahlt. Welche gigantischen Summen dies sind erkennt man, wenn man diese Zahlen mit Bruttoinlandprodukt der Schweiz von 645 Milliarden[5] vergleicht. Dieser Vergleich lässt erahnen, welche Auswirkungen eine Reform der beiden Eckpfeiler des Drei-Säulenmodels[6]auf die Schweizer Volkswirtschaft haben könnte. Auch die finanziellen Auswirkungen für einzelne Personen und Generationen sind nicht zu unterschätzen, wie zum Beispiel die Berechnungen der NZZ am Sonntag zeigten[7].

Wer ist der Pseudowissenschaftler?

Dieser Artikel und insbesondere die Reaktionen von linker Seite auf selbigen und andere Studien sind der Anstoss für diesen Artikel. So kritisierte der linke Ökonom und ehemalige SP-Nationalrat Rudolf Strahm in seiner Kolumne im Tagesanzeiger[8] insbesondere die Studie der UBS[9] als billige «Stimmungsmache gegen sichere Renten» oder als «pseudowissenschaftliche Angstmacher-Studie». Dabei ist es eher Herr Strahm, welcher in pseudowissenschaftlicher Manier gegen diverse Studien schiesst. Er stützt sich bei seinen Aussagen zwar auf Aussagen und Zahlen des BSV[10]. Doch gerade mit den Zahlen des BSV kommt man auf ziemlich ähnliche Zahlen wie in der Studie der UBS (Fussnote 7). Zudem fragt man sich, wieso Ökonom Strahm nicht selbst eine Studie verfasst mit welcher er die Erkenntnisse der UBS-Studie widerlegt. Es liegt die Vermutung nahe, dass er die Erkenntnisse und Zahlen der UBS nicht widerlegen kann. Des Weiteren hat Herr Strahm den Sinn und Zweck von Langzeitberechnungen bzgl. der AHV nicht wirklich verstanden. Wieso solche technische Bilanzen sinnvoll sind, hat meine ehemalige Professorin Monika Bütler in ihrer NZZ Kolumne[11] sehr gut dargelegt.

NZZ – die Ahnungslosen?

Die Reaktion von Herr Strahm blieb nicht die Einzige auf linker Seite. Auch der ehemalige Präsident der JUSO und heutige Nationalrat Cédric Wermuth kritisierte die Studien und Artikel aufs heftigste. So stempelte er den Artikel der NZZ am Sonntag als «doch eher billige Polemik gegen die AV2020»[12] ab. Dabei erklärt der Politikwissenschaftler Wermuth, dass die renommierteste Wirtschaftszeitung des Landes keine Ahnung von Ökonomie habe und die Funktionsweise der Altersvorsorge sowieso nicht verstanden habe. Aber der Reihe nach. Zuerst beschwert sich Wermuth über den, aus seiner Sicht, zu reisserischen Titel des Artikels, dabei sollte er doch langsam wissen, wie Journalismus bis zu einem gewissen Punkt funktioniert. In der Folge verdreht er das Hauptargument der Gegner der Altersreform 2020 «Die Jungen bezahlen die Zeche für diese Reform» in «Die Jungen bezahlen mit dieser Reform die Renten der Alten!». Cédric Wermuth macht hier also genau dasselbe, was er seinen Gegnern vorwirft: Er verdreht die Fakten so, dass sie seine Argumentation stützen.

AHV – ein ökonomisches Wunderwerk?

Darauf folgt der interessanteste Teil: In dem Wermuth die AHV und ihr Umlageverfahren zu einem ökonomischen Wunderwerk hochstilisiert und das Kapitaldeckungsverfahren zum ökonomisches Desaster verklärt. So behauptet er, dass die AHV Umverteilung von der erwerbstätigen Bevölkerung zu den Rentnern zu mehr Konsum und mehr Nachfrage führe und im Endeffekt sogar die Arbeitslosigkeit senken und die Wirtschaft stärken würde. Bei seiner Begründung stützt sich Wermuth mehrheitlich auf den Ökonom Werner Vontobel[13]. Ausgehend von der Leistungsbilanz erklärt er, dass Schweizerinnen und Schweizer unter ihren Möglichkeiten konsumieren, weil sie aufgrund des Leistungsbilanzüberschusses Jahr für Jahr Kapital in die Welt exportieren. So argumentiert Wermuth, dass Schweizerinnen und Schweizer mehr konsumieren sollten und dies am einfachsten zu erreichen sei, wenn man den Rentnern mit Hilfe der AHV mehr Geld zur Verfügung stelle, da diese heute ein tieferes Konsumniveau haben. Die Argumentation von Wermuth und Vontobel geht wohl zum einen auf die fehlerhafte Annahme vieler Keynesianer zurück, dass mehr Konsum auf Kosten von Investitionen (bzw. Sparen) immer gut ist[14], obwohl diese Annahme nicht einmal von den keynesianischen Modellen gestützt wird. Zum anderen unterscheidet Ökonom Vontobel nur unzureichend zwischen Konsum und Investitionen[15], obwohl diese Unterscheidung essentiell ist.

Es ist zwar richtig, dass wir aufgrund der hohen Exporte mehr konsumieren könnten, es ist jedoch sehr fraglich, ob dies wirtschaftlich sinnvoll ist und ob dieser Konsum nicht mehrheitlich zu einer Erhöhung der Importe führt, welche den positiven Effekt des höheren Konsums wieder zunichte macht[16]. Zudem führen die Auslandsinvestitionen (Kapitalexport) langfristig zu einer Erhöhung des Volkseinkommens über ausländische Kapitaleinkommen. Des Weiteren unterschlägt Wermuth die Opportunitätskosten der AHV bzw. eines AHV Ausbaus. AHV Gelder werden von Erwerbstätigen zu Rentnern umverteilt, in Folge dessen stehen diese Gelder den Erwerbstätigen nicht mehr zur Verfügung und diese können selbst weniger konsumieren oder investieren.

Es lässt sich festhalten, dass eine simple Umverteilung wie sie bei der AHV per Umlageverfahren geschieht, nicht zu einer Erhöhung der Nachfrage führt, da dadurch kein Mehrwert geschaffen wird: Die Menge an Ressourcen und Kapital bzw. Volkseinkommen bleibt unverändert. Ein positiver Effekt auf das Volkseinkommen ist zwar denkbar, wenn die Rentner mit dem umverteilten Kapital effizienter umgehen als die Erwerbstätigen[17]. Dieser Fall ist jedoch sehr unwahrscheinlich, weil es sonst einen freiwilligen und marktwirtschaftlichen Anreiz gäbe, diese Gelder von sich aus umzuverteilen. Die AHV ist zwar kein ökonomisches Wunderwerk und hat auf das Volkseinkommen praktisch keine positive Wirkung, ist jedoch für viele Rentner eine wichtige Einkommensquelle und hat deshalb eine grosse ökonomische Bedeutung.

Kapitaldeckungsverfahren – ein kapitaler Fehler?

Ebenfalls eine grosse ökonomische Bedeutung hat die 2. Säule, die berufliche Vorsorge (BVG) (siehe Absatz 1). Aus der Sicht von Cédric Wermuth bzw. Ökonom Vontobel sind die Pensionskassen aber ein ökonomischer Fehler: «In der Schweiz „versickert“ zu viel Rentenvolumen in der 2. Säule.». Auch hier kommt wieder die falsche Annahme «Konsum ist besser als Sparen» zum Tragen. Zudem behauptet Cédric Wermuth mehr oder weniger, dass investieren «in Zeiten von Überschüssen bei Unternehmen und Staat sinnlos ist, weil das Geld nirgends angelegt werden kann. Daraus resultiert dann auch der Druck auf den Umwandlungssatz.» Es ist zwar richtig, dass wir heute ein Anlageproblem haben, weil die Renditen an den Kapitalmärkten weltweit im Keller sind. Dies liegt jedoch nicht am von Wermuth behaupteten Zusammenhang, welcher im Übrigen falsch ist[18], sondern an der ultraexpansiven Geldpolitik der Zentralbanken, welche wir nun seit fast zehn Jahren erleben[19]. Zudem resultiert der Druck auf den Umwandlungssatz in der 2. Säule in erster Linie durch die stetig steigende Lebenserwartung und erst in zweiter Linie durch das anhaltende Tiefzinsumfeld[20]. Das schlecht Reden der 2. Säule hat leider seit längerem System. Schaut man die Sache jedoch empirisch an, so ist die 2. Säule und mit ihr das Kapitaldeckungsverfahren ein voller Erfolg. Der Erfolg geht sogar so weit, dass man heute den allermeisten Rentnern[21] höhere Renten auszahlen könnte, wenn man die AHV ebenfalls nach dem Kapitaldeckungsverfahren konstruiert hätte[22].


[1] http://www.geschichtedersozialensicherheit.ch/home/

[2] https://twitter.com/AGmur/status/879274600974233600

[3] http://www.handelszeitung.ch/unternehmen/pensionskassen-erholen-sich-vom-snb-schock-739994

[4] https://www.nzz.ch/schweiz/zahlen-und-fakten-zur-altersvorsorge-ahv-fonds-dreht-ins-minus-ld.110198

[5] https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/volkswirtschaft/volkswirtschaftliche-gesamtrechnung/bruttoinlandprodukt.html

[6] Das Schweizer Altersvorsorgesystem besteht aus 3. Säulen: AHV (& IV), Pensionskassen und Private Vorsorge

[7] https://nzzas.nzz.ch/notizen/rentenreform-hohe-verluste-fuer-junge-bis-jahrgang-1974-ld.1301475

[8] http://www.rudolfstrahm.ch/stimmungsmache-gegen-sichere-renten/

[9] https://www.ubs.com/ch/de/swissbank/privatkunden/vorsorge/studien-analysen/_jcr_content/par/columncontrol_640435765/col1/linklist/link.1717503980.file/bGluay9wYXRoPS9jb250ZW50L2RhbS91YnMvY2gvc3dpc3NiYW5rL3ByaXZhdGUvaW5zdXJhbmNlL2RvY3VtZW50cy9hbHRlcnN2b3Jzb3JnZS1kZS5QREY=/altersvorsorge-de.PDF

[10] Bundesamt für Sozialversicherungen

[11] http://www.batz.ch/2017/06/rueckwaerts-im-ahv-zug-und-es-ist-allen-wohl-dabei/

[12] http://cedricwermuth.ch/nzz-am-sonntag-mit-doch-eher-billiger-polemik-gegen-die-av2020/

[13] http://www.werner-vontobel.ch/index.cfm?tem=1&spr=0&hpn=2&new=42

[14] http://www.misesde.org/?p=12875

[15] http://www.werner-vontobel.ch/index.cfm?tem=1&spr=0&hpn=2&new=48, Siehe letzter Absatz

[16] Gesamtwirtschaftliche Nachfrage einer offenen Volkswirtschaft: Y = C + I + G + EX – IM

[17] Wermuth und Vontobel setzen mit ihrer falschen Annahme «Konsum ist besser als Sparen» diesen Fall voraus. Sparen ist jedoch mindestens genauso wichtig. Sparen ist unverzichtbar: http://www.misesde.org/?p=12875, Absatz 6.

[18] Es ist zwar richtig, dass sich in einem solchen Umfeld Investitionen wohl geringere Renditen abwerfen, weil die Zinsen in solchem Umfeld in der Regel tiefer sind. Dies heisst aber noch lange nicht, dass Investieren sinnlos ist. Des Weiteren ist es so, dass die Welt noch nie so verschuldet war wie heute. Überschüsse von Staat und Privaten sind deshalb dringend nötig.

[19] https://www.srf.ch/sendungen/wirtschaftswoche/die-finanzmaerkte-sind-verzweifelt

[20] http://www.dringendereform.ch/news/2017-04-24-warum-der-umwandlungssatz-gesenkt-werden-muss

[21] Die Subventionen des Bundes an die AHV von rund 11 Milliarden würden wegfallen und diese könnten zum Teil dazu verwendet werden um die wenigen Rentner, welche in diesem Szenario schlechter gestellt werden, zu «entschädigen».

[22] Berechnungen von P. Eugster (2016) an Hand von Zahlen des BFS, http://www.tgl.ch/fileadmin/user_upload/tgl_uploads/Pictet_Shares_Empirical_study_de_1_.pdf und https://www.ch.ch/de/ahv-rente-berechnen/. So würde zum Beispiel ein Rentner, welcher 2014 pensioniert wurde und davor den Medianlohn von rund 6200 Fr./Monat verdiente rund 600-700 Franken mehr Rente pro Monat erhalten.


Alternativlose Energiestrategie 2050?

Die Befürworter des neuen Energiegesetzes behaupten immer wieder dieses sei alternativlos bzw. die Alternative würde neue Kernkraftwerke heissen. Dies ist jedoch falsch: Es gibt nicht nur eine Alternative, wir können sogar sehr genau sagen wie diese aussehen soll. Man kann diesen Plan B als «Gleiche Chancen für alle Energieträger» skizzieren – möge sich der oder die Besten durchsetzen.

Keine Subventionen – Umbau des Steuersystems

Konkret heisst das, dass alle Energieträger gleich lange Spiesse erhalten sollen. Was auch bedeutet, dass zukünftig jegliche Art der Subvention von Energieträgern verboten ist und dass wir unser Steuersystem im Bereich der Energieversorgung und der Mobilität überdenken müssen. Dabei dürfen Mobility Pricing und die CO2-Steuer kein Tabu sein. Der Umbau des Steuersystems soll nicht gleichbedeutend mit neuen Steuern sein, welche zu den bisherigen Steuern addiert werden, sondern damit, dass man das alte Steuersystem streicht und durch ein Neues ersetzt. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die gesamte Steuerlast nicht steigt, sondern sinkt. Diese sinkende Steuerlast hätte einen positiven Effekt auf die ganze Volkswirtschaft.

Entstaatlichung des Energiemarktes

Neben dem Umbau des Steuersystems braucht es dringend eine Entstaatlichung des Energiemarktes. Dies heisst insbesondere, dass man die grossen Stromkonzerne – wie Alpiq oder Axpo – vollständig privatisieren muss. Staatliche Energieversorger auf kommunaler Ebene sollen, wenn dies von der Bevölkerung gewünscht und als nötig erachtet wird, weiterhin möglich sein. Des Weiteren muss der Strommarkt vollständig liberalisiert werden, so dass die Kunden selbst entscheiden können von wem sie welchen Strom beziehen wollen. Zur Entstaatlichung des Energiemarktes gehören auch die Abschaffung kontraproduktiver Regulierungen, wie dem Abnahmezwang von Strom für Energieversorger.

Selbstbestimmung und Freiheit anstatt Zwang und Verbot

Wie unschwer zu erkennen ist zielt die skizzierte Alternative in eine ganz andere Richtung als die Energiestrategie 2050. Anstatt Subventionen, Zwang und «de facto-Technologieverbote» setzt dieser Plan auf die Stärken des freien Marktes und lässt den Akteuren innerhalb der Rahmenbedingungen die Freiheit selbst zu entscheiden, welchen Energieträger sie wollen, ohne dabei die externen Effekte ausser Acht zu lassen. Ob sich unter solchen Rahmenbedingungen die verschmähten AKWs durchsetzen ist mit grossen Fragezeichen verbunden. Ein Nein zur Energiestrategie 2050 ist deshalb alles andere als planlos und gibt uns die Chance ein Energiegesetz auszuarbeiten, welches wirklich eine nachhaltige und zukunftsfähige Energieversorgung möglich macht und nicht in einer planwirtschaftlichen Sackgasse endet.

Alain Schwald

Vorstand Jungfreisinnige Zürich


Die Erfolgsgeschichte der Schweiz weiterschreiben

Unternehmenssteuerreform III, Abstimmung vom 12. Februar

Die Schweiz ist eine Erfolgsgeschichte. Im Jahr 2016 war die Schweiz laut dem World Economic Forum (WEF) zum achten Mal in Folge das konkurrenzfähigste Land der Welt und dies obwohl die Schweiz ein kleines Land ohne nennenswerte Rohstoffvorkommen ist. Die Grundlage dieses Erfolgssystems Schweiz ist eine demokratische und liberale Gesellschaft mit attraktiven Standortbedingungen für Mensch und Wirtschaft. Die Eckpfeiler dieser Gesellschaft sind grosse Freiheiten für BürgerInnen und Unternehmen, ein hervorragendes Bildungssystem, ein liberaler Arbeitsmarkt, ein schlanker und effizienter Staat und tiefe Steuern. An diesem Erfolgsmodell gilt es festzuhalten. Dieses Modell muss aber auch weiterentwickelt werden, denn wer stehen bleibt, der fällt zurück. Die Unternehmenssteuerreform III ist eine solche Weiterentwicklung, welche die Erfolgsgeschichte der Schweiz weiterschreibt.

Föderale Lösung: Umsetzung obliegt den Kantonen

Eine zentrale Stärke dieser Steuerreform ist der föderale Aufbau. Der Bund gibt den Kantonen als Ersatz für die bisher angewendeten Steuerprivilegien für Holding- und Statusgesellschaften drei neue Instrumente neben der Höhe des Gewinnsteuersatzes (Patentbox, Forschungs- und Entwicklungsförderung und zinsbereinigte Gewinnsteuer). Die Kantone entscheiden dabei selbst ob und wie sie diese Instrumente einsetzen (Die Einführung des Instruments Patentbox ist für die Kantone obligatorisch). Diese Begebenheit trägt den verschiedenen Bedürfnissen der Kantone Rechnung. Jeder Kanton kann die USRIII so umsetzen, dass diese seinen Anliegen entspricht. Ein weiterer zentraler Punkt der Reform ist die Entlastungsbeschränkung, welche die neuen Instrumente auf ein gesundes Mass beschränkt und die Erhöhung des Kantonanteils an der direkten Bundessteuer von 17 Prozent auf 21,2 Prozent vorsieht. Diese Massnahmen sollen die kurzfristigen Ausfälle in den Kantonen abfedern und den Kantonen erlauben, auch Gelder an die Gemeinden weiterzugeben. Die restlichen beschlossenen Massnahmen dienen der Abschaffung der bisherigen Steuerpraxis und dem Übergang zur neuen Praxis.

Steuerliche Gleichstellung aller Unternehmen

In den Genuss der bisherigen Steuerprivilegien kamen nur Holding- und Statusgesellschaften. Dies stellt eine grosse Ungerechtigkeit dar. Mit der Reform werden diese Ungerechtigkeiten beseitigt, denn die neuen  Instrumente stehen allen Unternehmen offen. Des Weitern sorgen die Instrumente Patentbox und Forschungs- und Entwicklungsförderung für eine Stärkung des Forschungsstandortes Schweiz. Das dritte Instrument – die zinsbereinigte Gewinnsteuer – ist für den Schweizer Finanzplatz und somit auch für den Kanton Zürich von zentraler Bedeutung. Dieses wird von den Gegnern der Reform sehr oft kritisiert. Zu Unrecht, wie ich meine, denn die zinsbereinigte Gewinnsteuer kümmert sich endlich um die steuerliche Ungleichbehandlung von Fremdkapital und Eigenkapital. Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wünschenswert wäre ein kompletter Abzug der Kapitalkosten wie beim Fremdkapital. Die zinsbereinigte Gewinnsteuer ist auf das überschüssige Eigenkapital beschränkt. Wer glaubt, Eigenkapital sei für ein Unternehmen gratis, der irrt sich. Eigenkapital kostet das Unternehmen ebenso wie Fremdkapital, denn nicht nur die Gläubiger, sondern auch die Eigentümer einer Unternehmung möchten eine Entschädigung/eine Rendite dafür, dass sie dem Unternehmen Geld geben. Die heutige Ungleichbehandlung, welche weiter besteht jedoch abgeschwächt wird, führt dazu, dass sich Unternehmen tendenziell höher verschulden. Wo dies hinführen kann, haben wir vor wenigen Jahren bei der UBS gesehen. Bei der zinsbereinigten Gewinnsteuer wird ein abzugsfähiger Zins auf dem überschüssigen Eigenkapital berechnet. Der dafür verwendete Zinssatz richtet sich nach dem Zinssatz am Kapitalmarkt. In der Regel wird der Zinssatz einer 10jährigen Bundesanleihe verwendet. Da dieser Zinssatz heute sehr tief ist, beziehungsweise sogar negativ ist, hätte dieses Instrument in Naher Zukunft fast keine Auswirkungen.

Ausfälle: Positive Effekt überwiegen mittel- bis langfristig

Wieviel kostet diese Reform? Es ist klar: Gratis ist auch diese Reform nicht. Der Bund schätzt die Ausfälle bei sich auf rund 1.1 Milliarden pro Jahr, welche (mehrheitlich) durch die Erhöhung des Kantonanteils an den Bundessteuern zustande kommt. Die Kosten bei den Kantonen und Gemeinden lassen sich nur schwer beziffern, da diese von den jeweiligen Umsetzungen abhängig sind. Man geht davon aus, dass die Kosten für Bund, Kantone und Gemeinden im gesamten bis zu drei Milliarden betragen. Dies ist sehr viel Geld. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass die meisten dieser Kosten durch die Senkung der Gewinnsteuersätze in den Kantonen, welche es auch bei einer Ablehnung und einer neuen Vorlage geben wird, zustande kommen und dass ohne Reform mehr als fünf Milliarden Franken auf dem Spiel stehen. Des Weiteren kann davon ausgegangen werden, dass die durch die Reform entstehenden positiven Effekte und das Wachstum der Wirtschaft mittel- bis langfristig dazu führen werden, dass sich die USRIII nicht nur für die Unternehmen und die Wirtschaft, sondern auch für den Bund, die Kantone und die Gemeinden auszahlen wird. Und somit Steuererhöhungen für Privatpersonen – unter anderem dem Mittelstand – eher die Ausnahme als die Regel sein werden. Die Behauptung der Gegner der Mittelstand würde diese Reform bezahlen ist deshalb falsch.

Die SP hat keinen Plan B

Die Gegner der Reform beklagen, dass die Vorlage überladen und ein Eldorado der Steuerschlupflöcher sei. Weder das Eine noch das Andere stimmt. Die Vorlage beschränkt sich auf wenige Instrumente, welche zudem in der Handhabung begrenzt sind. Die Begriffe wie Patentbox oder zinsbereinigte Gewinnsteuer tönen zwar sehr kompliziert, sind aber bei genauerem Hinschauen eher einfach als kompliziert und keine gefährlichen Steuerschlupflöcher, wie die SP in ihrer Kampagne moniert. Die SP geht mit Schreckgespenstern hausieren, welche so einfach nicht zutreffen. Die angeblich drohenden zweistelligen Steuererhöhungen in den Gemeinden sind reine Angstmacherei. Ausserdem bleibt die SP, welche eine Reform ebenso für nötig hält, jede Antwort nach einem Plan B schuldig. Die Unternehmenssteuerreform III ist ein ausgewogener Kompromiss aller Parteien rechts der SP (von GLP bis SVP), welche die Steuerprobleme mit der EU und der OECD lösen und die Schweiz und deren Wirtschaftsstandort stärken und sichern wird.

Alain Schwald

Präsident FDP Bezirk Affoltern

Quellen und mehr zum Thema Unternehmenssteuerreform III:

Gewinner und Verlierer der Steuerreform – Wo die Milliarden hinfliessen

Unternehmenssteuerreform III: Faktenblatt

Diese Firmen profitieren von der Steuerreform – und diese zahlen mehr

Kurtz erklärt: USR III

Interview mit Bundesrat Ueli Maurer

Volksabstimmung vom 12.02.2017 – Erläuterungen des Bundesrates

Offizielles Abstimmungsdossier zur USR III


Der ‪‎Brexit ist weder gut noch schlecht, er ist, was wir Europäer daraus machen.

Mit Sicherheit stehen Europa grosse Herausforderungen bevor, doch um ehrlich zu sein, vor diesen Herausforderungen würde Europa und die EU auch ohne den Brexit über kurz oder lang stehen. Europa und die EU haben sich über Jahre in die Sackgasse manövriert. Jetzt gilt es endlich einzusehen, dass es so nicht weitergehen kann. Es muss sich etwas ändern! Wenn nicht jetzt, wann dann?

Europa braucht eine Vision von Wettbewerb, Freiheit, Demokratie und Föderalismus. Dafür braucht es keine allmächtige Europäische Union, welche von Brüssel aus in zentralistischer und undemokratischer Art und Weise für das “Wohl” Europas sorgt. Was es aber auch nicht braucht ist blinder Nationalismus.
Es braucht Reformen. Es braucht ein offenes und liberales Europa, das auch akzeptiert, wenn Länder selber föderal und demokratisch entscheiden – ihre Kompetenzen und Entscheidungen nicht an übergeordnete Organisationen abgeben.

Das Wohl Europas beginnt nicht in Brüssel bei der EU, sondern in den Köpfen der Bürger dieses Kontinents. Die Zukunft beginnt jetzt.


Ökonomie: Der Kampf der Ideologien

Hinter dieser Frage steht das Grundsatzproblem jeder Wissenschaft. Wissenschaftliche Erkenntnis und Arbeiten werden beeinflusst von den eigenen Vorstellungen, Wertehaltungen, Erfahrungen und vielen weiteren persönliche Faktoren. Dies führt dazu, dass ein Wissenschaftler bereits im vornherein eine Wunschvorstellung von den herauszufindenden Ergebnissen und deren Implikationen hat. In den exakten Wissenschaften wie der Mathematik ist dies kein grosses Problem, weil es in solchen Gebieten nur richtig oder falsch gibt und der Interpretationsspielraum damit sehr klein ist. In anderen wissenschaftlichen Disziplinen, zum Beispiel der Biologie, können Feldforschung und Beobachtung zur Wahrheitsfindung beigezogen werden und eine Hypothese kann so ebenfalls relativ rasch widerlegt werden. In der Ökonomie ist dies jedoch nicht der Fall. Wie bei allen Sozialwissenschaften ist eine Bestimmung von exakten Gesetzen nur sehr schwer möglich und der Interpretationsspielraum bleibt offen. Neben dem Faktor des persönlichen Einflusses gibt es in der Ökonomie noch einen zweiten ebenso wichtigen Faktor, welcher die Theorie mitprägt: Die Gesellschaft. Hier sind die aktuellen Geschehnisse, die Politik, die sozialen Zustände der Gesellschaft und die vorherrschenden Paradigmen gemeint. Dies kann dazu führen, dass die entstehende wissenschaftliche Arbeit und Theorie nicht frei von Werturteilen ist, sondern von den aktuellen Umständen und dem eigenen Weltbild geprägt ist. Richtig problematisch wird es als Ökonom, wenn man sich einer gewissen ökonomischen Denkschule zuordnet. So verstärkt sich die Gefahr, dass man die Forschung nicht neutral sondern durch die Brille der eigenen Vorstellungen und der Denkweise jener Schule betrachtet. Konsequenterweise führt dies zu einer stärkeren Identifizierung mit der Denkschule und der eigenen Vorstellung und entsprechend zu einer Ablehnung der anderen Denkrichtungen. Im Extremfall führt es sogar zu einem Richtungsstreit zwischen verschiedenen Ideologien, in welchem es nur darum geht die andere Denkschule zu wiederlegen.

Der berühmteste Richtungsstreit dieser Art in der Ökonomie ist wohl der Methodenstreit zwischen Gustav von Schmoller und Carl Menger Ende des 19. Jahrhunderts und Anfangs des 20. Jahrhunderts, in dem es schliesslich mehr um Machtpolitik als um akademische Erkenntnisse ging und der die Entwicklung der ökonomischen Lehre in Deutschland hemmte. Hier kann man aber auch die These vertreten, dass dieser Streit Nährboden für neue Ideen und Denkrichtungen bildete. So entwickelt sich im Nachgang und als Folge des Methodenstreits die österreichische Schule der Nationalökonomie. Ein Diskurs mit ähnlichen Motiven ist die Debatte des 20. Jahrhunderts über die Rolle des Staates, welche im Nachgang zur Grossen Depression, zwischen dem Keynesianismus, dem Monetarismus und der österreichischen Schule um Friedrich von Hayek entbrannte und bis heute andauert. Insbesondere Milton Friedman und Hayek führten einen oft ideologisch geprägten Kampf gegen den Keynesianismus und die Thesen von Keynes. Die ideologische Prägung von Friedman lässt sich gut an einem berühmten Zitat von ihm illustrieren: „Wäre die freie Marktwirtschaft nicht das effizienteste System, ich wollte sie trotzdem – wegen der Werte, die sie repräsentiert: Wahlfreiheit, Herausforderung, Risiko.“(1). Auch wenn diese Debatte sehr ideologisch geprägt war und auch immer noch ist, hat sie den Weg für eine ungemeine Vielfallt von neuen ökonomischen Ideen und Werken bereitet. Obwohl die meisten dieser Werke vor einem ideologischen oder politischen Hintergrund entstanden sind, ist diese Entwicklung trotzdem positiv zu werten, denn durch den Wettbewerb der Ideen entstehen Innovationen und Weiterentwicklungen der Wissenschaft und so geschieht wohl auch eine Annäherung an die Realität. Dies funktioniert aber nur, wenn der Diskurs beziehungsweise die Handlung nicht nur rein ideologisch oder politisch geprägt ist, sondern eben auch von einem gegenseitigen Respekt.

Ein Beispiel für blinden Idealismus, ist die Einführung des Euros Ende des 20. Jahrhunderts in Europa. Dabei wurden die Bedenken von unzähligen bekannten Ökonomen – wie Martin Feldstein, Milton Friedman oder dem heutigen SNB-Präsidenten Thomas Jordan – bewusst ignoriert. Der Euro wurde damals aus rein politischen und nicht aus ökonomischen Gründen eingeführt. Deshalb verwundert es auch nicht, dass die damals angesprochenen Mängel der Währungsunion bis heute nicht beseitigt sind. Verdeutlicht wird dies von einer Aussage von Martin Feldstein vom Oktober 2015 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Die Eurozone hat nicht die Anpassungsmechanismen, die es in den Vereinigten Staaten gibt, vor allem die Umverteilung durch die Steuer- und Sozialsysteme.“(2). Es ist eines jener Argumente, welches er 1997 in seiner Eurokritik in der Zeitschrift Foreign Affairs verwendete. Selbiges Phänomen lässt sich übrigens auch bei der europäischen Staatsschuldenkrise beobachten. Obwohl sich längst abzeichnet, dass die Austeritätspolitik Europas gescheitert ist und von unzähligen Ökonomen verschiedener Denkrichtungen kritisiert wird, halten Politik und gewisse ökonomische Strömungen an dieser Theorie fest.

Welche Rückschlüsse lassen sich nun daraus auf die Frage zu Beginn ziehen. Zum einen haben die aufgeführten Beispiele gezeigt, dass ideologische und politische Motive im ökonomischen Diskurs oft eine wichtige und entscheidende Rolle spielen. Eine Rolle spielt dabei auch das Grundsatzproblem der wissenschaftlichen Arbeit: Die Beeinflussung durch die eigne Persönlichkeit und das Umfeld. Ein Umstand welcher das Abbilden der Realität in der ökonomischen Theorie erschwert. Jedoch konnte auch gezeigt werden, wie ein Diskurs zwischen Ideologie und Denkschulen durch einen Ideenwettbewerb zu einer Annäherung an die Realität führen kann. Problematisch wird das Ganze erst, wenn die Debatte oder Handlung nur noch auf rein politischen oder ideologischen Motiven und Aspekten geführt wird und blinder Idealismus herrscht.


 

1: Buomberger, T. (2006). Serie Ökonomen: Milton Friedman: Das höchste Gut heisst Freiheit. Bilanz – Das Schweizer Wirtschaftsmagazin.  http://www.bilanz.ch/unternehmen/serie-oekonomen-milton-friedman-das-hoechste-gut-heisst-freiheit

2: Plickert, P. (2015). Martin Feldstein im Interview:„Der Euro hat wirtschaftlich enorm geschadet“. Frankfurter Allgemeine Zeitung. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/martin-feldstein-im-interview-der-euro-hat-wirtschaftlich-enorm-geschadet-13889760.html


Marktversagen im heutigen Finanzsystem: (Mehr als) eine Illusion?

Es gibt Begebenheiten in denen der Markt unvollkommen ist und eine pareto-effiziente Allokation nicht zu Stande kommt. Solche Fälle werden in der Ökonomie Marktversagen genannt. Das angebliche Versagen des Marktes ist die häufigste Begründung für staatliche Eingriffe in den freien Markt. Seit der Finanzkrise von 2008 ist ein exorbitantes Wachstum solcher Staatseingriffe zu verzeichnen. Neue Regulierungen, welche vermeintliche Marktversagen in der Finanzbranche beheben sollen, schissen wie Pilze aus dem Boden (1). Dabei wird oft vernachlässigt, dass Marktversagen auch ohne staatliche Eingriffe behoben werden kann (2). Zudem ist es bei einer solchen Anzahl und Häufung von staatlichen Eingriffen und der daraus resultierenden Regulierung fraglich, ob es sich dabei immer um ein Versagen des Marktes handelt.

Beispiele dafür gibt es in der Finanzindustrie zu Hauf. So wurde im Nachgang der Finanzkrise bemängelt, dass die drei grossen Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch eine marktbeherrschende Stellung innehaben (95% Marktanteil). Mit neuer Regulierung soll dies bekämpft werden. Worauf diese Marktsituation zurückzuführen ist, interessiert selbstredend niemand. Tatsache ist, dass sie auf eine staatliche Massnahme von 1975 zurückzuführen ist. 1975 erklärte die US-Regulierungsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) die drei Institute zu Nationally Recognized Statistical Rating Organizations (NRSRO) und diese hatten so, fort an quasi einen öffentlichen Status (3). Erst dies ermöglichte ihnen eine derart marktbeherrschende Stellung zu erlangen. Nun sollen also neue Regulierungen diesen Fehler aus den 70er Jahren beheben. Es ist jedoch sehr bezeichnend, dass genau diese neuen Regulierungen mit gutgemeinten Kontrollmechanismen die Position der arrivierten Ratingagenturen schützen und stärken (4).

Ein weiteres Beispiel, welches sich ebenfalls in der vergangenen Finanzkrise zeigte und ein schwerwiegendes Problem für die Stabilität der Finanzwirtschaft darstellt, ist die zu geringe Eigenkapitalquote der (Gross-)Banken. Dieses Problem wurde nach der Finanzkrise zu recht aufgegriffen. Aber anstatt zu hinterfragen, wieso die meisten Banken mit zu tiefen Eigenkapitalquoten arbeiten, wurde das Problem mit neuer Regulierung (vgl. Basel III) überlagert und so behoben, meint man zumindest. Dabei erkannten aber weder die Regulierungsbehörden noch die meisten Ökonomen die tieferliegenden Ursachen, geschweige den wurden diese angepackt. Finanzinstitute arbeiten grundsätzlich mit einer tieferen Eigenkapitalquote als Unternehmen aus anderen Branchen. Dies alleine ist jedoch nicht der Grund für die sehr tiefen bisweilen zu tiefen Eigenmittelquoten vieler Banken. Der Grund ist wohl auf einen steuerlichen Anreiz, welcher auf der steuerlichen Ungleichbehandlung von Fremd- und Eigenkapital beruht, zurückzuführen. Zinsaufwand welcher bei Fremdkapital anfällt ist steuerlich als Betriebsaufwand vom Gewinn abziehbar, die Kapitalkosten des Eigenkapitals hingegen nicht (5). Dies führt dazu, dass Unternehmen generell auf tiefere Eigenkapitalquoten setzen, als dies aus rein marktwirtschaftlicher Optik geschehen würde. Dieser Effekt ist insbesondere bei Publikumsgesellschaften ausgeprägt vorhanden. In den meisten Fällen und Branchen ist der steuerliche Anreiz unproblematisch, weil die Eigenkapitalquote auch dann noch genug hoch ist (zum Beispiel 50% statt vielleicht 55%). Bei Banken und in der Finanzbranche generell ist dieser Anreiz jedoch problematisch und insbesondere bei grossen Publikumsgesellschaften – wie den Grossbanken – gefährlich. Dies nicht nur für die einzelne Bank, sondern für das ganze Finanzsystem, da jene Banken meist systemrelevant sind und bei einem Konkurs das ganze Finanzsystem in die Tiefe ziehen könnte (6). Diese Tatsache zeigt, dass besagter steuerlicher Anreiz in der Finanzbranche ein Fehlanreiz ist, welcher zu unabsehbaren Folgen führen kann. Leider wird dieser Fehlanreiz nur von Wenigen erkannt und von noch Wenigeren kritisiert. Man macht lieber neue Regulierungen, wie die Mindesteigenmittelanforderungen nach Basel III (7), welche nur die Symptome des Problems bekämpfen und nicht dessen Ursache: Ein staatlicher Fehlanreiz. Dies ist ein typisches Beispiel für staatliches Versagen. Es ist einfacher neue Regulierungen zu erlassen, als die eigenen Fehler einzusehen und die staatlichen Anreize und Regulierungen von Grund auf zu hinterfragen.

Das Finanzsystem ist voll von solchen Beispielen. Dies hat dazu geführt, dass das Finanzsystem heute von A bis Z durchreguliert ist, es jedoch weder sicherer noch transparenter, geschweige den durchschaubarer geworden ist. Es ist wohl eher das Gegenteil der Fall. Von den Marktversagen, von welchen immer wieder gesprochen wird, ist bei dieser dichte an Regeln jedoch weit und breit nichts zu sehen. Viel mehr liegt der Schluss nahe, dass es sich in den allermeisten – wenn nicht in allen – Fällen um ein Versagen des Staates handelt, welches nun durch neue staatliche Eingriffe gelöst werden soll. Dies tönt zwar paradox, ist aber mehr als plausibel, wenn man weiss wie staatliche Institutionen funktionieren und dass die politischen Parteien ungern ihre ideologischen Grundsätze über Bord werfen.


 

1: Buomberger, P. (2014). Warum die Regulierungsflut kaum zu stoppen ist. Von avenir suisse: http://www.avenir-suisse.ch/42142/warum-die-regulierungsdichte-zunimmt/

2: Guyer, P. (2015). Mikroökonomie III FS 2015 – Vorlesung 5. St. Gallen: Universität St. Gallen.

3: Pfanzelt, S. (2012). Die Regulierung von Rating-Agenturen in den USA und der EU: Eine Analyse der „domestic sources“ divergenter Politikentscheidungen. Berlin: Freie Universität Berlin.

4: Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 Des Europäischen Parlaments und des Rates. (2009). Brüssel: Amtsblatt der Europäischen Union.

5: Dwenger, N. (2011). Besteuerung und Finanzierungsstruktur von Unternehmen. Von Max-Planck-Gesellschaft: https://www.mpg.de/1239059/Besteuerung_Finanzierungsstruktur

6: Jäggi, S. (2010). Einführung in die Too-big-to-fail-Problematik. Von Die Volkswirtschaft – Plattform für Wirtschaftspolitik: http://dievolkswirtschaft.ch/content/uploads/2010/12/j%C3%A4ggi.pdf

7: Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme . (2011). Von Bank für Internationalen Zahlungsausgleich: http://www.bis.org/publ/bcbs189_de.pdf


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