Europas Wachstumsschwäche – Eine Analyse: Teil 1
Die wirtschaftliche Stagnation Europas seit der Finanzkrise 2008/09 ist ein vielschichtiges Problem. Strukturelle Schwächen, politische Fehlentscheidungen und externe Herausforderungen haben die Wirtschaft des Kontinents nachhaltig beeinträchtigt.
🏦Banken- und Finanzsystem: Eine unvollständige Erholung 💶
Das europäische Bankensystem wurde durch die Finanzkrise 2008/09 schwer geschädigt und hat sich bis heute nicht vollständig erholt. Während die USA u.a. mit dem Troubled Asset Relief Program (TARP) rasch reagierten und ihre Banken konsequent rekapitalisierten, setzte Europa auf zu zögerliche Massnahmen. Die Folge war eine andauernde Schwäche des europäischen Bankensektors, die das Wirtschaftswachstum nachhaltig beeinträchtigt hat. In meinem Beitrag Das ungelöste Solvenzproblem und die Politik der EZB argumentiere ich, dass die EZB vor allem Liquiditätsprobleme adressierte, während das zentrale Problem – die mangelnde Solvenz vieler Staaten und Banken – ungelöst blieb (Schwald, 2019).
🏦 Ein strukturelles Problem im Bankensystem
Die europäische Bankenlandschaft litt bereits vor der Krise unter einer hohen Fragmentierung und mangelnder Wettbewerbsfähigkeit. Im Gegensatz zu den USA, wo grössere und besser kapitalisierte Banken dominieren, bestehen in Europa viele kleinere Institute, die anfälliger für externe Schocks sind. Diese strukturelle Schwäche wurde durch die Krise noch verstärkt. In der Wirtschaftsdienst schrieb Martin Hellwig 2017, dass die Bankenregulierung in Europa zwar notwendig, aber in ihrer Umsetzung oft kontraproduktiv war, da sie die Kreditvergabe hemmte (Hellwig, 2017).
In meinem Artikel Die Finanzmarktregulierung ist gescheitert weise ich darauf hin, dass die europäischen Regulierungsmassnahmen oft nicht die gewünschten Ergebnisse brachten. Statt die Banken stabiler und widerstandsfähiger zu machen, führten die hohen regulatorischen Anforderungen teilweise zu einer Verlagerung von Risiken und zu einer Belastung kleinerer Institute. Die Bürokratie nahm massiv zu, während die strukturellen Probleme der Finanzmärkte ungelöst blieben (Schwald, 2023).
👨⚖️ Die Rolle der Regulierung
Nach der Krise wurde die Regulierung des Bankensektors in Europa erheblich verschärft. Neue Kapitalanforderungen und eine strengere Aufsicht zwangen die Banken dazu, ihre Bilanzen zu bereinigen und riskante Aktivitäten zu reduzieren. Dies führte zwar zu einer vordergründig höheren Stabilität des Bankensystems, ging jedoch zulasten der Kreditvergabe. Hans-Werner Sinn kritisiert in seinem Buch Der Euro: Von der Friedensidee zum Zankapfel, dass die Bankenrettung in Europa vor allem darauf abzielte, kurzfristige Liquiditätsprobleme zu lösen, ohne die zugrunde liegenden strukturellen Schwächen des Bankensystems zu beheben (Sinn, 2015).
🔍 Fazit: Warum das Banken- und Finanzsystem Europa bremst
Die unvollständige Erholung des europäischen Bankensystems ist ein zentrales Wachstumshemmnis für die Wirtschaft des Kontinents. Strukturelle Schwächen, überbordende Regulierung und eine unzureichende Adressierung der Solvenzprobleme haben das System anfällig und wenig wettbewerbsfähig gemacht. Ohne tiefgreifende Reformen, die Wettbewerbsfähigkeit fördern und die Kreditvergabe ankurbeln, wird Europa im globalen Wettbewerb weiter zurückfallen. Es bleibt die dringende Aufgabe von Politik und Wirtschaft, hier einen nachhaltigen Kurswechsel einzuleiten.
👉 Was denkst Du? Welche Reformen wären notwendig, um Europas Banken zukunftsfähig zu machen? Teile Deine Meinung in den Kommentaren! 💬
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📜 Quellen
- Hellwig, M. (2017). Wachstumsschwäche, Bankenmalaise und Bankenregulierung. Verfügbar unter: https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2017/heft/13/beitrag/wachstumsschwaeche-bankenmalaise-und-bankenregulierung.html.
- Schwald, A. (2019). Das ungelöste Solvenzproblem und die Politik der EZB. Verfügbar unter: https://alainschwald.ch/2019/12/08/das-ungeloste-solvenzproblem-und-die-politik-der-ezb/.
- Schwald, A. (2023). Die Finanzmarktregulierung ist gescheitert. Verfügbar unter: https://alainschwald.ch/2023/03/30/die-finanzmarktregulierung-ist-gescheitert/.
- Sinn, H.-W. (2015). Der Euro: Von der Friedensidee zum Zankapfel. Hanser Verlag. Verfügbar unter: https://www.hanswernersinn.de/de/Buch_DerEuro_Hanser2015